Zahlreiche Vorschriften im Arbeitnehmerbereich stehen unter dem sog. Zusätzlichkeitskriterium, das heißt sie hängen davon ab, dass eine bestimmte Arbeitgeberleistung „zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn“ erbracht wird. Betroffen sind in erster Linie Steuerbefreiungen, das Tatbestandsmerkmal zieht sich aber auch durch Pauschalierungsnormen und weitere Steuervergünstigungen wie beispielsweise den bAV-Förderbetrag. Was aber steckt genau dahinter? Nach Uneinigkeiten über dessen Auslegung gibt es inzwischen eine klare gesetzliche Definition. Welche Fälle fallen aber nun erstmals unter die Vorschrift?
Liebe Leserin, lieber Leser,
von steuerfreien Arbeitgeberleistungen für die Kinderbetreuung, die betriebliche Gesundheitsförderung oder dem Stromtanken im Betrieb des Arbeitgebers über die Pauschalierungsmöglichkeit für übereignete Datenverarbeitungsgeräte, Ladevorrichtungen für Elektrofahrzeuge oder betriebliche Fahrräder bis hin zum Förderbetrag zur betrieblichen Altersversorgung zieht sich das Zusätzlichkeitskriterium quer durch das Einkommensteuergesetz. Diese Steuervergünstigungen sollen nur dann Anwendung finden, wenn der Arbeitgeber die Leistung zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt.
Lange Zeit war das Tatbestandsmerkmal gesetzlich nicht konkretisiert. Nach Verwaltungsauffassung war die Zusätzlichkeitsvoraussetzung dann erfüllt, wenn die zweckbestimmte Leistung zu dem Arbeitslohn hinzukommt, den der Arbeitgeber arbeitsrechtlich schuldet. Nur Gehaltsumwandlungen wurden als schädlich betrachtet.1 Vorbei war es mit dieser gesetzlichen „Regelungslücke“ in dem Zeitpunkt, in dem der BFH dieser Sichtweise den Rücken kehrte und es verneinte, die Zusätzlichkeit bei Sachverhalten mit Gehaltsverzicht oder -umwandlung auszuschließen.2
In der Folge wurde der Begriff erstmals durch das Jahressteuergesetz 20203 im Einkommensteuergesetz gesetzlich legaldefiniert. Durch die Regelung in § 8 Abs. 4 EStG werden Leistungen des Arbeitgebers insbesondere dann nicht mehr zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht, wenn die Leistung auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet oder der Lohnanspruch zugunsten der Leistung herabgesetzt wird. Seitdem war nun also gesetzlich klargestellt, dass Gehaltsumwandlungen schädlich sind. Wenngleich das Bestreben, das Zusätzlichkeitskriterium in möglichst vielen Fällen zu bejahen, durchaus verständlich und nachvollziehbar scheint, lohnt sich an dieser Stelle ein Blick über den Tellerrand. Warum sollen diese begünstigenden Vorschriften für Gehaltsumwandlungen ausgeschlossen sein? Gefördert werden sollen damit echte Zusatzleistungen für den Arbeitnehmer. Die Leistungen sollen als echter Mehrwert ankommen, nicht nur in Form des Steuervorteils. Gehaltsumwandlungen sind im Gegenzug auch mit Blick auf die soziale Absicherung des Arbeitnehmers nicht unproblematisch, denn der sozialversicherungspflichtige Grundarbeitslohn wird dadurch dauerhaft zugunsten von Zusatzleistungen abgesenkt.
Neben möglichen negativen Auswirkungen auf Renten- und Lohnersatzleistungsansprüche ist auch an künftige Lohnerhöhungen zu denken, da bei prozentualen Lohnerhöhungen Zusatzleistungen oft nicht in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden und folglich dieser Teil des Arbeitslohns dauerhaft von Erhöhungen ausgeschlossen wäre.
Über § 52 Abs. 1 EStG war die neue Vorschrift erstmals anzuwenden auf Leistungen des Arbeitgebers oder auf seine Veranlassung eines Dritten (Sachbezüge oder Zuschüsse), die in einem nach dem 31. Dezember 2019 endenden Lohnzahlungszeitraum oder als sonstige Bezüge nach dem 31. Dezember 2019 zugewendet werden. Ob es sich insoweit allerdings um eine zulässige Rückwirkung handelt, darüber wird nun erstmals der BFH zu urteilen haben. Nach Auffassung der Vorinstanz, dem FG Rheinland-Pfalz, stellt die Einführung des § 8 Abs. 4 EStG durch das Jahressteuergesetz 2020 eine zulässige unechte Rückwirkung dar, da das Gesetz auf einen noch nicht abgeschlossenen Veranlagungszeitraum der Einkommensteuer angewendet wird.4 Streitgegenständlich sind im konkreten Fall Gutscheine, die der Arbeitgeber seinen Beschäftigten monatlich auch schon vor 2020 zuwandte. Nach vertraglich vereinbarter Gehaltsumwandlung wurde der monatliche Bruttoarbeitslohn um 44 Euro reduziert. Der Gutscheine wurde hingegen nicht hinzugerechnet, da sie als Sachbezug zu beurteilen und bis einschließlich 2019 unter die 44 Euro-Freigrenze fallen konnten. Die Nutzung der 44 Euro-Freigrenze für Gutscheine und Geldkarten wurde allerdings ab 2020 an die Bedingung geknüpft, dass diese zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden (§ 8 Abs. 2 Satz 11 zweiter Halbsatz EStG). Der steuerliche Vorteil sollte damit insbesondere im Rahmen von Gehaltsumwandlungen ausgeschlossen werden.5 Ob also nun Gutscheinkarten im Rahmen einer Gehaltsumwandlung in 2020 noch unter die Sachbezugsfreigrenze fallen können, das wird nun der BFH zu entscheiden haben. Im Hinblick auf die Vielzahl der Fälle, die ein solches Modell umgesetzt und auch in 2020 noch (unverändert) weiter betrieben haben, sollte das Urteil für die Praxis von großer Bedeutung sein.
Das FG Niedersachsen, das sich ebenfalls mit der Zusätzlichkeit im Jahr 2020 zu beschäftigen hatte, konnte es im Ergebnis offenlassen, ob die Vorschrift des § 8 Abs. 4 EStG bereits für Lohnzahlungszeiträume in 2020 anwendbar ist.6 Aus Sicht des Senats spreche jedoch der explizit geäußerte Wille des Gesetzgebers in seiner Gesetzesbegründung dafür.7 Klärungsbedürftig war bzw. ist in diesem Verfahren die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 11a EStG – die sog. Corona-Prämie – die ebenfalls unter dem Zusätzlichkeitskriterium steht. Im anhängigen Revisionsverfahren wird der BFH hier zu klären haben, ob ein Arbeitgeber Sonderleistungen wie beispielsweise Urlaubsgeld, worauf arbeitsrechtlich kein Anspruch bestand, teilweise als steuerfreie Corona-Sonderzahlung auszahlen konnte. Wie § 3 Nr. 11a EStG setzen auch die wesensgleichen Vorschriften des § 3 Nr. 11b EStG (Pflegebonus) und § 3 Nr. 11c EStG (Inflationsausgleichsprämie) voraus, dass die Leistungen zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbracht werden. Zwar sind die Begünstigungszeiträume dieser zeitlich befristeten Vorschriften allesamt bereits ausgelaufen; die Frage der Zusätzlichkeit wird nun aber regelmäßig im Rahmen von LSt-Außenprüfungen noch bzw. erst jetzt ein Thema sein.

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Wenn’s zusätzlich sein soll, dann darf der Lohnanspruch nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt werden. Eine Antwort darauf, ob das auch im Jahr 2020 schon galt, sollten wir demnächst erhalten!
Und damit verabschiede ich mich und grüße Sie ganz herzlich,
Ihre Ramona Dietmair
1 vgl. BMF-Schreiben vom 22.05.2013, BStBl I 2013, 728
2 BFH vom 01.08.2019, Az. VI R 32/18
3 Jahressteuergesetz 2020 vom 21.12.2020, BGBl. 2023 I Nr. 65
4 FG Rheinland-Pfalz vom 30.08.2024, Az. 3 K 1285/22, Rev. anh. VI R 28/24
5 BT-Drs. 19/14909
6 FG Niedersachsen vom 24.07.2024, Az. 9 K 196/22
7 vgl. BT-Drs. 19/22850, S. 83; BT-Drs. 19/23551, S. 13; BR-Drs. 503/20, S. 86

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