rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

Blogübersicht < Blogbeitrag

Ein weiterer Schritt in Richtung Wachstumschancen (-gesetz)

Ruhig war es geworden um das Wachstumschancengesetz. Eine ganze Weile nun war nicht mehr viel zu hören, dessen Fortgang eher ungewiss, als dass man fest damit kalkulieren konnte. Seitdem der Bundesrat im November letzten Jahres das Gesetz vorerst gestoppt und den Vermittlungsausschuss einberufen hatte, konnte man nur vage spekulieren. Begründet wurde die Ablehnung damit, die Änderungsvorschläge seien „im weiteren Gesetzgebungsverfahren allenfalls punktuell übernommen“ worden und der Gesetzesentwurf durch eine Vielzahl von Umdrucken kurzfristig ergänzt worden. Neuer Schwung kam nun aber jetzt in das Gesetzgebungsverfahren, nachdem der Vermittlungsausschuss einen Kompromissvorschlag vorlegte.

Dietmair_100x100px_min.png
Jetzt bewerten!

Liebe Leserin, lieber Leser,

Ende Februar hatte der Vermittlungsausschuss nun in seiner dritten Sitzung den mit Spannung erwarteten Kompromissvorschlag zum Wachstumschancengesetz beschlossen.1 Der jeweils hälftig aus Mitgliedern des Bundestages und des Bundesrates zusammengesetzte Ausschuss tagt immer dann, wenn sich zuvor keine Einigung finden lässt. Die Mitglieder sind in ihren Entscheidungen völlig frei und nicht an Weisungen gebunden. Ziel ist es, einen Einigungsvorschlag zu finden, dem Bundestag und Bundesrat gleichermaßen zustimmen können und folglich das Gesetzgebungsverfahren doch noch zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Gerade unterschiedliche politische Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat führen dazu, dass der Vermittlungsausschuss häufiger angerufen wird.

Den Vorschlag, den er nun ins Spiel gebracht hat, kann man wohl durchaus als abgespeckte Fassung seiner ursprünglichen Version bezeichnen. So soll das Volumen der steuerlichen Erleichterungen mehr als halbiert werden. Dies wurde erreicht, indem zum Beispiel die Klimaschutz-Investitionsprämie, mit der Investitionen in Umwelt- und Klimaschutzmaßnahmen hätten gefördert werden sollen, gänzlich gestrichen wurde. Weniger in den Fokus rückten bislang die Überarbeitungen im Lohnsteuerbereich, wohl ganz einfach deshalb, weil es sich um vergleichsweise eher kleinere Bausteine handelt. Hochgerechnet auf diejenigen, die davon betroffen sind, wäre „unbedeutend“ aus meiner Sicht aber nun doch die falsche Bezeichnung. Das zeigt sich auch daran, dass auch in diesem Bereich noch einiges nachgebessert wurde. Gerade im laufenden Lohnsteuerabzugsverfahren stellen die aktuellen Unsicherheiten die Praxis zunehmend vor Herausforderungen. Daher lassen Sie uns doch einen Blick darauf werfen, was nun konkret hinsichtlich der lohnsteuerlichen Vorschriften angepasst wurde.

Übernommen wurde die langsamere Abschmelzung des Versorgungsfreibetrags samt Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag. Der Entwurf sieht weiterhin deren Abschmelzung nun bis zur vollständigen Besteuerung erst ab 2058 vor, wohingegen dies nach aktueller Rechtslage bereits ab 2040 der Fall wäre. Für den Lohnsteuerabzug wäre dies aber erst ab 2025 anzuwenden. Bleiben soll es auch bei der Anhebung der Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer von acht auf neun Euro sowie dem Wegfall der Beitragsgrenze für die Pauschalierung von Gruppenunfallversicherungen. Diese dürfen aktuell nur dann pauschal nach § 40b Abs. 3 EStG mit 20% lohnversteuert werden, wenn der durchschnittliche Beitrag ohne Versicherungsteuer pro Arbeitnehmer 100 Euro im Kalenderjahr nicht übersteigt. Nicht durchsetzen konnte sich hingegen die Anhebung der Pauschalen für den Verpflegungsmehraufwand von 14 auf 16 Euro bzw. von 28 auf 32 Euro. Die Änderung ist im Beschlussvorschlag des Vermittlungsausschusses nicht mehr enthalten. Gleiches gilt für die Anhebung des Freibetrags für Betriebsveranstaltungen. Beabsichtigt war zuvor, den Freibetrag – der von jedem Arbeitnehmer zweimal pro Jahr genutzt werden kann – auf 150 Euro anzuheben. Allerdings wird es hier zumindest aktuell bei 110 Euro bleiben.

Befürworter von Hybrid- und Elektrofahrzeugen können sich gleich doppelt freuen: Nicht nur der Kreis der für die „¼-Regelung“ in Betracht kommenden Elektrofahrzeuge soll ausgedehnt werden, auch die Verschärfung bei Hybridfahrzeugen ist zunächst vom Tisch. Aktuell profitieren nur Elektrofahrzeuge mit einem Bruttolistenpreis von höchstens 60.000 Euro von der begünstigenden Regelung, wonach der Listenpreis bei Bewertung des geldwerten Vorteils nur zu einem Viertel anzusetzen ist. Vorgesehen ist nun, die Grenze auf 70.000 Euro anzuheben. Die Anhebung soll gewissermaßen rückwirkend erfolgen, denn unter die Regelung fallen dann Fahrzeuge, die erstmal nach 2023 einem Arbeitnehmer zur Privatnutzung überlassen wurden, ggfs. also bereits vor Verabschiedung des Gesetzes. Für Hybridfahrzeuge greift unter bestimmten Voraussetzungen eine ähnliche Förderung, der Bruttolistenpreis wird dann mit 50 % berücksichtigt. Um in diesen Genuss zu kommen, muss das Fahrzeug entweder eine bestimmte kilometermäßig definierte Mindestreichweite unter ausschließlicher Nutzung des Elektroantriebs erreichen oder darf eine CO2-Emission von max. 50g/je gefahrenen km nicht überschreiten. Die ursprünglichen Planungen, die Mindestreichweite als Alternative zu streichen und damit ausschließlich auf den CO2-Ausstoß abzustellen, werden nicht weiterverfolgt.

Als Beitrag zur Bürokratieentlastung hat auch die Verlagerung der ermäßigten Besteuerung auf das Veranlagungsverfahren weiterhin Bestand. Um den Arbeitgeber von damit verbundenen Prüfpflichten zu entbinden, soll die Fünftelregelung im Lohnsteuerabzugsverfahren aufgehoben werden. Erfreulicherweise soll diese Änderung nun aber auf 2025 verschoben und damit unzählige Korrekturen für dieses Jahr bereits ausbezahlte Abfindungen etc. vermieden werden.

Auf eine gesetzliche Grundlage gestellt werden soll zudem noch die Möglichkeit für Arbeitgeber, die IdNr. von bereits seit 2022 beschäftigten Arbeitnehmern beim Finanzamt ohne ausdrückliche Vollmacht zu erfragen. Für die elektronische Übermittlung von Lohnsteuerbescheinigungen ist ab dem Veranlagungszeitraum 2023 zwingend die Angabe einer steuerlichen IdNr. notwendig. Hat der Arbeitgeber für den Arbeitnehmer für das Jahr 2022 eine LSt-Bescheinigung übermittelt und versichert der Arbeitgeber, dass das Dienstverhältnis nach Ablauf des Jahres 2022 fortbestanden und der Arbeitnehmer trotz Aufforderung pflichtwidrig seine IdNr. nicht mitgeteilt hat, soll nach dieser Ergänzung in § 39 EStG das zuständige Finanzamt die IdNr. des Arbeitnehmers auf formlose schriftliche Anfrage des Arbeitgebers mitteilen. Da die Frist zur Übermittlung der LSt-Bescheinigung 2023 allerdings bereits Ende Februar endete, bedurfte es dieser Regelung bereits vor Verabschiedung des WC-Gesetzes und wurde im Vorgriff darauf bereits durch BMF-Schreiben zugelassen.2 Die gesetzliche Grundlage soll nun nachgeschoben werden.

rehm-Campus_Stoerer-Bild_Bildschirm.png

Für mehr Wissen.

Fortbildungen im Lohnsteuerrecht

Profitieren Sie von unseren neuen informativen und praxisorientierten eLearning-Angeboten in Form von Webinaren, Online-Trainings oder Video-Tutorials. Gestalten Sie Ihre Fortbildung flexibel und praxisnah. Für Kunden des Lexikons für das Lohnbüro 2026 PLUS sind bereits vier Webinare im Jahr 2026 inklusive.

Kein Bedarf bestand hingegen mehr für die Anpassung der Berechnung der Vorsorgepauschale. Mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) vom 19. Juni 20233 wurde § 55 Abs. 3 SGB XI dahingehend ergänzt, dass sich der Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung für jedes zu berücksichtigende Kind ab dem zweiten Kind bis zum fünften Kind um jeweils einen Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten reduziert. Als Folgeänderung war § 39b Abs. 2 Satz 5 Nr. 3c EStG anzupassen, damit auch bei der Lohnsteuerberechnung die Reduzierung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung berücksichtigt wird. Die Änderung wurde allerdings noch 2023 in das Kreditzweitmarktförderungsgesetz4 verschoben, um dessen Anwendung ab 2024 sicherzustellen. Eine derart kurzfristige Anpassung der Programmablaufpläne (PAP) war zwar nicht mehr möglich, weshalb die Änderung im Lohnsteuerabzug nicht unmittelbar ab 01.01.2024 umgesetzt werden konnte. Inzwischen wurden die PAP aber überarbeitet, d. h. spätestens ab 1. April 2024 ist die Neuregelung anzuwenden.

Rückblickend spricht die Statistik für die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses, denn nur in einem Bruchteil der Fälle, in denen das Gremium angerufen wurde, sind die Gesetzesvorlagen am Ende doch gescheitert.5 Vorliegend handelt es sich aber wohl um keinen unumstrittenen Kompromiss, vielmehr steht das Gesetz noch immer auf der Kippe. Der Bundestag stimmte dem Ergebnis bereits in seiner Sitzung am 23. Februar 2024 zu. Es hängt nun aber erneut alles von der Zustimmung der Länderkammer ab. Diese wird voraussichtlich am 22. März entscheiden, ob sie sich diesem Kompromiss ebenfalls anschließen kann. Der Umstand, dass im Vermittlungsausschuss andere Mehrheitsverhältnisse herrschen als im Bundesrat, könnte dabei zum Verhängnis werden. Und somit bleibt an dieser Stelle wieder einmal nichts anderes als abzuwarten. Was lange währt, könnte dann aber doch endlich gut werden!

18469-HJR-Website2023-04-RZ-Newsletter.webp

Beste Antworten.

Newsletter Arbeits- und Lohnsteuerrecht

Erhalten Sie regelmäßig Informationen zu den aktuellen Entwicklungen im Arbeits- und Lohnsteuerrecht sowie Empfehlungen zu neuen Produkten und Webinaren. Jetzt kostenlos anmelden und von den aktuellen Angeboten und Beiträgen profitieren.

Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,

Ihre Ramona Dietmair


1 Drs. 20/104102
2 BMF-Schreiben vom 23.01.2024
3 BGBl. I Nr. 155
4 vgl. BT-Drucksache 20/9782
5 vgl. https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/gesetzgebung_neu/gesetzgebung/verm-255464

Quiz-Bild_ohneSchatten_267px.png

Quiz Lohnsteuerrecht

Jeden Monat stellen wir Ihnen spannende Fragen zum Lohnsteuerrecht. Sie testen Ihr Fachwissen und lesen gleich die richtigen Lösungen. So können Sie spielend Ihr Lohnsteuer-Wissen erweitern und sind bei aktuellen Rechtsänderungen stets auf dem neuesten Stand.

Einfach mitspielen >

Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
0 Kommentare zu diesem Beitrag
SX_LOGIN_LAYER