Personalentwicklung im öffentlichen Sektor: Wunsch und Wirklichkeit – Teil II
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Wie sollte Personalentwicklung durchgeführt werden, damit sie ihrer Aufgabe gerecht wird? Zur Beantwortung dieser Frage gibt es eine Reihe von Erkenntnissen und Erfahrungen, die sich in drei Regeln zusammenfassen lassen.
Regel 1: PE-Bedarf systematisch ermitteln!
Grundlage für eine wirksame Personalentwicklung ist eine systematische Ermittlung des PE-Bedarfs. Hierbei sind zwei Aspekte zu berücksichtigen (siehe auch Abbildung 1):
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Zum einen ist festzustellen, welche Anforderungen die Organisation und die Stellen derzeit und zukünftig an ihre Beschäftigten stellen. Informationen zu den derzeitigen Anforderungen können z.B. mit Instrumenten zur Anforderungsanalyse aber auch durch die Befragung und Beobachtung von Stelleninhabern und Vorgesetzten gewonnen werden. Eine sehr interessante Befragungsmethode in diesem Zusammenhang ist die der „kritischen Ereignisse“. Zukünftige Anforderungen lassen sich z.B. aus den strategischen Plänen der Behörde oder Kommunalverwaltung oder bevorstehenden Ereignissen (z.B. Gesetzesänderungen) ableiten. In diesem Zusammenhang sind Abfragen von Führungskräften und Fachexperten sinnvoll.
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Zum anderen sind die aktuellen Kompetenzen der Beschäftigten zu ermitteln. Über welche Einstellungen (z.B. zu Migranten) verfügen sie derzeit? Welche Kenntnisse haben sie in bestimmten Wissensbereichen? Wie sind ihre Fertigkeiten – z.B. bei Verhandlungen, im Selbstmanagement – ausgeprägt? Informationen zu den derzeitigen Kompetenzen kann man aus den Ergebnissen von Beurteilungen, aus Mitarbeiter-Vorgesetzten-Gesprächen und – das ist die via regia – mit Potenzialanalysen erhalten. Potenzialanalysen sind regelmäßig aufwändig, ihre Ergebnisse aber sehr aussagekräftig. Geachtet werden muss auf eine fachgerechte und normenkonforme Durchführung (Gourmelon & Knabe-Gourmelon, 2009).

Abbildung 1: Ermittlung des PE-Bedarfs.
Aus dem Vergleich der Anforderungen und der Kompetenzen lässt sich der PE-Bedarf bestimmen.
Regel 2: Maßnahmen individualisieren!
Personalentwicklung wird zumeist mit „Schulungsmaßnahmen“ assoziiert. Dies greift jedoch zu kurz, denn Kompetenzen können mit einer Vielfalt von Maßnahmen gefördert werden. Beispiele für diese Maßnahmen sind:
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Projektarbeit – hier können Beschäftigte z.B. Organisationskompetenzen und die Zusammenarbeit im Team optimieren,
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Teilnahme an Kongressen, Tagungen, Messen – hier kann sich z.B. der Wahrnehmungshorizont erweitern,
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Hospitationen – um z.B. Einstellungen zu anderen Organisationseinheiten zu verändern, den Gesamtzusammenhang zu erkennen,
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Qualitätszirkel, Lernstatt – um z.B. gemeinsam mit anderen Fehlerquellen zu erkennen und Arbeitsabläufe zu optimieren,
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Rotation – z.B. zur Erweiterung der Wissensbasis,
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Unterweisung durch den Vorgesetzten,
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Stellvertretung – beispielsweise um erste Führungserfahrungen zu erwerben,
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Coaching – z.B. um soziale Fertigkeiten zu überdenken und zu ändern,
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E-learning – um sich neues Wissen, z.B. im IT-Bereich anzueignen.
Wirksame PE bedient sich dieser Vielfalt von Maßnahmen und Instrumenten. Dabei sind diese Maßnahmen auf die individuellen Bedürfnisse der Beschäftigten anzupassen. Während sich die teilzeitbeschäftigte Mutter neues IT-Wissen lieber via E-learning am heimischen Arbeitsplatz aneignet, lernt ein älterer Beschäftigter denselben Stoff vielleicht besser in einem Inhouse-Seminar, wo er den Trainer direkt um Rat fragen kann. Problematisches Führungshandeln reflektiert die eine Führungskraft lieber mit einem Coach, die andere im Rahmen eines externen Seminars.
Regel 3: Wirksamkeit von PE-Maßnahmen systematisch überprüfen!
Für eine dauerhaft erfolgreiche Personalentwicklung sind Evaluationsprozesse erforderlich. Evaluationsprozesse setzen an der inhaltlichen und didaktischen Gestaltung von PE-Maßnahmen an. Damit wird geprüft, ob tatsächlich Kompetenzveränderungen bei den Beschäftigten stattfinden. Weiterhin ist der finanzielle Aspekt bedeutsam: Behörden und Kommunalverwaltungen können finanzielle Mittel nicht blindlings verwenden. Die Kollegen Lender und Scholer von der Landeshauptstadt München führen aus: „Verwaltungen des öffentlichen Dienstes als dem Gemeinwohl verpflichtete und mit den Steuern von Bürgerinnen und Bürgern arbeitende Institutionen werden es sich zukünftig nicht mehr leisten können, Investitionen in den Wirksamkeitsnachweis von Fortbildungsveranstaltungen zu vernachlässigen“(2012, S. 135).
Nach den Vorstellungen von Kirckpatrick (die inzwischen erweitert worden sind) sollte die Evaluation an folgenden Ebenen ansetzen:
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Ebene der Teilnahme: Wer hat zu welchen Kosten an den PE-Maßnahmen teilgenommen?
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Ebene der Zufriedenheit: Sind die Teilnehmer mit der Maßnahme zufrieden? Hier setzen typischerweise die „Happy-Sheets“ ein, deren Aussagekraft allerdings begrenzt ist.
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Ebene des Lernerfolgs: Was haben die Teilnehmer gelernt? Der Lernerfolg kann mit Leistungsnachweisen – z.B. Prüfungen – erfasst werden. Eine Maßnahme hat aus Sicht der PE keinen Sinn, sofern ein Kompetenzerwerb nicht nachweisbar ist.
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Ebene des Lerntransfers: Wird das Gelernte auch tatsächlich in der Praxis umgesetzt? Diese Frage betrifft zum einen die Angemessenheit des Lernstoffes und Aspekte der Didaktik, aber auch Fragen des Transfermanagements (Solga, 2011). Werden z.B. die Beschäftigten bei der Anwendung des neu Erlernten durch ihre Vorgesetzten unterstützt?
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Ebene des Organisationserfolgs: Ist das Gelernte für die Organisation überhaupt bedeutsam? Wird beispielsweise durch die optimierten Sozialkompetenzen der Beschäftigten die Zufriedenheit der Bürger gesteigert? Lässt sich das empirisch nachweisen oder wird der Zusammenhang nur behauptet?
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Ebene des wirtschaftlichen Erfolgs: Hat sich der Aufwand für die Maßnahme überhaupt gelohnt? Steht z.B. die Steigerung der Bürgerzufriedenheit in einem vernünftigen Verhältnis zu den Kosten der PE-Maßnahme?
Kauffeld (2010, S. 113) weist mit ihrer Untersuchung nach, dass es möglich ist, in der Praxis Evaluationen auf den verschiedenen Ebenen durchzuführen. Immerhin 7 bis 9 % der von ihr befragten Organisationen überprüfen den Lerntransfer und den Organisationserfolg.
Das Motto bei der Evaluation lautet „Ergebnis statt Erlebnis“.
Herzlichst
Ihr
Andreas Gourmelon
Quellen:
Becker, M. (2013). Personalentwicklung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Gourmelon, A. & Knabe-Gourmelon, G. (2009). Potenzialanalysen: Einsatz, methodische Aspekte und Praxisbeispiele. In A. Gourmelon, C. Kirbach und S. Etzel, Personalauswahl im öffentlichen Sektor (S. 397 - 412), 2. Aufl. Baden-Baden: Nomos.
Kauffeld, S. (2010). Nachhaltige Weiterbildung. Berlin: Springer.
Lendner, A. & Scholer, S. (2012). Wirksam weiterbilden – Praxishilfen für ein Bildungscontrolling im öffentlichen Sektor. In A. Gourmelon (Hrsg.), Personalmanagement im öffentlichen Sektor, Band 5. München: Rehm.
Solga, M. (2011). Förderung von Lerntransfer. In J. Ryschka, M. Solga & A. Mattenklott (Hrsg.), Praxishandbuch Personalentwicklung (S. 339 – 368). Wiesbaden: Gabler.

