Daneben haben sich zwei dieser Urteile auch zu weiteren für die Kindergeldbearbeitung relevanten Themen geäußert und sich gegen derzeit noch in der DA-KG vertretene Auffassungen gestellt, nämlich
Die drei im BStBl veröffentlichten Urteile werden im Folgenden vorgestellt.
a) Abgrenzung zwischen der mehraktigen einheitlichen Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit und der berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung)
Der BFH erklärt, mit seiner Entscheidung vom 11.12.2018, III R 26/18, BStBl II 2019, 765 seine „Rechtsprechungsgrundsätze (…) für Fälle, in denen die einheitliche Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen ist, fortzuentwickeln und zu präzisieren. (…)
Danach kann es an einer einheitlichen Erstausbildung auch dann fehlen, wenn das Kind nach Erlangung des ersten Abschlusses in einem öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang eine Berufstätigkeit aufnimmt und die daneben in einem weiteren Ausbildungsabschnitt durchgeführten Ausbildungsmaßnahmen gegenüber der Berufstätigkeit in den Hintergrund treten. Ob die nach Erlangung des Abschlusses aufgenommene Berufstätigkeit die Hauptsache und die weiteren Ausbildungsmaßnahmen eine auf Weiterbildung und/oder Aufstieg in dem bereits aufgenommenen Berufszweig gerichtete Nebensache darstellen, ist dabei anhand einer Gesamtwürdigung der Verhältnisse zu entscheiden“. Für diese Gesamtwürdigung nennt der BFH folgende Kriterien, die nach seiner Auffassung für die Aufnahme einer Berufstätigkeit eines Kindes und damit gegen den Fortbestand des Kindergeldanspruchs sprächen:
Das Kind bindet sich längerfristig an einen Arbeitgeber. Als längerfristig sei hierbei ein unbefristetes oder auf mehr als 26 Wochen befristetes Beschäftigungsverhältnis anzusehen, dass mit einer regelmäßig vollzeitigen oder nahezu vollzeitigen Wochenarbeitszeit eingegangen werde. Es komme hierbei auch auf das zeitliche Verhältnis von Arbeitstätigkeit und Ausbildungsmaßnahme an, allein eine Wochenarbeitszeit von über 20 Wochenstunden könne nicht den Ausschlag geben, so könne etwa bei einer Arbeitstätigkeit von 22 Wochenstunden neben einem Vollzeitstudium der Ausbildungscharakter im Vordergrund stehen.
Für eine im Vordergrund stehende Berufsausbildung und damit einen weiteren Kindergeldanspruch sprächen dagegen folgende Kriterien:
Der BFH führt aus, dass diese Fortentwicklung und Präzisierung auch der Gesetzesbegründung bei Neugestaltung der §§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 entspreche. Aus dieser und auch dem Wortlaut der Rechtsnorm werde „erkennbar, dass ein weiterer Ausbildungsabschnitt nach Abschluss einer vorhergehenden Berufsausbildung nur dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung sein soll, wenn er im Verhältnis zur Erwerbstätigkeit nicht zur „Nebensache“ wird.“
Der BFH hat diese Fortentwicklung und Präzisierung seiner Rechtsprechung in zahlreichen weiteren Entscheidungen bestätigt, so mit den Urteilen vom 20.02.2019, III R 42/18, BStBl II, 769 und vom 21.03.2019, III R 17/18, BStBl II, 772.
b) Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung nicht spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts
Über die Bestätigung der Fortentwicklung und Präzisierung seiner Rechtsprechung für Fälle, in denen die einheitliche Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen ist, hinaus hat der BFH mit Urteil vom 20.02.2019, III R 42/18, BStBl II 2019, 769 entschieden, dass entgegen der Regelungen der DA-KG 2018 V 6.1 Abs. 1 Satz 8 (in der DA-KG 2019 entsprechend enthalten) eine Verbindung von zwei Ausbildungsabschnitten zu einer einheitlichen Erstausbildung nicht bereits dann abgelehnt werden könne, „wenn die Absichtserklärung zur Fortführung der Erstausbildung nicht spätestens im Folgemonat nach Abschluss des vorangegangenen Ausbildungsabschnitts vorgelegt wird. Entgegen der aus der (DA-KG) abgeleiteten Verwaltungsauffassung genügt es, wenn die Sachverhaltsumstände im Entscheidungszeitpunkt vollständig und glaubhaft dargelegt sind. Zwar kann der Zeitpunkt, wann der Familienkasse ein Sachverhalt unterbreitet worden ist, ein Indiz für oder gegen die Glaubhaftigkeit des Vortrages sein, ebenso, dass ein Sachverhalt nicht oder falsch dargestellt wurde, weil die Rechtslage unzutreffend beurteilt worden war. Dies führt aber nicht dazu, dass der Anspruch auf die Leistung entfällt. Entscheidend ist nicht, was erklärt wurde, sondern die tatsächliche Lage, denn es handelt sich hier nicht um eine rechtsgestaltende Erklärung, sondern um eine im Wege der Glaubhaftmachung zu würdigende Tatsachenbekundung. Der Zeitpunkt des Eingangs einer entsprechenden Absichtserklärung bei der Familienkasse mag Bedeutung haben für die Frage, ob die Familienkasse im Falle des Fehlens anderer objektiver Beweisanzeichen verpflichtet ist, aktuell und fortlaufend Kindergeld zu gewähren. Soweit die Familienkasse z.B. im Einspruchsverfahren und nachfolgend das FG aber einen in der Vergangenheit liegenden Anspruchszeitraum zu beurteilen haben, lässt der Untersuchungsgrundsatz (§ 88 Abs. 1 und 2 der Abgabenordnung, § 76 Abs. 1 und 4 FGO) keinen Raum dafür, erst nach Ablauf des Anspruchszeitraums entstandene oder bekannt gewordene Beweisanzeichen unberücksichtigt zu lassen.“
c) Einheitliche Erstausbildung, wenn diese neben öffentlich-rechtlich geordneten auch nicht öffentlich-rechtlich geordnete Ausbildungsmaßnahmen umfasst oder bei von der Prüfungsordnung des zweiten Ausbildungsabschnitts als Prüfungsvoraussetzung geforderter Berufstätigkeit.
Schließlich hat der BFH über die Bestätigung der Fortentwicklung und Präzisierung seiner Rechtsprechung für Fälle, in denen die einheitliche Erstausbildung mit daneben ausgeübter Erwerbstätigkeit von einer berufsbegleitend durchgeführten Weiterbildung (Zweitausbildung) abzugrenzen ist, hinaus mit Urteil vom 21.03.2019, III R 17/18, BStBl 2019, 772 entschieden, dass die Berücksichtigung einer Ausbildungsmaßnahme als Teil einer mehraktigen Ausbildung nicht schon deshalb ausgeschlossen sei, weil es sich dabei nicht um einen öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgang handele.
Zwar habe der Gesetzgeber für den in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG verwendeten Begriff der Berufsausbildung einen engeren Anwendungsbereich vorsehen wollte als für den in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG geregelten Berücksichtigungstatbestand. Berufsausbildung setze danach zum einen voraus, dass das Kind durch die berufliche Ausbildungsmaßnahme die notwendigen fachlichen Fähigkeiten und Kenntnisse erwerbe, die zur Aufnahme eines Berufs befähigten, weshalb insbesondere der Besuch einer allgemein bildenden Schule keine erstmalige Berufsausbildung vermitteln solle. Zum anderen müsse der Beruf nach der Gesetzesbegründung durch eine Ausbildung im Rahmen eines öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsgangs erlernt werden und der Ausbildungsgang durch eine Prüfung abgeschlossen werden, weshalb beispielsweise ein bloßer Computerkurs nicht für eine Erstausbildung ausreichen solle.
Ziel dieser beiden Einschränkungen sei es jedoch nur, die berücksichtigungsschädliche Wirkung des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG zu begrenzen. Deshalb könne aus diesem Erfordernis nicht der Schluss gezogen werden, dass sämtliche Teilmaßnahmen einer einheitlichen Erstausbildung jeweils für sich genommen öffentlich-rechtlich geordnet sein müssten. Einer einheitlichen Erstausbildung stehe deshalb nicht entgegen, dass diese neben öffentlich-rechtlich geordneten Ausbildungsmaßnahmen auch nicht öffentlich-rechtlich geordnete Ausbildungsmaßnahmen umfasse.
Zudem hat der BFH mit diesem Urteil entschieden, dass nicht „jede von der Prüfungsordnung des zweiten Ausbildungsabschnitts als Prüfungsvoraussetzung geforderte Berufstätigkeit den notwendigen Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten entfallen lässt. Eine solche Prüfungsvoraussetzung kann möglicherweise auch durch eine ohne besondere Qualifikationsanforderungen vor oder während des ersten Ausbildungsabschnitts durchgeführte Tätigkeit erfüllt werden. Ebenso ist denkbar, dass einer solchen Prüfungsvoraussetzung durch eine zwar während des zweiten Ausbildungsabschnitts durchgeführte, aber weniger als 20 Wochenstunden umfassende Arbeitstätigkeit genügt werden kann. Besteht in solchen Fällen ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang zwischen den Ausbildungsabschnitten, hielte es der (BFH) nicht für gerechtfertigt, allein aus einer solchen Prüfungsvoraussetzung eine Zäsur abzuleiten, obwohl die Arbeitstätigkeit die Ausbildung nicht unterbricht und die zweite Ausbildungsphase durch die Ausbildung und nicht durch die Arbeitstätigkeit geprägt wird.“
Thorsten Weinhold
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