Bürgerschaftliches Engagement – was es für das Personalmanagement bedeutet, Teil 3
Teil 3: Von der Auswahl bis zur Freistellung von Freiwilligen
Liebe Leserin, lieber Leser,
Auswahl und Platzierung – nicht jeder Freiwillige ist geeignet
Soll die Organisation jedem Freiwilligen ein Engagement unterbreiten, der sich ihr anbietet? Soll der Freiwillige seine Aufgabe frei wählen können? Beide Fragen sind sicherlich zu verneinen. Auch in der Freiwilligentätigkeit kommt es auf die Eignung für bestimmte Tätigkeiten an – schnell ist trotz bester Vorsätze viel „Porzellan zerschlagen“ und der Organisation (aber auch dem Freiwilligen selbst) ein Bärendienst erwiesen. Das Entscheidende wird sein, mit welchen Strategien und Mitteln die Eignung geprüft wird und wie Auswahl- und Platzierungsentscheidungen kommuniziert werden.
Auswahl mit der Strategie der Fremdselektion – der Blick des Gutachters
Bei Erwerbstätigen wird bei der Eignungsbeurteilung regelmäßig die Strategie der Fremdselektion gewählt. Es wird davon ausgegangen, dass der Bewerber den Job unbedingt möchte und dafür auch bereit ist, sich zu verstellen, falsche Informationen zu liefern, schlicht opportunistisch zu agieren. Deshalb muss der Auswählende mit allerlei Tricks – Analyse von Facebook-Konten, Tests, geschickte Interviewfragen – die Wahrheit über den Bewerber herausfinden und wie ein Gutachter über dessen Eignung urteilen. Der Bewerber wird damit zum Objekt des Erkenntnisinteresses des Auswählenden (und dies spürt der Bewerber auch mehr oder weniger).
Auswahl mit der Strategie der Selbstselektion – Partnerschaftlicher Erkenntnisprozess
Es ist davon auszugehen, dass ein Freiwilliger wenig Interesse hat, sich einer derartigen Situation auszusetzen oder diese zu akzeptieren. Deshalb ist bei der Auswahl und Platzierung von Freiwilligen überwiegend die Strategie der Selbstselektion zu realisieren. Der Grundgedanke ist dabei, dass der Interessent selbst ein hohes Interesse daran hat, die Eignung für eine bestimmte Tätigkeit festzustellen. Der Auswählende ist ihm Partner dabei, mehr über die Tätigkeit und sich selbst herauszufinden und dann gemeinsam gültige Schlüsse hinsichtlich der Eignung zu ziehen. Der Interessent ist nicht mehr Objekt des Erkenntnisinteresses sondern Partner im Erkenntnisprozess.
Im Rahmen der Auswahl sollten auch die gegenseitigen Erwartungen an die Tätigkeit geklärt und in einer Vereinbarung schriftlich niedergelegt werden. Aber Vorsicht! Zu viele Paragrafen schrecken Freiwillige ab!
Personalentwicklung – auch Freiwillige müssen qualifiziert werden
Bislang haben wir wenig systematisches Wissen hinsichtlich der Personalentwicklung von freiwillig Tätigen. Eine repräsentative Befragung des Deutschen Bibliotheksverbands im Jahr 2010 ergab, dass es ein großes Spektrum bei den Formen der Ausbildung und Qualifizierung von ehrenamtlich Tätigen gibt. Dieses reicht von „keine Schulung“, über „Einarbeitung/Schulung durch“Hauptamtler“, „Ausbildung durch Fachstelle/externe Schulung“ bis zu „Einarbeitung durch andere ehrenamtlich Tätige“. Je nach Einsatzbereich dürfte die Qualifizierung für die Aufgaben auch mehr oder weniger intensiv erfolgen; vorbildlich ist hier sicherlich der Einsatzbereich „Feuerwehr“. Klar ist jedoch, dass auch freiwillig Tätige systematisch und effektiv für ihre Aufgaben vorbereitet werden müssen. Es wäre illusorisch zu glauben, dass freiwillig Tätige alle erforderlichen Kompetenzen für ihre Tätigkeiten schon mitbrächten. Die Einladung zur Teilnahme an professionell geplanten und durchgeführten Fortbildungsveranstaltungen stellt für freiwillig Tätige eine Anerkennung ihres Engagements dar. Für bestimmte Freiwilligengruppen (z.B. junge Erwachsene) können Fortbildungsveranstaltungen auch einen hohen Anreiz darstellen.
Personaleinsatz – Einsatz bis zum Umfallen?
Viele freiwillig Tätige sind zugleich auch erwerbstätig. Addiert man die Zeiten der Erwerbstätigkeit mit denen der ehrenamtlichen Tätigkeit können Summen entstehen, die aus Fürsorgegesichtspunkten nicht mehr vertretbar sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die freiwillige Tätigkeit hinsichtlich der Belastungsaspekte mit denen einer Erwerbstätigkeit durchaus vergleichbar ist. Nicht ohne Grund hat der EU-Sozialkommissar Laszlo Andor erwogen, freiwillige Tätigkeiten in der Arbeitszeitrichtlinie zu berücksichtigen und den Arbeitseinsatz insgesamt auf 48 Stunden zu begrenzen.
Personalführung – Anerkennung zeigen!
Personalführung bei freiwillig Tätigen bedeutet im Kern, eine Anerkennungskultur zu etablieren. Anerkennung wird beispielsweise durch persönliche Wertschätzung, offizielle Ehrungen, Teilnahme an Fort- und Weiterbildungen, Öffentlich-machen von Leistungen oder durch die Partizipation an Entscheidungen ausgedrückt (siehe auch Reifenhäuser, Hoffmann, Kegel (2012), Freiwilligen-Management). Diese Forderung ist leicht aufgestellt, aber oftmals schwierig zu realisieren. Die Unternehmenskulturen im öffentlichen Sektor sind nicht selten Lichtjahre von einer Anerkennungskultur entfernt. Man stelle sich eine hauptamtliche Führungskraft vor, die im Umgang mit der Verwaltungsspitze oder der vorgesetzten Institution im Wesentlichen das Prinzip „Befehl und Gehorsam“ erlebt. Wie schwierig muss es für diese Führungskraft sein, sich vorherrschenden Handlungsmustern zu widersetzen und gegenüber freiwilligen Mitarbeitern regelmäßig Anerkennung auszudrücken sowie diese auch an bedeutsamen Entscheidungen mitwirken zu lassen.
Personalfreistellung – einfach wieder getrennte Wege gehen…
Letztlich kann auch die Trennung von freiwillig Tätigen erforderlich werden. Hier sollten Wege gefunden werden, wie diese Trennung möglichst einvernehmlich erfolgen kann. Ein unvermittelter „Rauswurf“ oder unterschwellige, Mobbing-ähnliche Handlungen brächten die Organisation schnell in Verruf und würden die Anwerbung neuer Interessenten deutlich erschweren.
Soweit einige Anmerkungen und Hinweise zum Personalmanagement von freiwillig Tätigen. Zum Schluss schlage ich Ihnen ein kleines Experiment vor:
Das nächste Mal, wenn Sie mit einem nicht ganz so netten Kollegen zu tun haben, stellen Sie sich bitte vor, er wäre freiwillig im Amt und nicht wegen des Geldes. Wie wirkt sich diese Vorstellung bei Ihnen aus?
Ihr
Dr. Andreas Gourmelon

