Lächeln bewirkt nichts ;-)
Liebe Leserinnen und Leser,
Forscherinnen aus der Schweiz und den USA haben sich in einem Experiment mit der Frage beschäftigt, wie sich das Verhalten männlicher Interviewer auf Bewerberinnen auswirkt1.
Um es vorweg zu nehmen: Bei dem Experiment handelte es sich – wie so häufig in der psychologischen Forschung – um ein Laborexperiment. Es wurden keine echten Interviews durchgeführt, sondern simulierte Interviews in einem Universitätslabor. Hierzu wurden Versuchspersonen am Universitätscampus rekrutiert. Die Versuchspersonen sollten sich vorstellen, dass sie an einem Auswahlgespräch für eine mittlere Führungsposition teilnehmen. Hierzu erhielten sie eine Stellenbeschreibung und ein Anforderungsprofil, die Interviewer zudem einen Fragenkatalog. Ob eine Versuchsperson als Interviewer oder als Bewerber agierte, wurde zufällig bestimmt, wobei die Bewerber stets weiblichen Geschlechts waren. Insgesamt wurden 19 Bewerberinnen durch Interviewerinnen und 38 Bewerberinnen durch Interviewer befragt. Die Interviewgespräche wurden aufgezeichnet und anschließend analysiert. Die Analyse erfolgte durch zwei weibliche Codierkräfte.
Während der Analyse der simulierten Interviews wurde u.a. auf die non-verbale Dominanz und die non-verbale Freundlichkeit geachtet. Bei der non-verbalen Dominanz wurde gemessen, wie lange der Interviewer die Bewerberin ansah während er oder sie selbst sprach oder der Bewerberin zuhörte. Anschließend wurde der Quotient dieser beiden Zeitdauern gebildet (unter Berücksichtigung der absoluten Sprech- und Zuhördauer). Je größer dieser Quotient war – also je relativ häufiger beim Sprechen als beim Zuhören angesehen wurde – desto höher wurde die non-verbale Dominanz des Interviewers eingestuft. Die non-verbale Freundlichkeit wurde dadurch bestimmt, dass die Codierkräfte zählten, wie oft die Interviewer lächelten.
Männliche Interviewer waren durchschnittlich non-verbal dominanter und weniger freundlich als weibliche Interviewer. Wie wirkte sich dieses Gesprächsverhalten auf die Bewerberinnen aus? Hierzu wurden die Bewerberinnen nach dem Interview gebeten, ihre Leistung während des Interviews einzuschätzen. Auch die Interviewer gaben eine Bewertung der Leistung der Bewerberinnen ab. Während das Lächeln der Interviewer keine Auswirkungen hatte, ergab sich bei männlichen Interviewern ein Zusammenhang in der Hinsicht, dass höhere non-verbale Dominanz mit einer niedrigeren Selbst- und Fremdbewertung einherging.
Nach den Ergebnissen dieser Studie scheint also gerade bei männlichen Interviewern non-verbale Dominanz negative Selbst- und Fremdbeurteilungen auszulösen. Obzwar die Studie aus methodischer Sicht an einigen Stellen durchaus kritisiert werden kann (z. B. Übertragbarkeit von Laborergebnissen auf reale Auswahlsituationen, sehr eingeschränkte und wenig überzeugende Definition non-verbaler Dominanz, Analyse des Interviewerverhaltens nur durch zwei weibliche Codierkräfte, keine männlichen Bewerber, widersprüchliche Wiedergabe von Ergebnissen (arith. Mittel der Dominanz auf S. 119 und 120, nicht fachgerechte Durchführung von Interviews, nicht nachvollziehbare Ergebnisse statistischer Analysen (Interviewererfahrung)), gibt sie Anlass, über das eigene Interviewerverhalten zu reflektieren.
Für fränkische Muffel ist es eine Erleichterung zu wissen, dass man(n) während des Interviews nicht unbedingt lächeln muss. Lassen Sie Ihre Mundwinkel ruhig hängen, das beeinflusst nicht die Leistung der Kandidatinnen – da können die rheinischen Frohnaturen grinsen wie sie wollen! Vorsichtig sollten männliche Interviewer sein, wenn sie in Interviewsituationen – vielleicht aufgrund hoher Erfahrung in Auswahlgesprächen – zu selbstsicher agieren. Dies scheint die Leistungen von Frauen in Interviews zu beeinträchtigen.
Herzlichst
Ihr
Andreas Gourmelon
1 Latu, I. M. & Schmid Mast, M. (2016). Male interviewers nonverbal dominance predicts lower evaluations of female applicants in simulated job interviews. Journel of Personnel Psychology, 15 (3), 116 – 124.

