rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

Zur Schweigepflicht des Amtsarztes

39 Bewertungen

Bestehen Zweifel über die Dienstfähigkeit, so ist der Beamte verpflichtet, sich gemäß § 44 Abs. 6 BBG und dem entsprechenden Landesrecht nach Weisung des oder der Dienstvorgesetzten ärztlich untersuchen zu lassen. Es fragt sich jedoch, welche Informationen der Amtsarzt nach einer Untersuchung an den Dienstvorgesetzten weitergeben muss bzw. weitergeben darf, damit er nicht gegen seine ärztliche Schweigepflicht verstößt.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

bei der Feststellung der Dienstunfähigkeit kann es zu einer Interessenskollision zwischen den Bedürfnissen des Dienstherrn an der Kenntnis des Gesundheitszustandes des Beamten und dem Interesse des Beamten an der Wahrung seines allgemeinen Persönlichkeits- und Selbstbestimmungsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Geheimhaltung seiner Gesundheitsdaten kommen.

Die Vorschrift des § 48 Abs. 2 BBG geht zunächst zu Recht davon aus, dass auch der Amtsarzt im Verhältnis zum Beamten der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt.1 Die Weitergabe der durch die amtsärztliche Untersuchung erzielten Ergebnisse stellt in der Regel einen Straftatbestand dar (vgl. § 203 StGB). Die Weitergabe solcher Daten an den Dienstherrn bedarf deshalb eines Rechtfertigungsgrundes. Diesen Rechtfertigungsgrund legt § 48 Abs. 2 BBG gesetzlich fest. Für die Übermittlung der Daten bedarf es damit nicht der ausdrücklichen Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht durch den Beamten.2

Die verantwortliche Feststellung der Dienstunfähigkeit als Tatbestandsvoraussetzung der Versetzung in den Ruhestand trifft die für die Versetzung in den Ruhestand zuständige Behörde und nicht der Amtsarzt (bzw. sonstige Arzt).

Die Frage der gesundheitlichen Anforderungen, welche das Amt an den Beamten stellt, ist in erster Linie beamtenrechtlicher Natur.

Die für die Versetzung in den Ruhestand zuständige Behörde kann und darf ihre Kompetenz nicht an den Arzt übertragen.

Der Arzt hat den nach dem Beamtenrecht zuständigen Entscheidungsträgern für eben die Feststellung der Dienstunfähigkeit (bzw. Dienstfähigkeit) eine fachliche Hilfestellung zu geben. Anders als Battis (§ 48 BBG, Rn. 4) wird man davon ausgehen müssen, dass die für die Entscheidung zuständige Behörde stets einen entsprechenden Informationsbedarf besitzt.

Nach § 48 Abs. 2 BBG teilt der Amtsarzt der Ruhestandsbehörde die tragenden Feststellungen und Gründe der Begutachtung und auch mögliche Rehabilitationsmaßnahmen mit, soweit deren Kenntnis für die Behörde unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist.

Daraus ergibt sich: Der Arzt darf sich nicht auf die Mitteilung eines zusammenfassenden Gesamtergebnisses beschränken.

Andererseits braucht und darf der Arzt nicht das gesamte Gutachten, sondern nur die tragenden Feststellungen und Gründe des Gutachtens und die in Frage kommenden Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit mitteilen.

Ich denke:
Die Weitergabe der Informationen erfolgt auch im Interesse des Beamten.

Nach dem BVerwG (Beschluss vom 20.1.2011 – Az.: 2 B 2 / 10) muss das ärztliche Gutachten auch dem Beamten die Möglichkeit geben, sich mit den Feststellungen und Schlussfolgerungen des Amtsarztes bzw. mit der darauf beruhenden Entscheidung des Dienstherrn auseinanderzusetzen, um sie ggf. substantiiert anzugreifen. Auch deshalb darf sich das Gutachten nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken, sondern es muss die für die Meinungsbildung des Amtsarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen.3

Die Weitergabe zusätzlicher, über die Erforderlichkeit hinausgehender Kenntnisse (bzw. des gesamten Gutachtens) ist aber nur dann zulässig, wenn der Beamte mit dieser Weitergabe einverstanden ist.

Herzlich,

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger

___________________________________________________________________________________________________________

Im Einzelnen gilt:

Die Informationen des Amtsarztes richten sich grundsätzlich nach der Anfrage des Dienstvorgesetzten. Siehe hierzu auch die VV- BeamtR – abgedruckt bei Weiß / Niedermaier / Summer / Zängl, Teil IV / 2030:

  • Der begutachtende Arzt teilt zu den Feststellungen über die Dienstunfähigkeit der über die Ruhestandsversetzung entscheidenden Behörde regelmäßig nur die voraussichtliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit der oder des Bediensteten mit.

  • Die Diagnose selbst sowie die Feststellungen, die zu dieser Diagnose führten, unterliegen danach regelmäßig der ärztlichen Schweigepflicht, wenn ihre Mitteilung zur Beurteilung der Dienstfähigkeit für die oder den Dienstvorgesetzten nicht erforderlich ist. Notwendiger Inhalt der ärztlichen Mitteilung ist die Diagnose und die Gesamtbeurteilung der gesundheitlichen Situation des Beamten daher in der Regel bei einer möglichen Auswirkung der gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Einzelkrankheiten und Gesamtbefund) auf die Dienstfähigkeit.

  • Auf Anfrage erfolgt eine Beschreibung der gesundheitsbezogenen Leistungseinschränkungen, insbesondere eine Darlegung etwaiger Funktionseinschränkungen, z.B. kein Publikumsverkehr, erforderliche Unterbrechungen, Reduzierung der Arbeitszeit, keine Arbeiten unter Zeitdruck.

  • Eine Prognose des Arztes zur voraussichtlichen Entwicklung der gesundheitsbezogenen Leistungseinschränkungen ist auf Anfrage des Dienstvorgesetzten abzugeben. Diese Prognose bezieht sich insbesondere darauf, ob mit der Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit innerhalb der nächsten sechs Monate zu rechnen ist und ob infolge der Erkrankung mit einer dauernden Unfähigkeit des Beamten zur Erfüllung seiner bisherigen Pflichten zu rechnen ist. In diesem Zusammenhang hat der Arzt auch zur Frage Stellung zu nehmen, ob der Beamte überhaupt in absehbarer Zeit zum Dienst erscheinen wird und während der vollen Arbeitszeit Dienst leisten kann bzw. welche gesundheitlichen (Teil-)Einschränkungen hinsichtlich der bisherigen Tätigkeiten bestehen.

  • Weiterhin teilt der Amtsarzt auf Anfrage mit, ob Behandlungsmaßnahmen zur Erhaltung der Dienstfähigkeit, zur Verbesserung oder Wiederherstellung der Einsatzfähigkeit (z.B. Rehabilitationsmaßnahmen, psychotherapeutische Behandlung, ambulante oder stationäre ärztliche Behandlung, Heilkur) erfolgversprechend erscheinen und ob ein Antrag auf Feststellung der Schwerbehinderung nach dem SGB IX für sinnvoll erachtet wird. Hält der Amtsarzt Maßnahmen zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit für Erfolg versprechend, so begründet er dies unter Darlegung der vermuteten Dauer dieser Maßnahmen.

  • Im Gutachten ist außerdem festzustellen, ob bzw. inwieweit die oder der Betroffene hinsichtlich ihrer oder seiner gesundheitlichen Eignung die Anforderungen der von der oder dem Dienstvorgesetzten beschriebenen anderen oder sonstigen Verwendungsmöglichkeiten erfüllen kann.

  • Ferner hat der Amtsarzt auf Anfrage darüber Auskunft zu geben, ob und wann eine Nachuntersuchung für zweckmäßig gehalten wird (falls die oder der Betroffene in den Ruhestand versetzt wird zum Zwecke der Reaktivierung).

___________________________

1 Vgl.: Baßlsperger in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, BayBG, Rn. 7 zu Art. 65 sowie Nokiel,
Ärztliche Schweigepflicht im Rahmen ärztlicher Untersuchungen nach § 48 BBG, DÖD 2009, 165 ff.
2 Vgl.: v. Roetteken, in v. Roetteken/Rothländer, HBR, § 26 BeamtStG, Rn. 221.
3 Siehe dazu auch OVG Mecklenburg – Vorpommern vom 27.2.2003, DÖD 2004, 137 ff = ZBR 2004, 327 ff.


Zur Schweigepflicht des Amtsarztes vgl.:

  • Baßlsperger in Weiß / Niedermaier / Summer / Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 67 BayBG, Rn. 1 ff

  • v. Roetteken, in v. Roetteken / Rothländer, HBR, § 26 BeamtStG, Rn. 221 ff.

Mein Kommentar
Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
0 Kommentare zu diesem Beitrag
banner-beamtenrecht.png
rehm_e-line_banner_355x355_L1_Var1.jpg
SX_LOGIN_LAYER