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„Die Qual der (Personalaus)Wahl“ - Eignungsdiagnostische Instrumente und deren Qualität I

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Teil I: Qualitätsmerkmale und erste Informationsquellen


Liebe Leserinnen und Leser,

bei der Gestaltung von Personalauswahlverfahren stehen Personalmanager vor der Entscheidung, welche eignungsdiagnostischen Instrumente im Rahmen des Auswahlverfahrens verwendet werden sollen. Mit Hilfe dieser Instrumente wird versucht, das Befähigungsprofil von Bewerbern zu erfassen. Inzwischen gibt es eine große Fülle eignungsdiagnostischer Instrumente, welche sich in vielerlei Hinsicht voneinander unterscheiden. In diesem Blog stelle ich Ihnen die wichtigsten eignungsdiagnostischen Instrumente und deren Qualitätsmerkmale vor. Da die verschiedenen Qualitätsmerkmale im Wesentlichen für die Beurteilung  aller Instrumente wichtig sind, nehme ich die Erläuterung dazu zum besseren Verständnis vorweg.

Qualitätsmerkmale eignungsdiagnostischer Instrumente

Wichtige Qualitätsmerkmale von eignungsdiagnostischen Instrumenten sind die Objektivität, Reliabilität, Validität, Kosten sowie die Akzeptanz durch die Bewerber:

- Objektivität

Damit wird der Umstand bezeichnet, dass das Ergebnis eines Verfahrens unabhängig von demjenigen sein soll, der das Verfahren durchführt.

Beispiel: Falls drei Personalauswählende bei der Bewertung einer Rechen-Aufgabe zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangen, wäre dies ein Beleg für die Objektivität des Verfahrens „Rechen-Aufgabe“.

- Reliabilität

Sie gibt an, wie zuverlässig mit einem Verfahren gemessen werden kann. Im optimalen Fall gelangt man bei der mehrmaligen Anwendung eines Verfahrens bei einem Bewerber immer wieder zum selben Ergebnis.

Beispiel: Ein Amtsarzt ermittelt mit einer Waage in kurzen Zeitabständen wiederholt das Körpergewicht eines Bewerbers. Dabei schwankt das Ergebnis der Messungen nur um wenige Gramm.

- Validität

Ein valides Instrument misst exakt das, was es zu messen vorgibt.

Negativ-Beispiel: Mit einer Lehrprobe bei Bewerbern um eine Dozenten-Stelle soll geprüft werden, ob sie eine die Studierenden aktivierende Veranstaltung halten können – bei der Lehrprobe sind allerdings keine Studierenden anwesend.

Eine besondere Bedeutung hat eine Unterform der Validität, die sogenannte prognostische Validität. Sie gibt Auskunft darüber, in welchem Ausmaß durch das Instrument nur geeignete Kandidaten ausgewählt werden, also über die Treffsicherheit des Instruments. Die prognostische Validität wird mit empirischen Studien ermittelt. Dabei werden die Daten, die mit diesem Instrument erhoben werden, mit den späteren beruflichen Leistungen der Bewerber verglichen. Beim Vergleich wird eine statistische Kennzahl, der sogenannte Korrelationskoeffizient, verwendet, welche Werte zwischen 0 (keine prog. Validität) und 1 (sehr hohe progn. Validität) annehmen kann.

- Kosten

Beim diesem  Kriterium geht es um die Entwicklungs- und Beschaffungskosten sowie die Kosten der Durchführung eines Verfahrens.

-  Akzeptanz

Inwieweit einzelne Verfahren von den Bewerbern akzeptiert werden, wurde mit empirischen Studien ermittelt. Die Akzeptanz von Auswahlverfahren durch Bewerber beeinflusst das Arbeitgeber-Image in erheblichem Maße und kann die Entscheidung eines Bewerbers für oder gegen ein Stellenangebot wesentlich beeinflussen. Maßgeblich für die Akzeptanz von eignungsdiagnostischen Instrumenten ist auch deren Art der Einbindung in das Auswahlverfahren insgesamt.

Die erste Informationsquelle - Bewerbungsunterlagen

Bewerbungsunterlagen bestehen in der Regel aus dem Anschreiben, einem Lebenslauf, sowie Schul-, Ausbildungs-  und Arbeitszeugnissen. Diese können in Papier- oder elektronischer Form vorliegen. Lichtbilder der Bewerber sollten aus eignungsdiagnostischen Gründen (attraktiv erscheinenden Personen werden positivere Merkmale zugeschrieben1) als auch aus rechtlichen Gründen (es könnten sich AGG-relevante Benachteiligungen aus Gründen z.B. der Religionszugehörigkeit oder der Rasse ergeben) nicht für Zwecke der Personalauswahl verwendet werden (s. a. Blogeintrag vom 8.5.2013, „Anonymisierte Bewerbungen – Fluch oder Segen?“). Aus dem Anschreiben lassen sich nur selten entscheidungsrelevante Informationen entnehmen. Bedenken Sie, dass das Anschreiben im Regelfall nicht alleine durch den Bewerber erstellt wurde. Oftmals lassen sich Bewerber durch Freunde oder Familienangehörige unterstützen oder verwenden Vorlagen aus Bewerbungsratgebern. Falls das Anschreiben oder andere Elemente der Bewerbungsunterlagen nicht den üblichen Anforderungen an die Form entsprechen (z.B. viele Rechtschreibfehler, unansehnliche Unterlagen) lässt sich eine Aussonderung der Bewerbung gut begründen.

Bewerbungsunterlagen: Lebenslauf und Noten

Beim Lebenslauf achten Sie auf die Vollständigkeit und Genauigkeit der Angaben sowie auf entsprechende Belege in den Bewerbungsunterlagen. Er ist auch eine interessante Grundlage für die Vorbereitung von Interviews.  Aus Schulzeugnissen kann die Durchschnittsnote entnommen werden. Diese weist eine relativ hohe Treffsicherheit in Bezug auf Ausbildungs- und Studiensituationen auf2, eine geringere auf berufliche Situationen im engeren Sinne. Hochschulnoten weisen eine befriedigend hohe prognostische Validität auf3. Aus den Ausbildungs-, Studien- und Arbeitszeugnissen können Angaben zu formalen Qualifikationen, Fertigkeiten und beruflichen Erfahrungen entnommen werden. Personalmanager sollten die Echtheit dieser Dokumente prüfen.

Bewerbungsunterlagen: Zeugnisse

Aus Arbeits- und Dienstzeugnissen können des Weiteren Angaben zur bisherigen beruflichen Leistung der Bewerber entnommen werden. Diese sollten Sie jedoch aus vielerlei Gründen vorsichtig interpretieren:

  • Arbeitszeugnisse dürfen aus rechtlichen Gründen keine negativen Wertungen enthalten,

  • Wertungen sind häufig – aber nicht immer – verklausuliert ausgedrückt (Beispiel siehe Abbildung 1),

  • an der Erstellung von Arbeitszeugnissen wirken die Beurteilten nicht selten aktiv mit,

  • bei der Formulierung von Arbeitszeugnissen wird oftmals berücksichtigt, dass eine bevorstehende Trennung vom Mitarbeiter möglichst konfliktfrei erfolgen soll.

Formulierung

Bedeutung

„...stets zu meiner vollsten Zufriedenheit...“

1

„...zu unserer vollsten Zufriedenheit...“

1-2

„... stets zu unserer vollen Zufriedenheit...“

2

„...zu unserer vollen Zufriedenheit...“

3

„... stets zu unserer Zufriedenheit...“

3-4

„...zu unserer Zufriedenheit...“

4

„... im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit...“

5

„... hat versucht, uns zufrieden zu stellen...“

„... hat sich bemüht, den Anforderungen gerecht zu werden...“

5-6

Abbildung 1: Beispiele für Standardformulierungen in Arbeits-/ Dienstzeugnissen und deren Bedeutung4.

Informationsquelle Internet - Erkenntnisse aus Facebook, Xing und Co.

Personalmanager versuchen gelegentlich, durch die Nutzung von sozialen Netzwerken (z.B. Facebook), an weitere Informationen über den Bewerber zu gelangen. In Einzelfällen können diese Informationen für die Personalauswahl interessant sein, im Regelfall ist es fraglich, wie diese Informationen in Bezug auf die berufliche Eignung interpretiert werden sollen (wie soll man z.B. ein sieben Jahre altes Foto interpretieren, welches den damals jugendlichen Bewerber auf einer privaten Party zeigt?).

Für den ersten Eindruck mögen diese ersten Informationsquellen ausreichen, für die umfassende Feststellung der Eignung eines Bewerbers sind jedoch weitere eignungsdiagnostischen Verfahren erforderlich, die ich Ihnen in den noch folgenden Teilen II (erscheint am 23.09.) und III (erscheint am 30.09.) des Blogs vorstellen werde.

Herzlichst

Ihr
Andreas  Gourmelon


1 Jackson, Hunter & Hodge (1995, S. 108)
2 Baron-Boldt, Funke & Schuler (1989, S. 11 ff)
3 Weuster (2012, S. 169)
4 Wald (1996, S. 108 ff)

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