Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die Zahlungspflicht des Staates für kirchliche Würdenträger geht auf die Enteignung der Kirchen im Jahr 1803 zurück. Die geistlichen Fürsten mussten im Zusammenhang mit der beginnenden Säkularisierung ihre Besitztümer an die weltlichen Fürsten abgeben. Im Gegenzug verpflichtete sich der Staat zur Zahlung eines Ersatzes.1 Bischöfe und Kardinäle werden aufgrund dieser mehr als 200-jährigen Verpflichtung noch heute aus der Staatskasse bezahlt. Nur die Gehälter der Pfarrer werden durch die Kirchensteuer finanziert.
Diese Tatsache basiert auf einer Reihe von Verträgen zwischen den einzelnen Bundesländern und der Kirche. Zudem ist sie vom Grundgesetz gedeckt. Art. 140 GG lautet: „Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“ Art. 138 der Weimarer Verfassung lautet wiederum: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst.“ Bis auf Bremen und Hamburg hat sich jedes Bundesland zu Staatsleistungen verpflichtet, deren regionale Unterschiede aus einer komplizierten Rechtsgeschichte resultieren.2
Die nach wie vor geleisteten Zahlungen gehen etwa in Bayern auf ein im Jahr 1924 zwischen dem Land und dem Vatikan geschlossenes Konkordat zurück, dem alsbald ein inhaltlich ähnlicher Vertrag mit den bayerischen Protestanten folgte. Jedes Jahr übernimmt Bayern pauschal die Personalkosten für den evangelischen Landeskirchenrat und für die sieben katholischen Erzbischöfe und Bischöfe und weiterhin unter anderem für 60 Kanoniker und 42 Domvikare, für Beiträge zum Unterhalt der bischöflichen Priester und Knabenseminare usw., usw.3
Für die katholischen Bistümer in Bayern zahlte der bayerische Staat Jahr für Jahr fast 66 Millionen Euro. Für die evangelische Landeskirche weitere 21 Millionen Euro. Macht insgesamt rund 87 Millionen. Bundesweit fließen an die Kirchen Personalkosten in Höhe von 500.000.000 €.4 Der Einsatz von Kirchensteuern für diese Personalausgaben ist hier nicht vorgesehen.
Neben diesen Leistungen stehen den Kirchen auch noch finanzielle Leistungen für ihre Kindergärten, Erstattungen für Pflegeheime und Krankenhäuser der Caritas und Diakonie, Zuschüsse für die kirchliche Denkmalpflege oder Bildungsarbeit zu. Außerdem: Die katholische Kirche gilt nach einem Bericht in der „Zeit“5 als größter privater Grundbesitzer in Deutschland. Die genauen Zahlen veröffentlicht die Kirche natürlich nicht, aber Experten schätzen den Besitz beider christlicher Kirchen auf etwa 100.000 Gebäude. Darunter fallen keine Gotteshäuser, sondern Gemeindehäuser, Heime oder Erholungseinrichtungen, vermietete Objekte etc. Zudem gibt es Bauland in Kirchenbesitz von rund 544 Millionen Quadratmetern.5
Seitens der Kirchen hält man aber wohl nur die Finanzierung ihres Personals durch die Allgemeinheit – seit mehr als zwei Jahrhunderten – für zeitgemäß, nicht aber eine kostenlose Unterbringung von Flüchtlingen in ihren Liegenschaften. Dabei müsste man sich ernsthaft die Grundsatzfrage stellen, ob ein Vorgang aus der Napoleonischen Zeit – vor mehr als 200 Jahren – heute noch solch üppige Zahlungen durch allgemeine Steuermittel rechtfertigt.
Fragwürdig erscheint es auch, dass sich Bayerns Bistümer in der gegenwärtigen Situation die Kosten für die Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen in kirchlichen Einrichtungen erstatten lassen.6 Dabei würde man doch annehmen, dass eine Kostenbeteiligung der evangelischen und der katholischen Kirchen, der Bistümer und Erzdiözesen nach ihrem Selbstverständnis von Barmherzigkeit angezeigt wäre.
Mittlerweile scheint aber zumindest bei der Flüchtlingsfrage ein „Umdenken im Kleinen“ stattzufinden: Das kirchliche Engagement soll nun verstärkt werden. Die katholische Kirche will künftig rund 100 Millionen Euro zusätzlich für Flüchtlinge investieren, davon etwa ein Drittel für Hilfen in den Herkunftsländern.
Dabei wäre auch ein Umdenken bei der Finanzierung des Kirchenpersonals für die Zukunft angebracht.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
3 Siehe Fußnote 2.
4 Siehe Fußnote 2.
5 Siehe Fußnote 5.
6 Bayerischer Rundfunks „br24“ vom 7.11.2015
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