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Über Nacht unterwegs

Kennen Sie den „5 Uhr-Club“ eines großen privaten Radiosenders? Regelmäßig Zuwachs bekommt der Club von Fernfahrern, die um 5 Uhr morgens schon auf den Straßen unterwegs sind. Unterwegs sind in der Bundesrepublik rund 2,8 Million LKW, davon ein signifikanter Teil im Fernverkehr. Das bedeutet eine große Zahl an Fahrern, die auch im Fahrzeug übernachten. Damit zwangsläufig verbunden auch Besonderheiten im steuerlichen Reisekostenrecht.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

im Gegensatz zum Großteil der Dienstreisenden kommen Fahrer im Fernverkehr regelmäßig nicht in den Genuss eines Hotelzimmers. Es erübrigt sich damit die Abrechnung bzw. Erstattung von dienstlich veranlassten Hotelkosten. Auch bei Übernachtung in der Schlafkabine im LKW entstehen aber beruflich veranlasste Reise(neben)kosten, die der Arbeitgeber steuerfrei erstatten kann. In erster Linie geht es um die Benutzung sanitärer Anlagen auf Raststätten oder Autohöfen, um die Parkgebühren auf diesen Rastplätzen sowie auch die Kosten zur Reinigung der eigenen Schlafkabine.

Im Gegensatz zur Hotelrechnung gestaltet sich die Nachweisführung insoweit aber weitaus aufwendiger: eine Menge an zumeist geringen Einzelbelegen, die es zu sammeln gilt. Um diesen Schwierigkeiten Rechnung zu tragen, wurde mit der sog. Übernachtungspauschale für Berufskraftfahrer eine gesetzliche Möglichkeit geschaffen, auf Einzelbelege zu verzichten. Die Pauschale von ursprünglich 8 Euro kann als Reisenebenkosten steuerfrei erstattet werden für jeden Kalendertag, an dem der Berufskraftfahrer eine Verpflegungspauschale im Zusammenhang mit einer Übernachtung beanspruchen könnte (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 EStG). Der Anspruch auf den Verpflegungsmehraufwand bleibt insoweit unangetastet und besteht daneben unverändert. Mit dem Wachstumschancengesetz wurde die Pauschale mit Wirkung ab 2024 nochmals angehoben auf nunmehr 9 Euro. Erstattet der Arbeitgeber diese Reisenebenkosten nicht, so kann der Arbeitnehmer Werbungskosten geltend machen. Für beides – sowohl die steuerfreie Erstattung durch den Arbeitgeber als auch den Werbungskostenabzug – gilt: die Pauschale hat Vereinfachungscharakter, d.h. alternativ dazu besteht weiterhin die Möglichkeit, die tatsächlich entstandenen Kosten geltend zu machen.1 Für diesen Fall gibt es eine weitere Erleichterung:

Aus Gründen der Vereinfachung ist es ausreichend, wenn die tatsächlich entstandenen und regelmäßig wiederkehrenden Reisenebenkosten für einen repräsentativen Zeitraum von drei Monaten im Einzelnen durch entsprechende Aufzeichnungen glaubhaft gemacht werden. Wurde dieser Nachweis erbracht, kann der tägliche Durchschnittsbetrag, der sich aus den Rechnungsbeträgen für den repräsentativen Zeitraum ergibt, für den Ansatz von Werbungskosten oder auch für die steuerfreie Erstattung durch den Arbeitgeber so lange zu Grunde gelegt werden, bis sich die Verhältnisse wesentlich ändern.2 Vorsicht geboten ist beim Einzelnachweis allerdings hinsichtlich der Kosten für sanitäre Einrichtungen. Wir kennen sie alle, die Wertbons, die in Höhe der (ggfs. anteiligen) Nutzungsgebühr ausgegeben werden und die im Anschluss im Shop oder Restaurant eingelöst werden können. Dieser Teil der Kosten kann nicht steuerfrei erstattet werden und darf daher auch nicht den tatsächlichen Benutzungsgebühren zugerechnet werden.

Ob nun Einzelnachweis oder Übernachtungspauschale: die Entscheidung muss einheitlich pro Kalenderjahr gefällt werden. Die Pauschale kann auch von mitfahrenden Arbeitnehmern beansprucht werden, die ebenfalls im Fahrzeug übernachten, wenn der Arbeitgeber keine weiteren Erstattungen für Übernachtungskosten leistet bzw. als Werbungskosten geltend gemacht werden. Die übrigen Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b EStG müssen erfüllt sein.3 Das bedeutet natürlich auch hier bedarf es dem Anspruch auf Verpflegungsmehraufwand im Zusammenhang mit einer Übernachtung. Und damit sind wir beim grundlegenden Tatbestandsmerkmal. Welche Tage sind hiervon konkret umfasst? Die Zwischentage einer mehrtägigen Dienstreise wohl unstrittig.

Aber wie sieht es mit An- und Abreisetagen aus? Ist die Übernachtungspauschale für Übernachtungen eines Berufskraftfahrers im LKW seines Arbeitgebers durch die Kopplung an gewährte Verpflegungspauschalen jeweils auch für An- und Abreisetage zu berücksichtigen? Diese Frage liegt aktuell dem BFH zur Entscheidung vor.4 Der klagende Berufskraftfahrer vertritt die Auffassung, für die Berechnung der Übernachtungspauschale sei nicht die Anzahl der Übernachtungen, sondern die Anzahl der Tage mit Anspruch auf Verpflegungsmehraufwand relevant. Das Finanzgericht hingegen schloss sich der Sichtweise des Finanzamts an und wies die Klage als unbegründet zurück.5 Die Notwendigkeit einer Übernachtung als Tatbestandsvoraussetzung für die Inanspruchnahme der Regelung ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift. Im Streitfall machte der Kläger die Pauschale für sämtliche Tage mit Anspruch auf Verpflegungsmehraufwand geltend. Soweit es allerdings an einer Übernachtung fehlt, fehle es an der weiteren Tatbestandsvoraussetzung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5b Satz 2 1. Halbsatz EStG – und damit eben auch an der Möglichkeit, die Pauschale zu nutzen.

Über Nacht unterwegs – oder genügt auch ein Reiseende schon vor Einbruch der Nacht? Warten wir´s ab, wie der BFH hierzu urteilen wird!

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Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,

Ihre Ramona Dietmair


1 BMF-Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 131
BMF-Schreiben vom 04.12.2012
BMF-Schreiben vom 25.11.2020, Rz. 131
Revisionsverfahren unter VI R 6/25
FG Thüringen vom 18.06.2024, Az. 2 K 534/22

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