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Personalentwicklung im öffentlichen Sektor: Wunsch und Wirklichkeit – Teil I

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Liebe Leserin, lieber Leser,

die Behörden und Kommunalverwaltungen unterliegen einem steten Wandel. Ständig ändern sich Aufgaben, gesetzliche Grundlagen, Erwartungen der Bürger sowie die organisatorischen Rahmenbedingungen wie z.B. die zur Verfügung stehende Technik. Selbstverständlich sind auch die Beschäftigten von dem Wandel betroffen und müssen sich diesem stellen. Sie müssen Einstellungen ändern, neues Wissen erwerben, Fertigkeiten verbessern; kurz, sie müssen ihre Kompetenzen fortentwickeln, um neuen beruflichen Herausforderungen gerecht werden zu können. Dabei sollten sie von der Personalentwicklung unterstützt werden.

Personalentwicklung als eine Funktion des Personalmanagements hat die Aufgabe, die Kompetenzen der Beschäftigten an die Anforderungen der Organisation und der Stelle anzupassen. Damit nimmt die Personalentwicklung auch Einfluss auf die individuellen Berufsverläufe der Beschäftigten sowie auf die Organisation, deren Kultur und deren Funktionieren (vgl. Becker, 2013, S. 5 ff).

Nach meiner Auffassung hat sich die Personalentwicklung zwischenzeitlich in vielen Behörden und Kommunalverwaltungen formal etabliert. So wurden in diesen Organisationen gesonderte Stellen für Personalentwicklung eingerichtet.

Wie aber wird die Aufgabe Personalentwicklung in der Praxis wahrgenommen und wie sollte sie wahrgenommen werden? Die Beantwortung dieser Fragen ist Inhalt dieses Blogs.

Zuerst soll die Frage beantwortet werden, wie es um die Praxis der Personalentwicklung bestellt ist. Dabei fällt sofort auf, dass es zur Beantwortung dieser Frage keine systematischen Informationen gibt. Es gibt diverse veröffentlichte Erfahrungsberichte – meist mit best- oder good-practise-Beispielen – aber keine aktuellen Forschungsstudien, die einen umfassenden Einblick in die Praxis der Personalentwicklung im öffentlichen Sektor geben.

Insofern kann ich mich bei der Beantwortung der Frage nur auf meine eigenen Erfahrungen und auf Berichten von Kolleginnen und Kollegen stützen. Diese so gewonnenen Eindrücke gebe ich hier in zugespitzter, provokativer Form wieder:

Hinsichtlich der Ausstattung der Personalentwicklung mit Stellen ist festzuhalten, dass der Personalentwicklung oftmals nur eine Feigenblatt-Funktion zukommt. Da gibt es auch in großen Institutionen nur eine geringe Anzahl von Stellen für Personalentwicklung. Deren Inhaber sind darüberhinaus mit einem großen Teil ihrer Arbeitszeit mit administrativen Aufgaben befasst.

In Bezug auf den Prozess der Personalentwicklung drängt sich folgendes Bild auf:

  • Die PE-Maßnahme fängt damit an, dass ein Mitarbeiter eine Idee hat, welche Kompetenzen bei den Beschäftigten gestärkt werden sollten. Dieser Mitarbeiter kommt aus einer Fachabteilung, ist ehrgeizig, leistungsstark, zukunftsorientiert und strebt eine herausgehobene Position an. Dank seiner guten Vernetzung und seiner ausgezeichneten Rhetorik gelingt es ihm, für seine Idee einflussreiche Unterstützer und das Wohlwollen der Hausleitung zu finden. Das Personalwesen ist zu Beginn dieses Prozesses nur zufällig eingebunden.

  • Die Hausspitze trifft die Entscheidung, eine Schulung zum Thema „XXX“ durchzuführen (um kein Thema zu diskreditieren, wird ein Platzhalter verwendet). Erforderliche Ressourcen werden zur Verfügung gestellt, die Schulungskapazitäten werden gleichmäßig über die betroffenen Organisationseinheiten verteilt, damit sich niemand benachteiligt fühlt. Selbstverständlich sollten zuerst die Führungskräfte in den Genuss der Maßnahme kommen, damit sie einen Wissensvorsprung gegenüber den Mitarbeitern haben.

  • Inzwischen hat sich die Diskussion zum Thema „XXX“ insoweit verselbständigt, dass sich nur noch wenige trauen, offen dagegen Stellung zu nehmen. „XXX“ wird als Thema anerkannt, mit dem man sich zukünftig auszeichnen und profilieren kann.

  • Das Personalwesen wird mit der Organisation der Schulungsmaßnahme betraut und ist zum Erfolg verdammt. So muss ein angemessener Seminarort gefunden werden; möglichst einer, der in hohem Maße attraktiv ist, z.B. ein landschaftlich reizvoll gelegenes Tagungshotel. Zudem sind Schulungstermine festzulegen; und zwar solche, die nicht mit privaten Erfordernissen kollidieren. Idealerweise lassen sich Seminarort und –termin mit touristischen Aktivitäten kombinieren. Schließlich ist auch ein Trainer zu finden, der vor allem mit seinem Ruf und seinem Auftreten glänzen kann.

  • Für die ersten Schulungsseminare der Reihe werden die Teilnehmer handverlesen eingeladen. Möglichst sind solche Teilnehmer zu finden, die dem Thema „XXX“ sehr aufgeschlossen gegenüberstehen und als Meinungsführer/Multiplikatoren in ihrer Organisationseinheit dienen können. Das erhöht die Chance, dass auch andere Beschäftigte überzeugt werden, dieses Seminar aus dem Fortbildungskatalog zu wählen.

  • Die Personalentwicklung hat während des Seminars für optimale Bedingungen (d.h. exzellentes Essen, kostenloser Pausen-Kaffee, interessantes Abendprogramm mit günstigem Alkohol), der Trainer für eine abwechslungsreiche Veranstaltung mit viel Nestwärme und nicht zu hohen Leistungsanforderungen zu sorgen. Krönung der Veranstaltung ist die Abschlussrunde mit dem anschließenden Ausfüllen der Happy-Sheets (auch Evaluationsbogen genannt).

  • Beim Abschluss der Seminarreihe ist allen Beteiligten klar: die Maßnahme war ein Erfolg! Die Hausspitze verteilt Lob und Anerkennung.

Fraglich bei diesem Vorgehen ist nur, für wen diese Maßnahme ein Erfolg war und wie dieser Erfolg konkret aussieht. Sicherlich konnten sich einige Beteiligte vor den Augen der Hausspitze profilieren. Ob aber die PE-Maßnahme tatsächlich zu einer Kompetenzerweiterung im Hinblick auf die Stellenanforderungen geführt hat, bleibt ungeklärt und ist angesichts des Vorgehens ungewiss.

Wie nun Personalentwicklung durchgeführt werden sollte, damit sie Ihrer Aufgabe gerecht wird, erfahren Sie in Teil II des Blogs am 5.2.14

Herzlichst

Ihr
Andreas Gourmelon

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