Bürgerschaftliches Engagement – was es für das Personalmanagement bedeutet, Teil 2
Teil 2: Bürgerschaftliches Engagement braucht Personalmanagement
Liebe Leserin, lieber Leser,
Emanzipation des Personalmanagements im öffentlichen Sektor
Was bedeutet es für das Personalmanagement, das Potenzial der Freiwilligenarbeit zu nutzen? In einem ersten Schritt müssen wir uns von der traditionellen, von der Privatwirtschaft geprägten Sichtweise emanzipieren. Hiernach ist das Personalmanagement für solche Menschen tätig, die deswegen in Organisationen ihre Leistungsbeiträge einbringen, weil sie damit ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Wir setzen im Personalmanagement Konzepte und Methoden ein, die dieser Sichtweise entsprechen. Wenn jedoch freiwillig Tätige eine größere Rolle spielen sollen, müssen wir unsere Methoden sorgfältig reflektieren. Beispielsweise scheint die dienstliche Beurteilung keine geeignete Maßnahme zu sein, um freiwillig Tätige zu motivieren oder damit Personalentwicklungsmaßnahmen für freiwillig Tätige zu begründen.
Drei Zielgruppen des Personalmanagements im öffentlichen Sektor
Die Emanzipation von der traditionellen Sichtweise besteht darin, anzuerkennen, dass das Personalmanagement im öffentlichen Sektor für verschiedene Zielgruppen tätig ist:
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die für Erwerbszwecke Tätigen, z.B. Beamte, Tarifbeschäftigte, Auszubildende, Praktikanten
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freiwillig Tätige
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verpflichtet Tätige (z.B. Wahlhelfer, früher: Wehrdienstleistende)
Unterscheidungsmerkmal dieser Gruppen sind die Gründe für die Tätigkeit. Die Zielgruppen lassen sich nicht immer trennscharf auseinander halten und es kann sein, dass eine einzelne Person zeitweise allen drei Gruppen angehört (z.B. der Sachbearbeiter im Sozialamt, der gleichzeitig Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr und am Wochenende als Wahlhelfer tätig ist).
Neue Methoden erforderlich
Diese drei Zielgruppen erfordern ein jeweils unterschiedliches Vorgehen und andere Methoden im Personalmanagement. So wie es gelingt, durch ein professionelles Personalmanagement die Leistungsfähigkeit und die Leistungsbereitschaft der Erwerbstätigen zu steigern, ist es auch möglich, durch ein die Besonderheiten der freiwillig Tätigen berücksichtigendes Personalmanagement das Engagement und die Kompetenzen dieser zu fördern. Das Personalmanagement muss folglich flexibel auf die Erfordernisse der jeweiligen Zielgruppen reagieren. Das für Erwerbstätige bewährte Handlungsrepertoire ist durch neue Handlungsprogramme und Methoden zu ergänzen, die auf die Bedarfe der freiwillig Tätigen ausgerichtet sind.
Positive Erfahrungen gibt es bereits
Betreten wir bei der Entwicklung von Handlungsprogrammen und Methoden für freiwillig Tätige Neuland? Nein – so wie wir bei den Erwerbstätigen immer wieder auf Erfahrungen und Konzepte der Privatwirtschaft zurückgreifen können, gibt es in vielen Organisationen (z.B. Kirchengemeinden, Diakonie, Caritas, Gewerkschaften, Sportvereine, Technisches Hilfswerk…) reichhaltige Erfahrungen mit der Beschäftigung von freiwillig Tätigen. Insofern stehen wir nicht vor einer „terra incognita“ – eine zumindest grobe Landkarte steht uns zur Verfügung. Einen Fehler dürfen wir jedoch nicht begehen: Konzepte und Methoden ungeprüft und unangepasst übernehmen.
Herausforderungen für das Personalmanagement von freiwillig Tätigen
Welche Aufgaben hat nun das Personalmanagement im Bereich der freiwillig Tätigen? Was ist bei der Bewältigung dieser Aufgaben zu beachten? Welches sind die Herausforderungen? Nachfolgend sollen beispielhaft einige Hinweise gegeben werden. Ich bin gespannt, ob und wie Sie diese Hinweise kommentieren und ergänzen! Bei der Beschreibung der Aufgaben des Personalmanagements für freiwillig Tätige kann man sich an den klassischen Funktionen des Personalmanagements - Bedarfsklärung, Anwerbung und Auswahl, Personalentwicklung, Personaleinsatz, Führung und Personalfreistellung - orientieren.
Bedarfsklärung – Tätigkeitsfelder für Freiwillige identifizieren
Ausgangspunkt aller Planungen und Überlegungen in Bezug auf Erwerbstätige ist die Ermittlung des Bedarfs an personellen Ressourcen: wie viele Beschäftigte werden mit welchen Qualifikationen zu welchem Zeitpunkt benötigt? Auch im Bereich der freiwillig Tätigen gilt es festzustellen, in welchen Aufgabenfeldern es die Möglichkeit und den Bedarf für den Einsatz dieser Personen gibt. Es geht darum, Tätigkeitsfelder für Freiwillige zu identifizieren. Danach sollten Aufgabenbeschreibungen formuliert werden (analog zu Stellenbeschreibungen). Empfehlenswert ist es, diese Aufgabenbeschreibungen unter Mitwirkung der betroffenen Erwerbstätigen zu gestalten. Damit kann die Sorge um den eigenen Arbeitsplatz gemindert werden.
Anwerbung – sind Engagement-Angebote attraktiv?
So wie sich ein Erwerbstätiger entscheidet, an welchen Arbeitgeber oder Dienstherren er sich bindet, entscheidet sich auch ein freiwillig Tätiger, wo er sein soziales Engagement einbringt. In dieser Wettbewerbssituation kommen die bewährten Konzepte des Personalmarketings zu tragen. Anbieter von „Jobs“ für freiwillig Tätige sollten sich folgende Fragen stellen (und möglichst auch positiv beantworten können):
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Ist meine Organisation als Anbieter von „Jobs“ für freiwillig Tätige bekannt? Wissen die Bürger, dass und wie sie sich z.B. in der Kommune sozial engagierenkönnen?
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Weshalb sollten sich die Bürgerinnen und Bürger gerade in meiner Organisation engagieren? Was ist das Besondere an dem „Job“, welchen ich anbiete?
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Welche Botschaft kommuniziere ich an Engagement-Interessierte? Welches Image hat meine Organisation?
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Wie positioniert sich meine Organisation im „Freiwilligen-Markt“? Was sind die besonderen Kennzeichen meiner Organisation? Was sind die Alleinstellungsmerkmale?
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Über welche Informationskanäle werden die Interessenten angesprochen?
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Was weiß meine Organisation über die Interessenten? Wie wird dieses Wissen genutzt und aktualisiert?
Interessensgruppen, die besonders empfänglich für Engagement-Angebote sein können, sind z.B. Eltern in der empty-nest-Phase, Jugendliche nach dem Abitur, Menschen in der nachberuflichen Zeit.
Erfahren Sie am 11. März in Teil 3 mehr über die Auswahl, Qualifizierung, Einsatz, Führung und Freistellung von freiwillig Tätigen.
Ihr
Dr. Andreas Gourmelon

