Sehschärfentabelle als Beispiel für Beihilfefähigkeit
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
bisher hatte das für Beihilfeangelegenheiten der bayerischen Beamten zuständige Finanzministerium sich geweigert, einen Ersatz für Gleitsichtbrillen zu leisten. Begründung: "Ein Beamter muss bestimmte Härten hinnehmen." Dies wurde in dem Beitrag Dienstunfall des Brillenträgers: Kein Ersatz für Gleitsichtbrille bereits näher ausgeführt.
Dieser Beitrag endete mit folgender Forderung:
„Wenn die Gleitsichtgläser zur ordnungsgemäßen Ausführung des Dienstes erforderlich sind, sollte und müsste der Dienstherr dafür auch die Kosten übernehmen. Grund: Der Beamte trägt seine Gleitsichtbrille zwar auch privat, aber während des Dienstes kommen die dafür notwendigen Mehraufwendungen gerade dem Dienstherrn zugute.“
Der BayVGH tat mit seiner oben angeführten Entscheidung einen Schritt in genau diese Richtung. Er entschied nunmehr, dass zwar grundsätzlich bestimmte Hilfsmittel ganz oder teilweise von der beamtenrechtlichen Beihilfe ausgeschlossen werden könnten. Die generelle Beschränkung in der Bayerischen Beihilfeverordnung käme allerdings einem Teilausschluss am Zusammenleben gleich, der mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht vereinbart werden könne.
Jedenfalls bei Vorliegen einer „gravierenden Sehschwäche“ handele es sich nach dem Urteil des höchsten bayerischen Verwaltungsgerichts bei den Kosten für eine (ärztlich verordnete) Gleitsichtbrille um Aufwendungen, die notwendig sind, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens bewältigen zu können. Damit sei also – so der BayVGH – ein Anspruch auf Beihilfe gegeben:
„In solchen Fällen ist durch einen Beihilfeausschluss der nicht zur Disposition des Dienstherrn stehende Wesenskern der Fürsorgepflicht betroffen mit der Folge, dass die Beihilfefähigkeit nicht ausgeschlossen werden darf!“
Allerdings äußerte sich der BayVGH nicht dazu, wann von einer „erheblichen Sehschwäche“ auszugehen ist. Dies ist insofern verständlich, als eine klare Grenzziehung (z.B. ab 7 Dioptrien ja, ab 6,5 Dioptrien nein) nur schwerlich als Entscheidungsgrundlage eingestuft werden kann. Allerdings böte sich für die Praxis hier ein Rückgriff auf das Schwerbehindertenrecht an, denn hier existiert eine von der Rechtsprechung der Sozialgerichte akzeptierte und der ständigen Rechtsprechung zugrunde gelegte Regelung mit der Tabelle zur Ermittlung des Sehbehinderungsgrades (Grad der Behinderung = GdB) bei Minderung der Sehschärfe2.
Sehschärfentabelle

LA = linkes Auge; RA = rechtes Auge
Beispiel 1:
Besitzt ein Beamter auf dem linken Auge etwa eine Sehschärfe von 0,32 und auf dem rechten Auge von 0,05, so ist von einem GdB von 50 auszugehen und der Beamte ist damit nach § 2 Abs. 2 SGB IX schwerbehindert.
Beispiel 2:
Besitzt ein Beamter auf dem linken Auge etwa eine Sehschärfe von 0,8 und auf dem rechten Auge von 0,08, so ist von einem GdB von 30 auszugehen und der Beamte kann damit nach § 2 Abs. 3 SGB IX einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt werden.
Es wäre wünschenswert gewesen, wenn sich der BayVGH statt den doch recht „schwammigen“ Begriff „erhebliche Sehschwäche“ zu verwenden, an dieser handfesten tabellarischen Vorgabe orientiert hätte. Er hätte dann die Beihilfefähigkeit etwa an einem GdB von 30 knüpfen können.
Aber auch ohne diese – äußerst wünschenswerte und praxisnahe – Orientierungshilfe, stellt die Entscheidung des BayVGH einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung dar.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 BayVGH v. 14.7.2015; Az.: 14 B 13.654.
2 Vgl. etwa http://www.onjoph.com/Onjoph/GdB_Tabelle/GdB_Tabelle_body.htm.

