Arbeitgeberattraktivität: Abgehängt? Verdienste im öffentlichen Sektor und der Privatwirtschaft im Vergleich
Liebe Leserin, lieber Leser,
das Schrumpfen und Altern des Erwerbspersonenpotenzials in Folge der demographischen Entwicklung und der steigende Bedarf an hochqualifizierten Beschäftigten auf Grund der in Folge der Globalisierungsentwicklung immer komplexer werdenden Arbeitswelt führt zu einem intensiven Wettbewerb von Arbeitgebern um Hochschulabsolventen. Bei der Wahl eines Arbeitgebers spielt das Einkommen für Hochschulabsolventen eine wichtige Rolle. Herr Clemens Hannig, Student im Master-Studiengang Human Resource Management (weiterbildender Studiengang der Ruhr-Universität Bochum und der FHöV NRW), untersuchte die Arbeitgeberattraktivität privater und öffentlicher Arbeitgeber in Bezug auf die Verdienstmöglichkeiten einzelner Berufsgruppen.
Die Verdienste für Berufsanfänger (maximale Berufserfahrung 3 Jahre) in der Privatwirtschaft wurden aus 76.407 Datensätzen der Lohnspiegeldatenbank der Hans-Böckler-Stiftung ermittelt, die im Zeitraum vom 01.01.2009 bis zum 31.03.2014 erhoben wurden. Für den öffentlichen Sektor dienten die im März 2014 gültigen Besoldungstabellen des Bundes und der Länder als Untersuchungsgrundlage. Der Vergleich der Verdienste der Privatwirtschaft und des öffentlichen Sektors erfolgte aufgrund der unterschiedlichen sozialversicherungsrechtlichen Behandlung der Bruttoverdienste eines Beschäftigten bzw. der Besoldung eines Beamten anhand von Nettoverdiensten. Dies machte die Festlegung allgemeinverbindlicher Annahmen erforderlich.
Die Monatsverdienste der Berufsanfänger beziehen sich auf eine wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden. Für die steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abgaben wurde angenommen, dass der Beschäftigte bzw. Beamte ledig, kinder- und konfessionslos ist. Bei den in der Privatwirtschaft Beschäftigten führen die Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosen-, Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung bis zu den im Jahr 2014 geltenden Beitragsbemessungsgrenzen zu Abzügen vom Bruttogehalt. Die Besoldung der Beamten wurde um die Kosten einer privaten Kranken- und Pflegeversicherung, die in ihren Leistungen einer gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung entspricht, vermindert.
Konkurrenz unter den Dienstherren
Der Vergleich innerhalb der Nettobesoldungswerte zwischen den verschiedenen Dienstherren offenbarte beachtliche Differenzen. Im Eingangsamt des gehobenen nichttechnischen Dienstes (A9) lag der Unterschied im Nettoverdienst bei 280 €/Monat. Während im Eingangsamt des höheren nichttechnischen Dienstes (A13) sogar eine Differenz der Nettobesoldungswerte von mehr als 400 €/Monat identifiziert werden konnte.

Abbildung 1: Nettoverdienste im März 2014 - Gehobener nichttechnischer Dienst (A9).

Abbildung 2: Nettoverdienste im März 2014 - Höherer nichttechnischer Dienst (A13).
Besoldungsgestaltung
Aufschlussreich war ebenfalls die Betrachtung der Besoldungsentwicklung seit dem Jahr 2009. Die mit der Föderalismusreform gewonnene Gestaltungskompetenz nutzen die Dienstherren aktiv aber auch auf unterschiedliche Weise. Ein Vergleich der Besoldung der Eingangsämter des gehobenen nichttechnischen Dienstes (Abbildung 3) und des höheren nichttechnischen Dienstes (Abbildung 4) zeigt, wie individuell die Möglichkeiten durch die verschiedenen Dienstherren wahrgenommen werden. Während die Besoldungswerte für den Bund durchgängig und aufgrund der Integration der Sonderzahlung in das Grundgehalt im Jahr 2009 besonders stark gestiegen sind, zeigt der Verlauf in Bayern, dass der Gestaltungsspielraum ebenso eine Besoldungsabsenkung zulässt. Ein moderater Besoldungsanstieg ist in Mecklenburg-Vorpommern zu verzeichnen.

Abbildung 3: Besoldungsentwicklung (brutto) der Besoldungsgruppe A9 im Bund, im Freistaat Bayern (BY) und in Mecklenburg-Vorpommern (MV) im Zeitraum 2009 bis März 2014
Abbildung 4: Besoldungsentwicklung (brutto) der Besoldungsgruppe A13 im Bund, im Freistaat Bayern (BY) und in Mecklenburg-Vorpommern (MV) im Zeitraum 2009 bis März 2014
Gehaltsvergleich
Der Vergleich der Nettovergütungen von Berufsanfängern mit einem Fachhochschuldiplom oder Bachelorabschluss, also Bildungsabschlüssen, die gleichsam die Voraussetzung für die Laufbahn des gehobenen Dienstes darstellen, zeigte einen Vorteil privater Arbeitgeber gegenüber den Dienstherren. Insbesondere ingenieurwissenschaftliche und kaufmännische Berufsgruppen sowie IT-Spezialisten erzielen (sehr) viel höhere Einkommen in der Privatwirtschaft. Aber auch in sozialen, gestalterischen und verwaltenden Berufen erreichen nur die Besoldungswerte von sehr gut besoldenden Dienstherren (z. B. Bund) die Vergleichswerte der Privatwirtschaft. Unterdurchschnittlich besoldende Dienstherren hingegen sind auch für diese Berufsgruppen im Wettbewerbsnachteil, wie das Beispiel Berlin in Abbildung 5 zeigt.

Abbildung 5: Gehaltsvergleich zwischen privaten und öffentlichen Arbeitgebern – Fachhochschul- und Bachelorabschluss vs. gehobener Dienst (Bund/Berlin)
Der Vergleich von Berufsanfängern (2 bis 5 Jahre Berufserfahrung zur Berücksichtigung des erforderlichen in der Regel zweijährigen Vorbereitungsdienstes für eine Ernennung im höheren Dienst) mit einem Universitätsdiplom oder Masterabschluss (Zugangsvoraussetzung für die Laufbahnen des höheren Dienstes) in der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor offenbarte nur für wenige Berufsgruppen klare Wettbewerbsvorteile der privaten Arbeitgeber. Lediglich Wirtschafts- und Maschinenbauingenieure erzielen bei privaten Arbeitgebern höhere Vergütungen. Gut besoldende Dienstherren treten den privaten Arbeitgebern in den übrigen ingenieurwissenschaftlichen (Ausnahme: Bauingenieure) und kaufmännischen Berufsgruppen mit einer vergleichbaren Vergütung gegenüber. Unterdurchschnittlich besoldende Dienstherren sehen sich im Wettbewerb um diese Berufsgruppen im Nachteil. Einen klaren Wettbewerbsvorteil hat der öffentliche Sektor beim Wettbewerb um soziale, gestalterische und verwaltende Berufsgruppen (Abbildung 6).

Abbildung 6: Gehaltsvergleich zwischen privaten und öffentlichen Arbeitgebern - Universitäts- und Masterabsolventen vs. höherer Dienst (Bund/Berlin).
Anmerkung: Bei der Bewertung der Gehaltsunterschiede zwischen privatem und öffentlichem Sektor ist zu beachten, dass das Gehalt, welches in der Privatwirtschaft bezahlt wird, in dieser Studie sehr wahrscheinlich unterschätzt wird. So berücksichtigen die ausgewerteten Gehälter der Lohnspiegeldatenbank keine Sonderzahlungen (z.B. Erfolgsprämien, Urlaubsgeld, Weihnachtsgeld etc.) oder geldwerte Vorteile (z.B. Dienstwagen zum privaten Gebrauch), die gerade in der Privatwirtschaft einen nicht zu vernachlässigenden Entlohnungsbestandteil darstellen.
Herzlich
Ihr
Andreas Gourmelon

