Bevorzugung von Personen mit Migrationshintergrund?
Liebe Leserinnen und Leser,
die interkulturelle Öffnung der Verwaltung ist seit Jahren ein Anliegen auch der Landesregierung Nordrhein-Westfalens und vieler Kommunen innerhalb NRWs. Ziel ist es, den Anteil der Beschäftigten mit Migrationshintergrund in der öffentlichen Verwaltung deutlich zu erhöhen. Um das Ziel zu erreichen, sollen Personalwerbemaßnahmen auf die entsprechende Zielgruppe ausgerichtet und Personalauswahlverfahren angepasst werden.
Aus Sicht des Personalmanagements gibt es bei der Anpassung der Personalauswahlverfahren diverse Schwierigkeiten. So ist beispielsweise nicht klar, ob und wie das Merkmal „Migrationshintergrund“ zuverlässig erfasst werden kann. Weiterhin gibt es keine Hinweise darauf, ob Bewerber mit Migrationshintergrund eine Erhebung dieses Merkmals im Rahmen der Personalauswahl akzeptieren und eine bevorzugte Einstellung befürworten würden. André Landsberger, Absolvent der FHöV NRW, hat eine empirische Studie durchgeführt, die erste Antworten auf diese Fragen liefert.
Im Rahmen der Studie wurden Schülerinnen und Schüler der Qualifikationsphase 1 und/ oder Qualifikationsphase 2 an Gymnasien und Gesamtschulen in Essen befragt. Hierfür wurde ein Fragebogen entwickelt, der durch Lehrkräfte der teilnehmenden Schulen an 160 Schülerinnen und Schüler ausgeteilt wurde. Den Schülern wurde nur mitgeteilt, dass es sich um eine Befragung zu Vorstellungsgesprächen im öffentlichen Dienst handele. Rückfragen wurden nicht beantwortet.
Zunächst wurden allgemeine Daten wie das Geschlecht, Alter und besuchte Jahrgangsstufe und Schulform abfragt. Zugleich wurde unter den allgemeinen Daten auch nach dem eigenen Migrationshintergrund der Teilnehmer gefragt, ohne die Begrifflichkeit „Migrationshintergrund“ zu erläutern - die Frage nach dem sog. „subjektiven“ Migrationshintergrund. Auf der Rückseite des Fragebogens wurden dann die einzelnen gesetzlichen Merkmale des § 4 Abs. 1 Teilhabe- und Integrationsgesetz NRW (TIG) abgefragt - womit die Frage nach dem sog. „objektiven“ Migrationshintergrund gestellt und beantwortet wurde. Die Gestaltung des Fragebogens und die damit einhergehende räumliche Trennung von „subjektiven“ (Vorderseite) und „objektiven“ Migrationshintergrund (Rückseite) sollte dazu beitragen, dass die Befragten ihre Antworten auf der Rückseite möglichst nicht nachträglich mit der Antwort auf der Vorderseite abgleichen und diese ggf. korrigieren. Bei der Auswertung der Fragebögen konnte so exakter herausgearbeitet werden, wie hoch der Anteil derjenigen ist, die die Frage nach dem eigenen Migrationshintergrund gem. § 4 Abs. 1 TIG und somit i.S.d. Personalverantwortlichen richtig beantworten können (Abgleich des „subjektiven“ mit dem „objektiven“ Migrationshintergrund).
Anschließend wurden die jungen Menschen gefragt,
-
ob sie wollen würden, „…dass man in einem Vorstellungsgespräch nach einem Migrationshintergrund fragt“,
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ob sie finden, „… dass Bewerber mit Migrationshintergrund - bei sonst gleichen Voraussetzungen - bevorzugt eingestellt werden sollten“
Zu allen Fragen gab es jeweils drei Antwortmöglichkeiten; „Ja“, „Nein“ und „Bin mir nicht sicher“.
Von den 160 Schülern waren 75 ohne und 85 mit „objektiven“ Migrationshintergrund. Ausgewählte Ergebnisse der Befragung sind:
Tabelle 1: Stimmen die Angaben bezüglich des „objektiven“ und „subjektiven“ Migrationshintergrunds (MH) überein?
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in Klammern absolute Zahlen |
Subjektiv ohne MH |
Subjektiv mit MH |
„Bin mir nicht sicher“ |
Gesamt |
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davon objektiv ohne MH |
92,0 % (69) |
5,3 % (4) |
2,7 % (2) |
100 % (75) |
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davon objektiv mit MH |
4,7 % (4) |
94,0 % (80) |
1,3 % (1) |
100 % (85) |
Tabelle 2: Antworten auf die Frage „Ich würde wollen, dass man in einem Vorstellungsgespräch nach einem Migrationshintergrund fragt“
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in Klammern absolute Zahlen |
„Ja“ |
„Nein“ |
„Bin mir nicht sicher“ |
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Gesamt (160) |
15,6 % |
71,9 % |
12,5 % |
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davon objektiv ohne MH (75) |
12,0 % |
76,0 % |
12,0 % |
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davon objektiv mit MH (85) |
18,8 % |
68,2 % |
13,0 % |
Tabelle 3: Antworten auf die Frage „Ich finde, dass Bewerber mit Migrationshintergrund – bei sonst gleichen Voraussetzungen – bevorzugt eingestellt werden sollten“
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in Klammern absolute Zahlen |
„Ja“ |
„Nein“ |
„Bin mir nicht sicher“ |
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Gesamt (160) |
13,8 % |
80,6 % |
5,6 % |
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davon objektiv ohne MH (75) |
4,0 % |
92,0 % |
4,0 % |
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davon objektiv mit MH (85) |
22,4 % |
70,6 % |
7,0 % |
Zusammenfassend ist festzustellen, dass rund 93 % der Schülerinnen und Schüler ihren Migrationshintergrund richtig einschätzten (Maßstab: § 4 Abs. 1 TIG NRW). Die überwiegende Mehrheit der jungen Menschen – egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund - möchte während eines Vorstellungsgesprächs nicht nach einem Migrationshintergrund gefragt werden. Eine überwiegende Mehrheit der Befragten lehnt eine bevorzugte Einstellung ab; nur rund jeder vierte Jugendliche mit Migrationshintergrund meint, dass Menschen mit Migrationshintergrund bevorzugt eingestellt werden sollten.
Herzlichst
Ihr
Andreas Gourmelon

