100 Jahre „Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung“ - der Einfluss von Taylor auf das Personalmanagement von heute, Teil I
Liebe Leserinnen und Leser,
an Frederick W. Taylor scheiden sich die Geister: für die Einen ist er der Begründer der Arbeitswissenschaft, die wesentlich zu einer Humanisierung der Arbeitswelt beigetragen hat. Für die Anderen ist er derjenige, der die Arbeiter zu reinen Handlangern degradiert und für deren noch effektivere Ausbeutung gesorgt hat. Schon vor Beginn des Ersten Weltkriegs haben seine Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung gravierende Auswirkungen auf die Organisation und das Personalmanagement vieler US-Unternehmen gehabt. Seine Ideen wurden bereits zu dieser Zeit nicht nur in den USA sehr kontrovers diskutiert. Spätestens seit der Veröffentlichung seines Hauptwerkes in deutscher Sprache im Jahr 1913 wurde diese Diskussion auch in Deutschland geführt.
Seine berufliche Karriere begann der Pionier der Arbeitswissenschaft und des Personalmanagements als Arbeiter in einer Fabrik. Mit Unterstützung des Netzwerkes seiner wohlhabenden Ursprungsfamilie gelang es ihm, sich zum Leitenden Ingenieur der Fabrik hoch zu arbeiten. Später war er als Unternehmensberater und Dozent in Harvard tätig. Auch durch Einnahmen aus Patenten zur Stahlverarbeitung wurde der Ehemann und Vater dreier adoptierter Kinder wohlhabend.
Die Arbeitwelt zu Taylor’s Zeiten
Zum Verständnis seiner Ideen und Methoden sollte man sich klar machen, in welcher Situation Taylor diese entwickelt hat. Nimmt man die Ausführungen in seinem Hauptwerk zur Grundlage, hat Taylor die Situation in den US-Fabriken Ende des 19. Jahrhunderts wie folgt wahrgenommen:
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der Verdienst der Tagelöhner war gering, es gab Kinderarbeit,
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die Arbeitszeiten waren lang: 10 bis 12 Stunden am Tag, bei sechs Arbeitstagen in der Woche,
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schwere körperliche Arbeit unter teilweise miserablen Arbeitsbedingungen, häufig mussten die Arbeiter ihre eigenen Werkzeuge verwenden,
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das Bildungsniveau der Arbeiter war nach Auffassung Taylors niedrig, die Facharbeiterausbildung nicht mit der heutigen vergleichbar,
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es gab massive Konflikte zwischen den Unternehmern und den Arbeitern,
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ein unfaires Entlohnungssystem führte dazu, dass die Arbeiter systematisch ihre Arbeitsleistung zurückhielten. Die Arbeiter wurden nach produzierten Stückzahlen bezahlt. Sollte ein Arbeiter entgegen der Gruppennorm eine höhere Stückzahl als üblich herstellen, wurde der Lohn an diesem Tag zwar gezahlt. Die Gruppe der Arbeiter musste aber damit rechnen, dass in naher Zukunft der Stücklohn gesenkt wurde, der Tageslohn – dann aber bei höherer Leistung – in etwa gleich blieb,
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die Unternehmer kümmerten sich nach Angaben Taylors kaum um den Arbeitsprozess. Sie achteten am Ende des Tages auf Anzahl und Qualität der Werkstücke, nicht aber darauf, wie die Arbeiter ihre Arbeit verrichteten.
Das Ziel von Taylor war nun, dass er durch seine Ideen die „Prosperität“ der Unternehmer, Arbeiter und der Gesellschaft steigern wollte. Dadurch, dass die Arbeiter ihre Arbeit effizienter verrichteten, sollten die Stückkosten sinken und die Unternehmer mehr Gewinn erzielen. Dann seien die Unternehmer auch in der Lage, ihren Arbeitern einen höheren Lohn zu zahlen.
Was nun die Kernideen waren, mit denen Taylor die Arbeitsweise in den Betrieben optimieren wollte, erfahren Sie in Teil II des Blogs am 22.4.2013.
Ihr
Dr. Andreas Gourmelon

