Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte bzw. an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, sollen steuerfrei gestellt werden. Als Vollzeitarbeit soll dabei für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden, für nicht tariflich festgelegte oder vereinbarte Arbeitszeiten 40 Stunden gelten.1 So plant es die Bundesregierung. Außerdem wird von einer „praxisnahen Lösung“ gesprochen. Wie soll die Regelung aber genau aussehen? Im Hinblick auf die Diskussionen lohnt ein Blick, was bislang schon bekannt ist.
Liebe Leserin, lieber Leser,
richtig neu ist die Idee nicht, dennoch aber gerade jetzt in vielen Gesprächen, Köpfen und Diskussionen: die geplante Steuerbefreiung von Überstundenzuschlägen. Bereits die vorangegangene Bundesregierung hatte sich dieses Vorhaben samt einer zeitnahen Umsetzung zum Ziel gesetzt.2 Das konnte zunächst nicht mehr realisiert werden. An den Erfolg der Maßnahme glauben nun aber auch die neuen Koalitionspartner, weshalb sie wortlautgetreu auch Eingang in den Koalitionsvertrag gefunden hat. Zumindest aus steuerlicher Sicht. Zu dieser Feinheit aber gleich mehr.
Ziel der Maßnahme ist es, dem Fachkräftemangel zu begegnen, weitere Arbeitskräftepotenziale zu erschließen und Mehrarbeit finanziell attraktiver werden zu lassen. Bislang steht noch nicht viel fest zur geplanten Regelung. Ein Gesetzesentwurf wurde noch nicht veröffentlicht.
Anlässlich einer Kleinen Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantwortete die Bundesregierung aber bereits erste Fragen hierzu.3 An geleisteter Mehrarbeit mangelt es vermutlich schon jetzt nicht; 2024 wurden insgesamt 1,2 Mrd. Überstunden geleistet. Eines sollte aber bereits von vornherein klar sein: eine Überstunde allein genügt noch nicht unbedingt für den Vorteil. Steuerfrei gestellt werden sollen lediglich Zuschläge für Mehrarbeit, nicht aber das reguläre Entgelt für die Überstunde selbst. Das mag an dieser Stelle schnell überlesen werden.
Folglich kommen in den Genuss der Befreiung auch nur diejenigen und insoweit, als für Mehrarbeit auch mehr bezahlt wird. Mit Ausnahme der Nachtarbeit sind Zuschläge für Mehrarbeit nicht gesetzlich normiert, allerdings finden sich in Tarifverträgen im Allgemeinen detaillierte Bestimmungen.4 Konkret beziffert werden kann damit wohl aktuell noch nicht, wie viele Beschäftigte profitieren könnten. Auch der Bundesregierung liegen hierzu keine Angaben vor.5
Zudem sollte einkalkuliert werden, dass sich die Zahl nach Verabschiedung nach oben verändert. Schließlich ist der Steuerbefreiung die gewollte Anreizwirkung kaum abzusprechen. Zurück aber zum Zuschlags-Kriterium. Ein solches kennen wir bereits für SFN-Zuschläge nach § 3b EStG, der Steuerbefreiung für Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschläge. Es ist daher naheliegend, dass auch die angedachte Befreiung für Überstundenzuschläge denselben Grundregeln unterliegen wird. Wesentliches und gemeinsames Merkmal dabei ist, dass neben dem Grundlohn auch tatsächlich ein Zuschlag für die zuschlagsbewehrte Arbeit bezahlt wird (vgl. R 3b Abs. 1 LStR). Zum einen scheidet damit ein herausrechnen aus dem regulären Lohnanspruch aus, zum anderen muss der Zuschlag auch gerade zu diesem Zweck bezahlt werden. Auf die Bezeichnung hingegen sollte es demgegenüber nicht ankommen.
Auch hinsichtlich der Ermittlung bzw. Begrenzung des Grundlohns, dem Zusammentreffen mit weiteren Zuschlägen oder der zeitversetzten bzw. pauschalen Auszahlung könnte auf die bereits bekannten Grundsätze des § 3b EStG zurückgegriffen werden und folglich allen Beteiligten die Umsetzung erleichtern. Das umfasst natürlich auch die Rechtsprechung. So hatte der BFH erst kürzlich zur Ermittlung des Grundlohns während gesondert vergütetem Bereitschaftsdienst geurteilt. Demnach bemisst sich die Steuerfreiheit von (Nacht-)Zuschlägen für Bereitschaftsdienste, die außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit erbracht und gesondert vergütet werden, nach dem Arbeitslohn für die regelmäßige Arbeitszeit und nicht nach dem niedrigeren Bereitschaftsdienstentgelt. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmer für die zuschlagsbewehrte Tätigkeit neben den Erschwerniszuschlägen auch einen Anspruch auf diesen Grundlohn hat.6 Folgt man diesem Gedanken auch bei Zuschlägen für Mehrarbeit, ließe diese Auslegung beispielsweise durch Minderung der Grundvergütung für Überstunden, aber Auszahlung eines bzw. eines höheren Zuschlags durchaus Gestaltungspotential zu. Allerdings würden vermutlich analog zu § 3b EStG sowohl Rechtsprechung als auch ihr folgend die Finanzverwaltung die Tatbestandsvoraussetzungen eng auslegen.

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Verrät die Antwort auf die Kleine Anfrage aber schon mehr? In vielen offen Fragen macht die Bundesregierung deutlich, dass die konkreten Einzelheiten erst noch ausgearbeitet werden müssen. Insbesondere die naheliegenden Fragen zur Fairness und dazu, wie zwar Mehrarbeit gefördert, gleichzeitig aber ein Missbrauch vermieden werden kann, betreffe die konkrete, noch ausstehende Ausgestaltung. Klargestellt wird jedoch, dass für das Beitragsrecht gerade keine entsprechende Befreiung beabsichtigt ist.7 Hier wären wir beim eingangs erwähnten Unterschied zur Wachstumsinitiative, die neben einer Steuerbefreiung auch eine Beitragsfreistellung in der Sozialversicherung vorgesehen hatte. In der Praxis stößt das vermutlich nicht auf Begeisterung. Nicht nur deshalb, weil die (beabsichtigte) Beitragsfreiheit verloren geht, sondern auch weil Divergenzen in beiden Rechtsgebieten die Lohnabrechnung regelmäßig noch komplexer machen. Beispielhaft erwähnt sei an dieser Stelle die Pauschalierung nach § 37b EStG, die aus eben diesen Gründen zumindest teilweise an Attraktivität verliert.
Mehr (Lohn) für mehr (Arbeit) – tatsächliche Zuschläge für Mehrarbeit könnten sich bald lohnen. Die Details sind noch nicht bekannt, weil ein Gesetzesentwurf noch aussteht – mit Spannung erwartet werden darf er allerdings jetzt schon!

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Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,
Ihre Ramona Dietmair
1 vgl. „Verantwortung für Deutschland“, KoaV zwischen CDU, CSU und SPD, Zeile 569-572
2 vgl. „Wachstumsinitiative – neue wirtschaftliche Dynamik für Deutschland“ vom 05.07.2024
3 vgl. BR-Drs. 21/755 vom 04.07.2025
4 vgl. BR-Drs. 21/755, Frage 7
5 vgl. BR-Drs. 21/755, Frage 6
6 BFH-Urteil vom 11.04.2024, Az. VI R 1/22 sowie Blogbeitrag „Im nächtlichen Bereitschaftsdienst“ vom 03.07.2024
7 vgl. BR-Drs. 21/755, Frage 30-32

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