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Auf die Zusammenballung kommt es (für die ermäßigte Besteuerung) an

Die ermäßigte Besteuerung außerordentlicher Einkünfte landet beinahe schon regelmäßig vor Gericht. Ursächlich könnte dafür der „bunte Strauß“ an Sachverhalten sein, für den die vorteilhafte Regelung in Frage kommt.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

im Arbeitnehmerbereich fallen in erster Linie Abfindungen oder Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Dabei gibt es aber eben nicht den einen begünstigten Sachverhalt. Allein schon Abfindungsvereinbarungen unterscheiden sich von Fall zu Fall und oftmals kommt es genau auf diese Regelungen im Detail an. Noch viel bunter wird es bei den Vergütungen für eine mehrjährige Tätigkeit, denen die unterschiedlichsten Sachverhalte von der Urlaubsabgeltung bis hin zu Management-Beteiligungsprogrammen zugrunde liegen können. Es bedarf daher stets der Prüfung und Beurteilung des konkreten Einzelfalls. Zumindest der Arbeitgeber wird ab 2025 von diesen Prüfpflichten entbunden werden, da die Fünftelregelung dann aus dem Lohnsteuerabzugsverfahren gestrichen wird. Ob es damit insgesamt zu weniger Streitigkeiten im Veranlagungsverfahren kommt, bleibt abzuwarten und hängt wohl davon ab, wie viele Arbeitnehmer aktiv von sich aus die Tarifermäßigung im Veranlagungsverfahren beantragen.

Mit dem BFH-Urteil vom 22.11.2023 (Az. VI R 5/21) reiht sich eine weitere Entscheidung rund um die Anwendung der ermäßigten Besteuerung. Dem Grunde nach würde ich diese Entscheidung wohl eher unter die Kategorie „Klarstellung“ einreihen, denn dass es für die Anwendung der Fünftelregelung eine Zusammenballung von Einkünften braucht, ist jetzt nicht wirklich neu. Aus der Rechtsprechung hatte es sich entwickelt, dass außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 EStG nur dann anzunehmen sind, wenn diese in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung der Einkünfte eine höhere steuerliche Belastung entsteht. Hintergrund für das Erfordernis der Zusammenballung ist dabei, dass die Vorschrift nur "außerordentliche" Einkünfte begünstigt. Während ein unterjähriger Zufluss gesplittet auf mehrere Teilzahlungen unschädlich ist, verliert die Leistung grundsätzlich dann ihre Außerordentlichkeit, wenn sie sich auf mehrere Veranlagungszeiträume verteilt. Schließlich soll durch die besondere Tarifvorschrift gerade die erhöhte steuerliche Belastung, die sich durch den progressiven Einkommensteuertarif ergibt, abgemildert werden. Verteilen sich die Einkünfte aber auf mehrere Veranlagungszeiträume, kommt es bereits per se nicht (vollständig) zu dieser Progressionsbelastung. Bedeutung zugemessen könnte der Entscheidung darüber hinaus noch die Antwort auf die Frage, ob ein einheitlicher Versorgungsanspruch, der neben monatlichen Versorgungsleistungen teilweise auch durch eine Kapitalleistung abgefunden wird, außerordentlich sein kann. Kurz gesagt: kann die nur anteilige Kapitalisierung eigenständig beurteilt werden? Im Streitfall wurde der auf einer Rechtsgrundlage beruhende Versorgungsanspruch auf Wahl des Empfängers sowohl durch eine Kapitalleistung, als auch durch laufende Versorgungsbezüge erfüllt. Für diese Teil-Kapitalisierung – um die sich die Entscheidung dreht – fehlte es nach der Entscheidung des BFH aber an der Zusammenballung. Schließlich erfolgten die laufenden Leistungen in späteren Jahren, d. h. die progressionserhöhende Wirkung erstreckte sich nicht ausschließlich und geballt auf einen VZ. Das Finanzgericht hatte noch Zweifel geäußert, ob eine Teil-Kapitalisierung die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes grundsätzlich ausschließe und seine ablehnende Entscheidung hingegen darauf gestützt, dass es wegen der vertraglich vorgesehenen (Teil-)Kapitalisierungsmöglichkeit an der Atypik fehle. Die Rechtsfrage, ob die Steuerermäßigung auch bei einer Teilabfindung anwendbar sein kann, war daher nicht mehr entscheidungserheblich. Im Gegensatz dazu stützte sich der BFH nun gerade auf diese Teil-Kapitalisierung, dank derer es an einem zusammengeballten Zufluss als Voraussetzung für eine ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 EStG fehlte, weshalb er sich zur Atypik aber nicht mehr hatte äußern müssen.

Eine Rolle spielt die ermäßigte Besteuerung auch im Bereich der betrieblichen Altersversorgung. Weniger auf Seiten des Arbeitgebers, da bei den externen Durchführungswegen für das Lohnsteuerabzugsverfahren grundsätzlich „nur“ die Beitragsleistungen relevant sind, die bereits zum Lohnzufluss führen. Die spätere Auszahlung der Versorgungsleistung hingegen, die zu sonstigen Einkünften führt, unterliegt nicht mehr dem Lohnsteuerabzug durch den Arbeitgeber. Für den Arbeitnehmer wird es aber in der Regel durchaus von Bedeutung sein, ob die spätere Vergütung ermäßigt besteuert werden kann, weshalb diese Frage bereits in die Altersvorsorge-Planungen einfließen sollte. Leider ist eine rechtssichere Entscheidung aus meiner Sicht hierzu aktuell nur schwer zu treffen, wenn nicht gar eher unmöglich.

Wie gesagt setzt die Fünftelregelung voraus, dass es sich um außerordentliche Einkünfte handelt. Im Rahmen der jeweiligen Einkunftsart – schließlich zieht sich die Vorschrift grds. durch sämtliche Einkunftsarten – muss es sich jedenfalls in Bezug auf § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG1 um einen atypischen Vorgang handeln. Bei Alterseinkünften kann eine mehrjährige Tätigkeit in der mehrjährigen Beitragsleistung begründet sein, die sich dann eben über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstrecken und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfassen muss. Wann aber ist eine Einmalauszahlung aus der betrieblichen Altersvorsorge atypisch, also nach welchen Kriterien bestimmt sich der Regelfall bzw. vielmehr wann liegt dieser Regelfall – den es gerade zu vermeiden gilt - gerade nicht vor?

Für diese Frage hatte der BFH zunächst darauf abgestellt, ob die vertraglichen Regelungen, auf denen die betriebliche Altersvorsorge beruht, die Möglichkeit der Kapitalauszahlung vorsahen oder dies zu verneinen war und folglich die Kapitalauszahlung nicht dem vertraglich vorgesehenen Verlauf entsprach.2

Demgegenüber hatte er in einer späteren, noch nicht lange zurückliegenden Entscheidung diese Sichtweise fortentwickelt, wonach für die Frage der Atypik empirisch-statistische Daten hinsichtlich der Häufigkeit von Kapitalauszahlungen auszuwerten seien. Allerdings zeigte sich in diesem Verfahren im zweiten Rechtszug vor dem FG Köln, dass dieses Abgrenzungsmerkmal in der Praxis an Grenzen stößt. Dem Auftrag, diese Daten einzuholen, konnte das FG aus tatsächlichen Gründen nicht mit Erfolg nachkommen, da solche statistischen Informationen von Organisationen und Verbänden schlichtweg nicht erhoben wurden. Für den Einzelfall konnte die Außerordentlichkeit daher nicht festgestellt werden und die Fünftelregelung war wegen der Feststellungslast des Steuerpflichtigen zu versagen. Über den Einzelfall hinaus lässt dies aber die Frage aufwerfen, ob an den neu aufgestellten Grundsätzen wirklich festgehalten werden kann bzw. soll oder diese Kriterien schlichtweg aus tatsächlichen Gründen ungeeignet sind.

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Eine Möglichkeit, dies unter den nun bekannten Gegebenheiten nochmals zu überdenken, könnten bereits zwei weitere hierzu anhängige Revisionsverfahren3 bieten. Die Vorinstanzen, das FG Münster4 und das FG Thüringen5, hatten die Revision zur Fortbildung des Rechts zugelassen, um dem BFH diese Gelegenheit zu geben. Allerdings war in beiden Fällen die Möglichkeit zur Kapitalauszahlung wieder einmal vertraglich vorgesehen. Dieses gegen die Atypik sprechende Indiz könnte verbunden mit der Feststellungslast des Steuerpflichtigen ggfs. bereits entscheidend sein und eine weitere Auseinandersetzung obsolet machen. Für die Praxis wäre eine zeitnahe Klarstellung hingegen wünschenswert. Sie sehen also: es wird nicht ruhig um dieses Thema…

Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,

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Ihre Ramona Dietmair


1 d.h. Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten
2 BFH vom 20.09.2016, Az. X R 23/15, BStBl II 2017
3 X R 25/23 und X R 28/23
4 FG Münster vom 24.10.2023, Az. 1 K 1990/22
5 FG Thüringen vom 13.12.2023, Az. 4 K 294/20

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