Die Teuerungsrate beschäftigt uns seit Monaten in sämtlichen Bereichen des Alltags. Seit Beginn des immensen Preisanstiegs vor rund zwei Jahren zieht sich dieser durch den kompletten Alltag und zwingt uns dazu, mehr auf das Geld zu achten und auch eingelebte Gewohnheiten zu überdenken. Das gemeinsame Dinner mit den besten Freunden oder der Stammtisch kann dann schon mal ausfallen und wird immer seltener. Und wenn man sich den Luxus dann doch hin und wieder noch gönnt, dann sitzt oftmals das Trinkgeld nicht mehr ganz so locker wie früher. Obendrauf kommen noch die Preiserhöhungen, die dem Auslaufen des ermäßigten Umsatzsteuersatzes ab 2024 geschuldet sind. Auf der anderen Seite macht es das der Gastro nicht unbedingt einfacher: die Branche hatte enorm unter der Corona-Pandemie zu leiden und kämpft mit akutem Personalmangel. Um zu verhindern, dass die Lieblingskneipe schließen muss, hat zumindest der Einzelne von uns es in der Hand, guten Service zu belohnen: mit einem fairen Trinkgeld.
Liebe Leserin, lieber Leser,
Auch wenn es sich beim Trinkgeld dem Grunde nach um eine freiwillige Leistung handelt, ist es für einige Berufsgruppen dennoch ein fester Bestandteil der Entlohnung und nicht wegzudenken. In der Gastro gilt hierzulande als Faustregel ein Trinkgeld von fünf bis zehn Prozent des Rechnungsbetrags als angemessen. Was aber kommt hiervon tatsächlich beim Empfänger an?
Den Bonus, den die selbständige Kosmetikerin als zusätzliche Anerkennung einer zufriedenen Kundin on top erhält, muss diese dem Grunde nach als Betriebseinnahme erfassen und versteuern. Beim angestellten Kellner sieht das grundsätzlich anders aus, denn extra für Arbeitnehmer gibt es hierfür eine besondere Steuerbefreiung.1 Nach dieser Vorschrift sind solche Trinkgelder steuerfrei, die dem Arbeitnehmer anlässlich einer Arbeitsleistung von Dritten freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist.
Mit der Steuerbefreiung sollen Berufe im Niedriglohnsektor, bei denen das Trinkgeld einen flankierenden Bestandteil der Entlohnung darstellt, steuerlich entlastet werden.2 Vor der Änderung durch das Gesetz zur Steuerfreistellung von Arbeitnehmertrinkgeldern im Jahr 2002 waren Trinkgelder, die Arbeitnehmer freiwillig von dritter Seite erhielten, noch steuerpflichtiger Arbeitslohn, soweit sie einen Freibetrag von 1.224 Euro (damals 2.400 DM) überschritten. Neben der Hoffnung, Schwarzarbeit ein weiteres Stück eindämmen zu können, sollte mit der Gesetzesänderung auch ein Beitrag zur Bürokratieentlastung geleistet werden, indem sich die verwaltungsaufwendige Erfassung dieser Zusatzleistungen seitdem erübrigt. Stellt sich nun aber doch die Frage, ob seitdem tatsächlich jegliches Trinkgeld an Arbeitnehmer_innen steuerfrei bleibt. Und Sie werden es ahnen, ganz so einfach ist es natürlich nicht.
Unbestritten kommt nach dem Wortlaut der Vorschrift nur eine Leistung von anderen als dem Arbeitgeber in Frage. Dazu muss dieser Betrag freiwillig über das Entgelt hinaus, das eigentlich geschuldet wird, bezahlt werden. Das Bedienungsgeld, das gelegentlich in der Speisekarte als verpflichtendes Trinkgeld erhoben wird, erfüllt diese Voraussetzung nicht und fällt damit nicht unter die Befreiung. Allein damit ist es aber noch nicht getan, um in den Genuss der Steuerbefreiung zu kommen. Anders als an einigen anderen Stellen im Einkommensteuergesetz wird unter § 3 Nr. 51 EStG der Begriff des „Trinkgeldes“ nicht legaldefiniert. Das heißt zu diesen ausdrücklich aufgeführten Anforderungen muss es sich auch noch tatsächlich um ein echtes „Trinkgeld“ handeln.3 Das Anknüpfen an den Trinkgeldbegriff ist bereits deshalb ganz wesentlich, da andernfalls Lohn von dritter Seite regelmäßig steuerfrei zu stellen wäre. Denn zumeist besteht auf den Lohn von dritter Seite auch kein Anspruch. Der Zweck der Vorschrift würde in diesen Fällen aber völlig verfehlt. Was also verstehen wir ganz allgemein unter einem Trinkgeld? Ein solches baut grundsätzlich auf eine gewisse persönliche Beziehung zwischen Empfänger und Zuwendendem auf.4 Für seine Leistung soll der Arbeitnehmer nicht nur vom Arbeitgeber, sondern auch vom Leistungsempfänger ent- bzw. belohnt werden. Ich persönlich würde es als eine Geste der Wertschätzung beschreiben. Typischerweise handelt es sich um ein kleines Geldgeschenk, das als honorierende Anerkennung übergeben wird. Damit lägen wir auch schon bei einem weiteren Merkmal: auch der Höhe nach ist das Trinkgeld auf ein gewisses Maß beschränkt. Selbst wenn sich dies nicht aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, so ist diese Voraussetzung eben bereits im Trinkgeldbegriff selbst begründet. Wie das FG Köln kürzlich feststellte, kann bei einer Leistung von 1,3 Mio. Euro hingegen nicht mehr von solch einem kleinen „Zuckerl“ gesprochen werden. Dies übersteigt jedenfalls eindeutig unddeutlich den Rahmen dessen, was nach dem allgemeinen Begriffsverständnis als Trinkgeld verstanden werden kann. Der Dank für die berufliche Tätigkeit war in dem zu beurteilenden Streitfall folglich konsequenterweise als Arbeitslohn zu versteuern.
Auch wenn natürlich die Meinungen auseinandergehen, was üblich ist, so bleibt hier doch ein relativ großer Spielraum. Solange wir also auf einen netten Abend mit leckerem Essen und freundlichem Service zurückblicken können, spricht doch nichts gegen einen angemessenen „Tip“! Und gerade das Gegenüber wird sich darüber gleich doppelt freuen können, wenn diese Wertschätzung voll in der eigenen Tasche landet. Daher wünsche ich Ihnen zahlreiche solcher Abende, zum Wohle aller Beteiligten!
Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,
Ihre Ramona Dietmair

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1 § 3 Nr. 51 EStG
2 vgl. BT-Drs. 14/9029
3 FG Köln vom 14.12.2022, 9 K 2814/20
4 BFH vom 19. 07.1963, VI 73/62 U

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