Doppelbesteuerungsabkommen
2. Steueranrechnung statt Steuerfreistellung
In einigen Doppelbesteuerungsabkommen ist anstelle der Steuerfreistellung im Ansässigkeitsstaat des Arbeitnehmers die Anrechnung der im Tätigkeitsstaat gezahlten Steuer vorgesehen. Je nach Ausgestaltung des Doppelbesteuerungsabkommens gilt dies für sämtliche Lohneinkünfte (z. B. Liechtenstein, Norwegen, Vereinigte Arabische Emirate) oder nur für bestimmte Lohneinkünfte (z. B. Türkei).
Vgl. die Erläuterungen und die Übersicht unter der nachfolgenden Nr. 1 Buchstabe a und beim Stichwort „Anrechnung ausländischer Einkommensteuer (Lohnsteuer)“.
3. Aufteilung des Arbeitslohns
In vielen Fällen ist eine Aufteilung des Arbeitslohns auf die steuerpflichtige Inlandstätigkeit und die steuerfreie Auslandstätigkeit vorzunehmen. Dabei ist zunächst zu prüfen, inwieweit die Vergütungen der Auslandstätigkeit oder Inlandstätigkeit direkt zugeordnet werden können (z. B. Erfolgsprämien). Die direkte Zuordnung hat stets Vorrang.
Erhält der Arbeitnehmer auch Arbeitslohn, der nicht direkt zugeordnet werden kann, ist seit 1.1.2015 eine Aufteilung des Arbeitslohns im Verhältnis der jeweils tatsächlichen Arbeitstage im Inland und Ausland zu den tatsächlichen Gesamtarbeitstagen vorzunehmen. Krankheitstage mit und ohne Lohnfortzahlung, Urlaubstage und ganze Tage mit Freizeitausgleich sind übrigens keine tatsächlichen Arbeitstage. Die bis zum 31.12.2014 vorgenommene Aufteilung im Verhältnis der vereinbarten Arbeitstage hat die Finanzverwaltung aufgegeben, da sie in der heutigen Zeit nicht mehr der international üblichen Vorgehensweise entspricht.
Vgl. die Erläuterungen unter der nachfolgenden Nr. 9, besonders Buchstaben a bis d.
4. Besteuerungsrecht bei Abfindungen
Der Bundesfinanzhof hat entschieden, dass die mit einigen Staaten getroffenen Vereinbarungen zum Besteuerungsrecht bei Abfindungen für die Gerichte nicht bindend seien (BFH-Urteil vom 10.6.2015, BFH/NV 2015 S. 1630 im Verhältnis zur Schweiz). Danach wären allein die Regelungen im jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen maßgebend.
Vgl. auch die Ausführungen under der nachfolgenden Nr. 9 Buchstabe f.
5. Besteuerungsrecht bei Altersteilzeit
Bei einer Altersteilzeit im Blockmodell fließt dem Arbeitnehmer in der Arbeits- und in der Freistellungsphase Arbeitslohn zu. Dabei handelt es sich in der Freistellungsphase um nachträglich gezahlten Arbeitslohn, der in dem Verhältnis aufzuteilen ist, das der Aufteilung der Vergütungen zwischen dem Wohnsitz- und Tätigkeitsstaat in der Arbeitsphase entspricht (vgl. das Stichwort „Altersteilzeit“ unter Nr. 7 Buchstabe b).
Der Aufstockungsbetrag wird aber nicht für eine geleistete Tätigkeit, sondern für die Bereitschaft des Arbeitnehmers gezahlt, eine Altersteilzeitvereinbarung mit dem Arbeitgeber einzugehen. Somit fällt der Aufstockungsbetrag nicht unter das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates, sondern steht ausschließlich dem Ansässigkeitsstaat zu. Ist Deutschland der Ansässigkeitsstaat, ist der Aufstockungsbetrag steuerfrei (§ 3 Nr. 28 EStG), unterliegt aber dem Progressionsvorbehalt.
Vgl. auch die Erläuterungen unter der nachfolgenden Nr. 9 Buchstabe k.
6. Rückfallklausel im Einkommensteuergesetz verfassungswidrig?
Steht das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn eines in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmers dem ausländischen Staat zu, wird die sich aus dem Doppelbesteuerungsabkommen ergebende Steuerfreistellung des Arbeitslohns bei der Veranlagung zur Einkommensteuer in Deutschland nur gewährt, wenn der Arbeitnehmer nachweist, dass der ausländische Staat auf sein Besteuerungsrecht verzichtet hat oder die im ausländischen Staat auf diese Einkünfte festgesetzte Steuer entrichtet worden ist.
Der Bundesfinanzhof hat dem Bundesverfassungsgericht die bereits seit längerem umstrittene Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob der Gesetzgeber durch eine nationale Rückfallklausel gegen Verfassungsrecht verstößt (BFH-Beschluss vom 10.1.2012, BFH/NV 2012 S. 1056). Der Bundesfinanzhof selbst ist davon überzeugt, dass die nationale Rückfallklausel im Einkommensteuergesetz nicht in Einklang mit der verfassungsmäßigen Ordnung und dem Gleichheitssatz steht.
Vgl. die Erläuterungen unter der nachfolgenden Nr. 12 Buchstabe a.
7. Zahlung von Betriebsrenten ins Ausland
Bei der Zahlung von als Arbeitslohn zu erfassenden Betriebsrenten von einem deutschen Arbeitgeber an Empfänger mit Wohnsitz in den Niederlanden, in Norwegen, Spanien und der Türkei ist vom deutschen Arbeitgeber ein der Höhe nach prozentual begrenzter Lohnsteuerabzug vorzunehmen. Vgl. die Erläuterungen unter der nachfolgenden Nr. 13 Buchstabe a.
8. Freistellungsbescheinigung als elektronisches Lohnsteuerabzugsmerkmal
In einem der folgenden Kalenderjahre (z. B. 2019) soll auch die Freistellung des Arbeitslohns nach einem DBA als elektronisches Lohnsteuerabzugsmerkmal zur Verfügung stehen und dem Arbeitgeber zum Abruf bereitgestellt werden. Die erstmalige Anwendung wird durch ein im Bundessteuerblatt zu veröffentlichendes BMF-Schreiben bekannt gegeben werden (§ 52 Abs. 36 EStG). Bis dahin bleibt es aber bei der heutigen Freistellungsbescheinigung in „Papierform“. Vgl. auch die Erläuterungen unter der nachfolgenden Nr. 11.
9. Anlage N-AUS zur Einkommensteuererklärung
Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung haben Arbeitnehmer die Angaben zu Auslandssachverhalten in der Anlage N-AUS zu machen. Dabei ist für jeden ausländischen Staat eine gesonderte Anlage N-AUS abzugeben. Ungeachtet dessen gelten die erweiterten Mitwirkungspflichten des Arbeitnehmers bei Auslandssachverhalten (§ 90 Abs. 2 AO).
Anwendung von Doppelbesteuerungsabkommen
a) Allgemeines
Ein Doppelbesteuerungsabkommen ist ein Vertrag zwischen zwei Staaten, der eine doppelte steuerliche Erfassung von Einkünften verhindern soll (z. B. Besteuerung eines Arbeitnehmers sowohl im Wohnsitzstaat als auch im Tätigkeitsstaat). Doppelbesteuerungsabkommen werden durch ein sog. Zustimmungsgesetz unmittelbar anwendbares innerstaatliches Recht, das den Steuergesetzen vorgeht (§ 2 Abs. 1 AO). Dabei ist zu beachten, dass Doppelbesteuerungsabkommen das deutsche (innerstaatliche) Besteuerungsrecht nur einschränken, nicht jedoch ausdehnen oder gar begründen könnnen. Fast alle von der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen enthalten Regelungen zur steuerlichen Behandlung von Arbeitnehmern. Im Normalfall wird dabei dem Tätigkeitsstaat das Besteuerungsrecht zugewiesen. Für den Arbeitgeber erlangt die Frage nach einer Doppelbesteuerung dann Bedeutung,
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wenn der Arbeitgeber einen ausländischen Arbeitnehmer beschäftigt oder
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wenn der Arbeitgeber einen seiner Arbeitnehmer in das Ausland entsendet.
Beide Fälle sind in den Doppelbesteuerungsabkommen geregelt. Werden ausländische Arbeitnehmer in Deutschland tätig, sind sie entweder unbeschränkt oder nur beschränkt steuerpflichtig und zwar je nachdem, ob sie in Deutschland ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt haben oder nicht. Der inländische Arbeitgeber ist sowohl bei unbeschränkt als auch bei beschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern nach deren jeweiligen individuellen Lohnsteuerabzugsmerkmalen zum Lohnsteuerabzug verpflichtet. Ist ein beschränkt oder unbeschränkt steuerpflichtiger ausländischer Arbeitnehmer der Auffassung, dass ihm aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens keine Lohnsteuer vom Arbeitslohn abgezogen werden dürfe, muss er eine entsprechende Freistellungsbescheinigung des Finanzamts vorlegen. Diese Freistellungsbescheinigung kann der Arbeitnehmer bei dem für den Arbeitgeber zuständigen Betriebsstättenfinanzamt auf amtlichem Vordruck beantragen. Alle Fragen, die bei einer Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer in Deutschland auftreten können, sind beim Stichwort „Beschränkt steuerpflichtige Arbeitnehmer“ abgehandelt.
Die folgenden Erläuterungen behandeln die Fälle, in denen Arbeitnehmer für ihren inländischen Arbeitgeber im Ausland tätig werden und zwar in einem Land, mit dem die Bundesrepublik Deutschland ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat. Werden Arbeitnehmer für ihren Arbeitgeber in einem Land tätig, mit dem die Bundesrepublik Deutschland kein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, richtet sich die steuerliche Behandlung der Arbeitnehmer nach den beim Stichwort „Auslandstätigkeit/Auslandstätigkeitserlass“ dargestellten Grundsätzen.
Von entscheidender Bedeutung für die Zuweisung des Besteuerungsrechts bei einer Tätigkeit im Ausland ist die Frage nach dem Wohnsitz des Arbeitnehmers. Denn nur in den Fällen in denen der Arbeitnehmer bei einer Auslandstätigkeit seinen Wohnsitz im Inland beibehält, besteht im Grundsatz (weiterhin) ein Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland. Kommt es in solchen Fällen zu einer Doppelbesteuerung, kann die Steuer, die vom ausländischen Staat für die Auslandstätigkeit erhoben wird, unter bestimmten Voraussetzungen bei einer Veranlagung auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet oder bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden; für das Lohnsteuerabzugsverfahren ist zur Vermeidung dieser Doppelbesteuerung die Bildung eines Freibetrags in Höhe des Vierfachen der ausländischen Steuer möglich (vgl. die Erläuterungen beim Stichwort „Anrechnung ausländischer Einkommensteuer/Lohnsteuer“). Die Doppelbesteuerungsabkommen haben jedoch das Ziel, diese Doppelbesteuerung von vornherein zu vermeiden.
Hiernach ergibt sich folgende Übersicht:

1 Das BMF-Schreiben ist als Anlage 2 zu H 39b.10 LStR im Steuerhandbuch für das Lohnbüro 2016 abgedruckt.



