Liebe Leserin, lieber Leser,
wie schon angesprochen treten im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Auszahlungs- und Abrechnungsprozess der Energiepreispauschale (EPP) durch die Arbeitgeber vermehrt Fragen auf. Das BMF hat ein Bündel von Fragen bereits in einer FAQ-Liste zusammengestellt, aufgearbeitet und insgesamt zu Zweifelsfragen rund um die EPP Stellung genommen. Ich persönlich halte diese FAQs für praxistauglich und sehr hilfreich. Jedenfalls konnten dadurch die allermeisten der in der letzten Zeit an die Finanzämter herangetragenen Fragen beantwortet werden. Ich möchte hier an der Stelle aber auf drei verfahrensrechtliche- und technische Fragestellungen eingehen, die nicht in den FAQs aufgenommen sind.
Inländische Arbeitgeber sind ja grundsätzlich gesetzlich verpflichtet, die als staatlichen Zuschuss aufgrund der stark gestiegenen Energiekosten konzipierte EPP mit der ersten, nach dem 31. August 2022 vorzunehmenden regelmäßigen Lohnzahlung an ihre Beschäftigten auszahlen. Als Kompensation für die vorausgelegten Beträge entnehmen die Arbeitgeber die EPP vom Gesamtbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer und setzen diese gesondert bei der Lohnsteuer-Anmeldung – abhängig vom Lohnsteuer-Anmeldungszeitraum (für August 2022, das dritte Quartal 2022 oder das Kalenderjahr 2022) ab. Die EPP wird dazu in der Lohnsteuer-Anmeldung in einer extra dafür geschaffenen Kennzahl 35 eingetragen. Wichtig: Die Eintragungsmöglichkeit der EPP in der Kennziffer 35 ist ausschließlich in der Lohnsteuer-Anmeldung für August 2022, das dritte Quartal 2022 oder das Kalenderjahr 2022 möglich. In allen anderen Zeiträumen ist die Kennziffer 35 nicht freigeschaltet.
Übersteigt die insgesamt zu gewährende EPP den Betrag, der insgesamt an Lohnsteuer abzuführen ist, erhält der Arbeitgeber von seinem Finanzamt gleichwohl die über den Lohn abgerechneten Beträge erstattet. Technisch wird dies über eine sog. Minus-Lohnsteuer-Anmeldung abgewickelt; ein gesonderter Antrag des Arbeitgebers ist nicht erforderlich.
Aufgrund der mit einer Vorleistung einhergehenden finanziellen Belastung, stößt die Bereitschaft zur Vorleistung gerade bei Arbeitgebern mit hohen Minus-Lohnsteuer-Anmeldungen auf „wenig Gegenliebe“. Solche hohen Minus-Lohnsteuer-Anmeldungen sind insbesondere in Unternehmen, die überwiegend Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor beschäftigen.
Die Frage ist, wie davon betroffene Arbeitgeber eine solche finanzielle Belastung so gering wie möglich halten können? Dazu folgende Überlegung. Arbeitgeber, die ihre Lohnsteuer monatlich anmelden, müssen die EPP mit der Lohnsteuer-Anmeldung für August geltend machen und an ihre anspruchsberechtigten Arbeitnehmer im September (nicht am 1. September) auszahlen. Das heißt, es bleibt Zeit zur Auszahlung bis zum 30. September.
Die Möglichkeit zur Übermittlung der Lohnsteuer-Anmeldung besteht ab dem 1. eines Monats. Übermittelt der Arbeitgeber zum 1. September eine Minus-Lohnsteuer-Anmeldung aufgrund der Auszahlung der EPP, bedarf es gleichwohl der Zustimmung des Finanzamts, damit aus der Steueranmeldung eine Steuerfestsetzung wird und aus dem heraus der Erstattungsbetrag ausgezahlt werden kann1. Gerade durch eine solche frühzeitige Übermittlung der Lohnsteuer-Anmeldung kann der gesetzlichen Konzeption der Auszahlung und Refinanzierung der EPP in zeitlicher Nähe, Rechnung getragen werden.
Um gerade bei hohen Minus-Lohnsteuer-Anmeldungen nicht in Vorleistung treten zu müssen, wurde arbeitgeberseitig auch schon eine gesplittete Auszahlung von regulärem Lohn und EPP an die Arbeitnehmer ins Spiel gebracht. Die Auszahlung der EPP erfolgt gleichwohl innerhalb des Septembers um dem Rechtsanspruch des Arbeitnehmers auf Auszahlung in diesem Monat Rechnung zu tragen. Die Auszahlung soll aber erst dann erfolgen, nachdem das Finanzamt den Erstattungsbetrag an den Arbeitgeber überwiesen hat. Auch diese Möglichkeit ist gesetzlich gedeckt.
In der steuerlichen Fachliteratur ist teilweise zu lesen, dass Arbeitgeber Zweifelsfragen zur Auszahlung der EPP nicht über eine lohnsteuerliche Anrufungsauskunft beim Betriebsstättenfinanzamt klären lassen können2. Zudem sei fraglich, ob eine Überprüfung der Auszahlungsberechtigung der EPP durch den Arbeitgeber im Rahmen einer Lohnsteuer-Außenprüfung bzw. einer Lohnsteuer-Nachschau möglich ist. Grund dafür sei, dass – anders als beim Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung – für die EPP nicht gesetzlich geregelt wurde, dass die §§ 42e (Anrufungsauskunft, 42f (Lohnsteuer-Außenprüfung) und 42g (Lohnsteuer-Nachschau) EStG analog anzuwenden sein. Gesetzlich geregelt wurde lediglich, dass die für Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO anzuwenden sind.
Nach meinem Dafürhalten ist ein gesonderter Verweis auf die vorgenannten Paragrafen im Einkommensteuergesetz auch nicht erforderlich. Gleichwohl muss man - auch wenn das Eine das andere bedingt - die Lohnabrechnung sowie die Auszahlung und die Bescheinigung (Großbuchstabe E) der EPP verfahrensrechtlich von der Refinanzierung (Steuervergütung) trennen.
Die EPP ist nach dem Gesetz als Einnahme nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen. Sie unterliegt damit als „sonstiger Bezug“ dem individuellen Lohnsteuerabzug3. Eine vom Arbeitgeber ausgezahlte EPP ist in der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung zudem mit dem Großbuchstaben E anzugeben4. Eine Ausnahme hiervon bilden Beschäftigte, die ausschließlich Arbeitslohn beziehen, der nach § 40a EStG pauschal besteuert wird. Aus dieser gesetzlichen Einordnung heraus, finden die für die Lohnsteuer geltenden Vorschriften automatisch Anwendung.
Insofern steht m. E. jedem Arbeitgeber zur Klärung von Fragen im Zusammenhang mit der zutreffenden Lohnversteuerung der EPP auch das Instrument der Anrufungsauskunft offen. Schließlich schlägt sich eine unzutreffende Einbehaltung der Lohnsteuer auf die EPP, aber auch der Nichtausweis des Großbuchstaben E auf der Lohnsteuerbescheinigung, auch bei der Frage der Haftungsinanspruchnahme5 nieder.
Eine Haftungsinanspruchnahme des Arbeitgebers für eine fehlerhafte Refinanzierung der EPP ist jedoch ausgeschlossen, da der Arbeitgeber nur für Lohnsteuer haftet, soweit die Voraussetzungen des § 42d EStG erfüllt sind. Eine erforderliche Korrektur der EPP hat vielmehr über die Lohnsteuer-Anmeldung zu erfolgen, mit der die Refinanzierung geltend gemacht wurde. Denn bei der Refinanzierung handelt es sich nicht um Lohnsteuer, sondern um einen Kürzungsbetrag der einzubehaltenden Lohnsteuer6.
Eine Überprüfung der Versteuerung, Auszahlung und Refinanzierung der EPP ist im Rahmen einer Lohnsteuer- Außenprüfung möglich. Im aktualisierten Vordruck zur Prüfungsanordnung einer Lohnsteuer-Außenprüfung ist die EPP bereits in die Tabelle der zu prüfenden Steuerarten, unter dem Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung, mit dem Zeitraum 2022 aufgenommen worden. Daneben wurden die Rechtsgrundlagen im Vordruck um die §§ 113, 117 und 119 EStG ergänzt.
Auch wenn die Preise für Energie momentan nur eine Richtung kennen und jeder Euro zur Begleichung der hohen Energiekosten „Willkommen“ ist, netto bleiben den Empfängern der EPP im Schnitt 193 Euro übrig7. Dafür gibt der Staat geschätzt Netto rund 10 Milliarden Euro an Steuergeldern aus. Dazu gesellen sich geschätzte Bürokratiekosten (Umstellungsaufwand in den Unternehmen und Erfüllungsaufwand in der FinVerw) und von rund 800.000 Euro8.
Ob dieses Geld in der heutigen Zeit und unter Beachtung der immer weiter erforderlichen, immensen Kosten zur Bewältigung der Corona-Krise sinnvoll eingesetzt ist kann jeder für sich beantworten. Meine Meinung steht jedenfalls fest!
Bleiben Sie gesund und zuversichtlich.
Es grüßt Sie,
Ihr Matthias Janitzky
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