Anhörung zum Dienstrechtsmodernisierungsgesetz Nordrhein-Westfalen
Liebe Leserinnen und Leser,
es ging immerhin um die beruflichen Rahmenbedingungen und Karrieremöglichkeiten von rund 280.000 Landesbeamten/-beamtinnen und 60.000 Kommunalbeamten/-beamtinnen. Der Entwurf der Landesregierung zum Dienstrechtsmodernisierungsgesetz NRW (DRModG) umfasst 449 Seiten; so eng bedruckt, das bei mir Zweifel kamen, diese ohne Lesebrille bewältigen zu können. 39 Sachverständige waren zu einer Anhörung geladen, die am 7. März im Plenarsaal des Landtags NRW stattfand. Überwiegend waren die Sachverständigen Vertreterinnen und Vertreter von Berufsverbänden und Gewerkschaften, dazu Prof. Battis von der FU Berlin, Prof. Hellermann von der Uni Bielefeld und Dr. Thöne von der Uni Köln.
Am frühen Morgen des Anhörungstages grübelte ich, welche meine Krawatten für den Anlass angemessen sei - immerhin wurde die Anhörung live im Internet übertragen. Um 5:30 Uhr fiel dann die erste Entscheidung des Tages - nämlich auf eine Krawatte zu verzichten. Im Kleiderschrank fanden sich nur rote, grüne, schwar-ze und gelbe Krawatten und ich wollte durch die Wahl einer Farbe nicht den Eindruck der Sympathie für eine bestimmte Partei hervorrufen.
Kurz vor 10 Uhr betrat ich gemeinsam mit den anderen Sachverständigen den Ple-narsaal. Ausgelegt waren die schriftlichen Stellungnahmen der Sachverständigen, die insgesamt einen dicken Leitz-Ordner füllen würden. Auch ich hatte - nachdem ich den Gesetzentwurf Anfang Februar erhalten hatte – eine Stellungnahme verfasst, in der ich vor allem auf Aspekte der Beförderung, der Personalauswahl, der Personalentwicklung und des behördlichen Gesundheitsmanagement eingegangen bin. Beim Verfassen der Stellungnahme unterstützten mich die Kollegen Prof. Boris Hoffmann (FHöV NRW, Abt. Köln) und Prof. Michael Treier (FHöV NRW, Abt. Duisburg) durch ihre Rückmeldungen zu meinem Entwurf.
Nach kurzer Begrüßung durch den Vorsitzenden des Innenausschusses stellten die Landtagsabgeordneten nacheinander ihre ersten Fragen und benannten diejenigen Sachverständigen, von denen sie sich eine Antwort erwarteten. Sofort ging mein Puls nach oben, denn entgegen meiner Erwartung wurden auch Fragen an mich gerichtet. Nacheinander wurden die Sachverständigen vom Vorsitzenden aufgerufen und trugen ihre Antworten vor.
Nach gefühlt einer Stunde war ich an der Reihe und kritisierte eine Regelung des Dienstrechtsmodernisierungsgesetz, nach der bei im Wesentlichen gleicher Eignung ( = die selbe Gesamtnote in der dienstlichen Beurteilung) Frauen bevorzugt zu befördern seien. Dabei argumentierte ich, dass diese Regelung die Leistungsbereitschaft von Männern beeinträchtigen und die Anwerbung von männlichen Nachwuchskräften erschweren würde, da diese in den nächsten Jahren kaum noch Karrieremöglichkeiten hätten. Prof. Battis hält diese Regelung des DRModG für verfassungskonform.
Meine erste Antwort fiel etwas kurz und hektisch aus. Gut, dass es im Laufe des Ta-ges noch mehrfach die Möglichkeit gab, auf Fragen der Abgeordneten zu antwor-ten.
Ein weiteres Thema war beispielsweise die Rolle der dienstlichen Beurteilung bei
Beförderungen. Ich schlug vor, die Erkenntnisse aus dienstlichen Beurteilungen durch Erkenntnisse zu ergänzen, die mit Assessment-Centern, psychologischen Tests und strukturierten Interviews gewonnen werden können. Auch andere Sach-verständige kritisierten Praxis und Bedeutung der dienstlichen Beurteilungen.
Weiterhin begrüßte ich eine neue Regelung zum Behördlichen Gesundheitsmana-gement. Dieses hat besondere Bedeutung für den Erhalt der Arbeits- und Beschäfti-gungsfähigkeit der Beschäftigten und steigert die Attraktivität des Landes NRW als Arbeitgeber. Das Behördliche Gesundheitsmanagement setzt vor allem auf Prävention und beschränkt sich nicht auf gesundheitsfördernde Sportangebote. In meiner schriftlichen Stellungnahme hatte ich empfohlen, Rahmenpläne des Behördlichen Gesundheitsmanagements unter Berücksichtigung aktueller Erkenntnisse insbesondere der Arbeitswissenschaft zu erstellen. Bei der Erstellung und Fortentwicklung der Pläne sollten die betroffenen Beschäftigten mitwirken.
Mit § 42 DRModG wird die Pflicht der Beamtinnen und Beamten festgelegt, an Fort-bildungen teilzunehmen. Der Dienstherr habe Personalentwicklungskonzepte zu erstellen. Hier empfahl ich, Personalentwicklung bedarfsgerecht, unter Nutzung verschiedener PE-Maßnahmen und individualisiert durchzuführen. Zudem sei die Wirksamkeit von PE-Maßnahmen zu prüfen.
Eine weitere Frage der Landtagsabgeordneten befasste sich damit, was für das Thema „interkulturelle Öffnung der Verwaltung“ getan werden könne. Übereinstim-mend mit anderen Sachverständigen führte ich aus, dass zur Erhöhung der Anzahl von Migrantinnen und Migranten im öffentlichen Dienst intensiv um diese Zielgruppe geworben werden müsse. Neben verstärkten Aktivitäten im Bereich Personalmarketing seien Auswahlverfahren erforderlich, die dem fachlichen Standard (DIN 33430) entsprächen. Durch derartige Verfahren könnten die Potenziale von Migranten und Nicht-Migranten fair und valide erfasst werden.
Es wurde durch die Politiker auch gefragt, ob denn das Dienstrechtsmodernisie-rungsgesetz seinen Namen verdiene. Prof. Battis führte lebhaft und sachkundig aus, dass der Entwurf der Landesregierung NRW zwar einige Neuerungen aufweise, insgesamt fahre NRW – z. B. im Vergleich zu Bayern oder Rheinland-Pfalz – einen zurückhaltenden Modernisierungskurs.
Am Nachmittag ging es insbesondere um Fragen der Besoldung, Versorgung und der Arbeitszeit. Vertreterinnen und Vertreter einzelner Beamtengruppen und der Gewerkschaften wiesen auf Missstände und Benachteiligungen hin. Beeindruckend war für mich, dass die Landtagsabgeordneten gewillt waren, sich auch um Detailprobleme - wie z. B. die unterschiedliche Höhe des Zuschusses für die Dienstkleidung einzelner Beamtengruppen - zu kümmern. Ganz anders als in den Talk-Shows gingen die Politiker überwiegend sachlich und höflich miteinander um. Vielleicht lag es auch daran, dass eine Abgeordnete ihren Säugling in die Sitzung mitgebracht hatte?
Angesichts der zielgerichteten Leitung durch den Vorsitzenden wurde die Anhörung um 15:30 Uhr beendet. Beim Hinausgehen gab es noch ein Gespräch mit einem Abgeordneten über die Anforderungen von E-Government und Open Government und wie diese im Personalmanagement berücksichtigt werden könnten.
Auf der Heimfahrt merkte ich, dass die fünf Stunden Anhörung und die kurze Nacht davor Kraft gekostet hatten. Überrascht war ich, dass einige Politiker meine Stellungnahme intensiv gelesen und sich hierzu Gedanken gemacht hatten. Erwartet hatte ich genau das Gegenteil. Aber so gibt es doch eine gewisse Befriedigung, ein klein wenig Einfluss auf die Diskussion um das DRModG und damit auch auf die berufliche Zukunft der Beamtinnen und Beamten in NRW genommen zu haben. Meine letzte Entscheidung am 7. März war, mir eine neue Krawatte zu besorgen.
Herzlichst
Ihr
Andreas Gourmelon

