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100 Jahre „Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung“ Teil II

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Liebe Leserinnen und Leser,

was waren nun die Kernideen, mit denen Taylor die Arbeitsweise in den Betrieben optimieren wollte?

Finde mit wissenschaftlichen Methoden den besten Weg, wie eine Arbeit erledigt werden kann!

Taylor hatte beobachtet, dass Facharbeiter die gleiche Arbeit in unterschiedlicher Weise durchführten und dabei auch unterschiedlichen Erfolg hatten. Seine Idee war, die besten Arbeiter zu identifizieren und genau zu analysieren, wie diese ihre Arbeit verrichteten. Dabei konnte durch den Einsatz von Zeit- und Bewegungsstudien die Arbeitsweise noch weiter optimiert werden. Wichtig war Taylor der wissenschaftliche Ansatz – von Traditionen und „Daumenregeln“ sollte sich der Arbeitsgestalter lösen.

Optimiere die Werkzeuge und Arbeitsbedingungen!

Zur Optimierung der Arbeitsweise gehörte auch, die Gestaltung der Werkzeuge und der Arbeitsbedingungen in den Fokus der Aufmerksamkeit zu nehmen.  Taylor untersuchte beispielsweise welche Schaufelformen sich zum Schaufeln unterschiedlicher Materialien eigneten. Der Arbeitgeber sollte den Arbeitern dann diese für ihren jeweiligen Einsatzzweck optimal gestalteten Werkzeuge zur Verfügung stellen. Auch die Arbeitsbedingungen wurden verbessert – so setzte sich Taylor nach eigenen Angaben für eine Reduzierung der Arbeitszeiten und für die Einführung von Pausen ein, weil er erkannte, dass dann die Arbeiter weniger erschöpft und produktiver sind.

Bestimme auf wissenschaftlichem Wege (nicht willkürlich), welche Tagesleistung man von einem Arbeiter erwarten darf!

Taylor war der Auffassung, dass die Fabrikeigentümer und die Manager in der Regel mangels eigener Erfahrung nicht wussten, welches Arbeitspensum man fairerweise von einem Arbeiter erwarten durfte. Die Tagesleistung wurde nach seiner Meinung oftmals willkürlich festgelegt und führte so zu einer Über- oder Unterforderung der Arbeiter. Mit seinen wissenschaftlichen Methoden könne er ein faires Arbeitspensum bestimmen, welches das Leistungspotenzial der Arbeiter ausschöpfe, die Arbeiter jedoch nicht überfordere. Selbstverständlich habe der Arbeiter so zu arbeiten, wie es der - auf wissenschaftlichem Wege gefundene – „one best way“ vorgebe. Kritik kann man an seiner Methode aus der heutigen Sicht daran üben, dass Taylor zur Bestimmung der „Normalleistung“ sich an wenigen, besten Arbeitern orientierte und dann in kaum nachvollziehbarer Weise Abschläge vornahm.

Bezahle für hohe Leistung einen hohen Lohn!

Die Arbeiter mussten ihre traditionelle Arbeitsweise aufgeben, sich einer neuen Arbeitsweise anpassen und ihr Leistungsvermögen voll ausschöpfen. Für diese hohe Leistung sollten die Arbeiter auch einen hohen Lohn erhalten. Dabei sollten diejenigen nochmals besonders honoriert werden, die die „Normalleistung“ übertrafen. Diese Idee Taylors ist im Kern aber nur ein Appell an die Arbeitgeber gewesen – es gab (und gibt) keinen Automatismus im System Taylors, hohe Leistung mit hohen Löhnen zu verknüpfen.

Beschäftige für jeden Job nur die dafür am besten geeigneten Arbeiter!

Häufig wird übersehen, dass sich der Erfolg des Taylor`schen Systems nicht nur auf der geänderten Arbeitsorganisation und einem neuen Entgeltsystem gründet. Wesentlich war zudem, dass der amerikanische Ingenieur für jeden Job den hierfür am besten geeigneten Arbeiter einsetzen wollte. Hierfür wurden ausgefeilte eignungsdiagnostische Methoden entwickelt und eingesetzt, die sich in hohem Maße an den Arbeitsanforderungen orientierten. Jobs sollten nicht auf der Grundlage von Beziehungen vergeben werden, Taylor wollte aus der großen Schar der Arbeitssuchenden die am besten Passenden auswählen.

Leite die Arbeiter ständig in der neuen Arbeitsweise an!

Zur Aufrechterhaltung der neuen, optimierten Arbeitsweise müssen nach Taylor die Arbeiter ständig angeleitet und unterstützt werden. Hierzu setzt Taylor eine eigene Mitarbeitergruppe ein, die er selbst als „Lehrer“ bezeichnet. Sie sollen den Arbeitern immer wieder wohlwollend zeigen, wie sie am besten das Tagespensum erfüllen können.

Die Kopfarbeit übernehmen Spezialisten, die Arbeiter sind nur für die Handarbeit zuständig!

Taylor hielt die Arbeiter für zu wenig gebildet, als dass sie eigenständig in der Lage dazu gewesen wären, den „one best way“ zur Erledigung der Arbeit zu finden. Hierzu sollten nämlich wissenschaftliche Methoden zum Einsatz kommen. Es mussten Experimente durchgeführt werden, wobei systematisch viele Einflussgrößen variiert und umfangreiche Datenmengen ausgewertet wurden. Deshalb hielt es der Pionier der Arbeitswissenschaft für richtig, diese Aufgabe der Planung der Arbeit – die Kopfarbeit - wiederum auf hierfür qualifizierte Mitarbeitergruppen zu übertragen. Die Arbeiter sollten sich auf die reine Durchführung der Arbeit – auf die Handarbeit – konzentrieren. Taylor sah diese Maßnahme als eine Wohltat sowie als eine Entlastung für die Arbeiter an; er hielt es für eine Pflicht der Arbeitgeber, dass sie sich intensiv um die Betriebsführung und die Organisation der Arbeit kümmerten. Sicherlich sah er nicht voraus, welchen Einfluss diese Trennung von Kopf- und Handarbeit auf das langfristige Wohlergehen der Arbeiter haben würde. In Kombination mit einer im Laufe der Zeit (z.B. bei Ford) zunehmenden Spezialisierung der Arbeit (zum Teil auf wenige Handgriffe) führte diese Trennung von Kopf- und Handarbeit zu schwerwiegenden physischen und psychischen Folgen. Überspitzt kann für den psychischen Bereich gesagt werden, dass eine dauerhaft ausgeübte stumpfsinnige Arbeit mit einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit zu einem ebensolchen Charakter führen wird.

In seinem Werk „Grundsätze der wissenschaftlichen Betriebsführung“ finden sich noch weitere Maßnahmen, deren Umsetzung Taylor empfiehlt (z.B. das Funktionsmeistersystem).

Die Kritik an Taylor und an seinem System ist vielfältig und intensiv – eine kurze Recherche bei Google erbringt tausende von Fundstellen. Ich erkenne das Bemühen Taylors an, unter den damals gegebenen Bedingungen die Verdienstmöglichkeiten und die Arbeitsbedingungen der Arbeiter zu verbessern. Allerdings kritisiere ich, dass er nicht die langfristigen Wirkungen seines Systems auf das Wohlergehen der Arbeiter berücksichtigt hat. Taylor war sich bewusst, dass seine Ideen auch zur Ausbeutung der Arbeiter verwendet werden können: „Andererseits kann …[das Scientific Management] entgegen dem ursprünglichen Zweck dazu verwendet werden, die Arbeiter rücksichtslos anzutreiben, für annähernd gleichen Lohn wie früher eine größere Tagesleistung zu vollbringen“ (Taylor, 1913, S. 90).

Bei aller Kritik ist Taylor jedoch zuzugestehen, dass er in das Personalmanagement – insbesondere in den Bereichen Stellenbemessung (Bestimmung einer Normalleistung bzw. mittleren Bearbeitungszeit), Auswahl (anforderungsorientiert), Einsatz (günstige Arbeitsbedingungen, Ergonomie), Entlohnung (leistungsorientiert) – Konzepte eingebracht hat, die heute noch aktuell und inzwischen selbstverständlich sind.

Falls das Frühjahr verregnet und kalt sein sollte, kann ich Ihnen die kurzweilige Lektüre des einhundert Jahre alten Klassikers von Taylor „Die Grundsätze wissenschaftlicher Betriebsführung“ (1913/2011; Salzwasser-Verlag) wärmstens empfehlen.

Ihr
Dr. Andreas Gourmelon

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