Abiturienten in den Kopf geschaut
Liebe Leserinnen und Leser,
im Personalmarketing gilt der Grundsatz: „Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler“. Um im Bild zu bleiben, sollten die Angler hierfür den Geschmack der Fische kennen. Übertragen auf das Personalmarketing bedeutet dies: Wir benötigen systematisch erhobene Daten, was sich unsere Zielgruppen wünschen, in welcher Situation sie sich befinden und wie sie sich informieren. Für die Zielgruppe „Abiturienten“ habe ich Ihnen bereits in den Blogbeiträgen vom 5.11.2013, 24.7.2014, 16.7.2018, 1.8.2018, 8.3.2022 und 7.9.2022 über Studien zum Thema Berufswahlverhalten von Abiturienten berichtet. Nachfolgend werden Ihnen die Erkenntnisse einer Studie dargestellt, die von Herrn Marc Pusch und Herrn Damian Kütemann-Busch, beide Absolventen der Hochschule für Polizei und öffentlichen Verwaltung NRW, durchgeführt wurde.
Vorgehensweise der Studie
Im Frühjahr 2023 wurde eine Online-Befragung durchgeführt. Der Kontakt zu den Abiturienten erfolgte überwiegend im Rahmen von Großveranstaltungen. Insgesamt konnten die Daten von 146 Abiturienten aus Nordrhein-Westfalen ausgewertet werden. Der Fragebogen orientierte sich an den Erhebungsinstrumenten von Vorstudien; es wurden soziodemografische sowie Daten zum Berufswahlverhalten erhoben. Die Geschlechterverteilung der Befragten lautet: 32,41 % männlich, 66,21 % weiblich und 1,38 % divers. Mehr als die Hälfte (54,48 %) der befragten Abiturienten weisen einen Notendurchschnitt zwischen 1,0 bis 2,0 auf. Zudem gaben 22,76 % der Befragten an, einen Migrationshintergrund zu haben. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ.
Für die Berufswahl verwendete Informationsquellen
Die Eltern sowie die Freunde finden sich weit oben in der Rangliste der Informationsquellen für die Studien- und Berufswahl (siehe Abb. 1). Weiterhin bedeutsam sind Websites von Hochschulen und Unternehmen, die Lehrer sowie Berufs- und Ausbildungsmessen. Die sozialen Medien werden von deutlich weniger Abiturienten genutzt als die vorgenannten Informationsquellen.

Abbildung 1: Informationsquellen für die Studien- und Berufswahl von Abiturienten in NRW (n = 146 Abiturienten aus NRW, Mehrfachnennungen möglich; Quelle: aus Kütemann-Busch, 2023, S. 14)
Mehrheit hat sich noch nicht entschieden
Erfragt wurde zudem auch der zum Zeitpunkt der Befragung aktuelle Stand im Berufswahlprozess. Die Mehrheit der Befragten (52,7%) gab dabei an, sich noch mitten im Informationsprozess zu befinden. 44,6% wiederum hatten sich zum Befragungszeitpunkt bereits entschieden, wie es nach der Schule weitergehen soll. Nur 2,7% gaben an, sich mit der Thematik nicht zu beschäftigen.
Präferenz für Studium
Die Mehrheit der befragten Abiturienten (65,1%) interessiert sich nach dem Schulabschluss für ein Studium. Ein duales Studium kommt für 23,5% der Befragten in Betracht, während nur 11,4% eine Ausbildung in Erwägung ziehen.
Arbeit muss Spaß machen, sicher und sinnvoll sein
Weiterhin wurden die Studierenden befragt, wie wichtig ihnen ausgewählte Kriterien für die Studien- und Berufswahl sind. Die Ergebnisse finden sich in Abbildung 2. Besonders bedeutsam sind die Kriterien „Spaß bei der Arbeit“, „sicherer Arbeitsplatz“ und „sinnhafte Arbeit“. Überraschenderweise ist das Kriterium „einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten können“ am unteren Rand der Bedeutsamkeit als Berufswahlkriterium.
Abbildung 2: Bedeutsamkeit von Kriterien für die Studien- und Berufswahl (Skala „1“: sehr wichtig bis „4“: wenig wichtig, n = 146 Abiturienten aus NRW; Quelle: Pusch, 2023, S. 23).Eher wenig Interesse am öffentlichen Dienst
Die Abiturienten gaben des Weiteren an, wie interessant sie ausgewählte Berufe im öffentlichen Dienst finden (Abbildung 3). Die Abiturienten finden die Berufe des öffentlichen Sektors nur mäßig bis kaum interessant. Eine Detailauswertung ergab, dass Abiturienten mit gutem bis sehr guten Noten sowie solche ohne Migrationshintergrund tendenziell ein geringes Interesse an den Berufen des öffentlichen Dienstes haben.
Abbildung 3: Interesse an Berufen des öffentlichen Dienstes (Skala „1“: sehr interessant bis „5“: uninteressant; n = 146 Abiturienten aus NRW; Quelle: Pusch, 2023, S. 35).
Vergleich mit 2018
Werden die Ergebnisse aus dem Jahr 2023 mit denen der Studie aus 2018 (Blog vom 16.7.2018) verglichen, zeigen sich viele übereinstimmende Ergebnisse hinsichtlich der verwendeten Informationsquellen und der Studien- und Berufswahlkriterien. Allerdings kann der Vergleich der Studienergebnisse nur erste Anhaltspunkte für die Konstanz oder die Veränderungen im Berufswahlverhalten der Abiturienten ergeben, da die Daten aus 2023 nicht repräsentativ sind.
Fazit
Die Studienergebnisse liefern erste Anhaltspunkte für das Berufswahlverhalten von Abiturienten: Traditionelle Informationsquellen sind bedeutsamer als Social-Media-Kanäle; weiterhin muss die Arbeit Spaß machen, sicher und sinnvoll sein; der öffentliche Dienst ist insbesondere bei den sehr guten Abiturienten und solchen ohne Migrationshintergrund nicht übermäßig beliebt; zum Zeitpunkt des Abiturs hat sich die Mehrheit noch nicht für ein Studium oder einen Beruf entschieden; ein Studium ist der präferierte Weg in die Berufstätigkeit. Aber Vorsicht: Ein Rückschluss auf das Berufswahlverhalten aller Abiturienten kann mit den vorliegenden Daten nicht erfolgen.
Herzliche Grüße von
Andreas Gourmelon, Damian Kütemann-Busch und Marc Pusch
Quellen:
Kütemann-Busch, D. (2023). Berufswahlverhalten von Abiturienten. Über welche Medien informieren sich Abiturienten über ihre Berufsmöglichkeiten nach dem Schulabschluss? Unveröffentlichte Bachelorthesis. Gelsenkirchen: Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW.
Pusch, M. (2023). Nachwuchskräfte von Morgen verstehen. Berufswahlkriterien von Abiturient*innen in Zeiten von Krieg, Corona und Klimawandel. Unveröffentlichte Bachelorthesis. Gelsenkirchen: Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW.

