Richterinnen und Polizistinnen mit Kopftuch?
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Entscheidung des BVerfG vom 13.3.2015 (Az.: 1 BvR 471/10, 1 BvR 1181/10) wurde in dem Fachbeitrag Kopftuchverbot für Lehrkräfte ist verfassungswidrig bereits ausführlich erläutert. Der Streit um das Tragen von Kopftüchern im öffentlichen Dienst hat damit aber nur ein vorläufiges Ende gefunden, wie der folgende Fall einer Berliner Rechtsreferendarin zeigt. Die Frage lautet: Dürfen Anwältinnen, Referendarinnen, Schöffinnen oder gar Richterinnen im Gerichtssaal ein Kopftuch tragen?
Im Ausland gehen die Meinungen dazu weit auseinander. In Frankreich ist eine Rechtsanwältin mit Kopftuch im Gerichtssaal nicht vorstellbar. In Spanien schloss der bekannte Richter Javier Gómez Bermúdez eine Anwältin mit Kopftuch von einem Prozess aus. Im liberalen England dagegen dürfen Rechtsanwältinnen seit 2006 vor Gericht ein Kopftuch tragen, Gleiches gilt auch in der Türkei.1
§ 1 des Berliner Weltanschauungssymbolgesetzes (WASymbG) verbietet es Beamten/Beamtinnen, die in der Rechtspflege tätig sind, innerhalb des Dienstes sichtbar religiöse oder weltanschauliche Symbole oder Kleidung zu tragen. Die Regelung gilt insbesondere für Rechtsreferendare, wenn sie die Staatsanwaltschaft in Sitzungen vor Gericht vertreten.
Das Bundesverwaltungsgericht hat sich mit der Frage in einem Urteil vom 26. Juni 2008 (Az. 2 C 22.07) auseinandergesetzt:
„Einer Referendarin, die sich aus religiösen Gründen verpflichtet sieht, auch beim Unterrichten ein Kopftuch zu tragen, kann der Zugang zur Lehrerausbildung im öffentlichen Schulwesen nicht allein deshalb verweigert werden, um einer abstrakten Gefährdung des religiös-weltanschaulichen Schulfriedens vorzubeugen.“
Die Tatsache, dass Neutralitätspflichten indes nur für hoheitlich tätige Personen gelten sollen, verdeutlichte zuletzt das Kammergericht Berlin in einem Urteil vom 9. Oktober 2012 (Az. (3) 121 Ss 166/12 ). Eine Frau mit Kopftuch kann als Schöffin im Gerichtssaal auftreten.
Das BVerwG hat sich außerdem gegen ein umfassendes Kopftuchverbot für Lehramtsreferendarinnen ausgesprochen. Sie seien andernfalls daran gehindert, ihre Ausbildung abzuschließen und dadurch unverhältnismäßig in ihrer Berufswahlfreiheit eingeschränkt. Berlin hat deshalb eine entsprechende Ausnahmeregelung in das Neutralitätsgesetz aufgenommen.2
Der ehemalige Berliner Verfassungsrichter Klaus Finkelnburg rechnet jedenfalls damit, dass es in Zukunft Richterinnen mit Kopftuch in Deutschland geben wird.3 Das würde dann auch wohl für Tätigkeiten am Bundesverfassungsgericht gelten.
Ich denke:
Eine Richterin oder eine Polizistin mit Kopftuch wird beim Bürger einen Zweifel auslösen, ob sie de facto eine neutrale Position einnehmen.
Schon das jüngste Kopftuchurteil des BVerfG für das Lehramt stößt heftig auf Kritik,4 zumal es keine klaren Vorgaben für die Handhabung im Einzelfall gibt.5 Der ehemalige Präsident des nordrhein-westfälischen Verfassungsgerichtshofs, Michael Bertram, geht in seiner Kritik am Urteil des Bundesverfassungsgerichts noch weiter. "Wenn Karlsruhe das Kopftuch für so unbedenklich und mit dem Gebot weltanschaulicher Neutralität des Staates vereinbar hält, was kommt dann danach? Richterinnen mit Kopftuch? Bundesverfassungsrichterinnen mit Kopftuch?" Er könne sich "jedenfalls nicht vorstellen, dass eine Muslima, die aus religiösen Gründen auf dem Tragen des islamischen Kopftuchs besteht, Hüterin unserer freiheitlichen Verfassung sein kann".6
Fakt ist: Vor Gericht wird das Machtverhältnis zwischen Staat und Bürger besonders deutlich. Es ist unerlässlich, jeden auch nur äußerlichen Anschein mangelnder Objektivität zu vermeiden. Es gilt hier ein "besonders striktes Gebot staatlicher Neutralität", heißt es deshalb auch in der überzeugenden Begründung zum Berliner Neutralitätsgesetz. Dies kommt sowohl in der Robe, als auch in der Polizeiuniform zum Ausdruck. Die strengen Kleiderregeln sollen dem Bürger die "Gewähr einer neutralen Streitschlichtung" bieten.7
Auch Anwälte sind offizielle Organe der Rechtspflege. Auch hier stellt sich die Frage, ob eine Tätigkeit im Gerichtssaal mit Kippa, Kopftuch, Fes oder anderen religiös und weltanschaulich geprägten Kleidungsstücken nicht generell untersagt werden sollte.
Ihr Dr. Maximilian Baßlsperger
1 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-112638324.html
2 http://www.lto.de/recht/studium-referendariat/s/referendariat-kopftuch-verbot-neutralitaetsgesetz/
3 http://de.qantara.de/content/ehemaliger-verfassungsrichter-rechnet-mit-richterinnen-mit-kopftuch
4 http://www.welt.de/politik/deutschland/article138652286/Was-kommt-als-Naechstes-Richterinnen-mit-Kopftuch.html
5 Kopftuchverbot für Lehrkräfte ist verfassungswidrig
6 http://www.welt.de/politik/deutschland/article138652286/Was-kommt-als-Naechstes-Richterinnen-mit-Kopftuch.html
7 http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-112638324.html
Siehe dazu auch den Beitrag:
Kopftuchverbot für Lehrkräfte ist verfassungswidrig

