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Personalmarketing: Wie Abiturienten „ticken“ – eine aktuelle berufswahlbezogene Studie

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Liebe Leserinnen und Leser,

Voraussetzung für eine erfolgreiche Personalwerbung sind belastbare Informationen über die Zielgruppe. Frau Valerie Bethke, Studentin im Master-Studiengang Human Resource Management (weiterbildender Studiengang der Ruhr-Universität Bochum und der FHöV NRW), hat eine empirische Studie über das berufsbezogene Informations- und Entscheidungsverhalten von Abiturienten in Schleswig-Holstein durchgeführt.

Beschreibung der Stichprobe

Dazu wurden 338 Schülerinnen und Schüler kurz vor dem Abitur im Mai 2013 befragt. Es wurde eine geschichtete Zufallsstichprobe verwendet, so dass die Stichprobe als repräsentativ für die Abiturienten in Schleswig-Holstein gelten kann. Die Stichprobe besteht aus 53 % Frauen und 47 % Männern. Von den 338 Schülern hatten 22 (6,5 %) einen Migrationshintergrund. Rund 19 % der Befragten weisen zum Zeitpunkt der Befragung einen Notendurchschnitt besser als 2,0 auf.

Berufliche Interessen

Hinsichtlich ihrer beruflichen Interessen weisen

  • 20,7 % einen unternehmerischen,

  • 20 % einen künstlerischen,

  • etwa 13 % einen sozialen,

  • rund 11,5 % einen technischen,

  • rund 9 % einen untersuchend-forschenden,

  • 4 bis 8 % der Schülerinnen und Schüler einen ordnend-verwaltenden

Interessenschwerpunkt auf (in Anlehnung an Hollands RIASEC-Modell). Etwa jeder fünfte Abiturient hat keinen eindeutigen Interessenschwerpunkt. Diese Informationen sind bedeutsam, um zu ergründen, was für die jungen Menschen „Spaß im Beruf“ oder „berufliche Erfüllung“ eigentlich bedeutet. Abiturienten, die ausgeprägte soziale Interessen aufweisen, werden eher wenig Spaß oder Erfüllung in einem technischen Beruf erleben.

Berufliche Entscheidungen

Im Hinblick auf einen Beruf …

  • haben sich 39 % bereits entschieden und sind sich ihrer Entscheidung sicher,

  • 19 % haben sich ebenfalls entschieden, sind sich aber noch nicht ganz sicher,

  • weitere 18 % sind gerade dabei, sich zu entscheiden,

  • rund 8 % sammeln aktuell Informationen und möchten sich entscheiden,

  • 11 % haben zunächst andere Pläne und entscheiden sich hinsichtlich des Berufs später

  • knapp 5 % haben noch gar keine Ahnung, was sie machen werden.

Frau Bethke hat auch ermittelt, wann die Abiturienten ihre Berufswahlentscheidung getroffen haben. Sie folgert aus ihren Daten, dass in vielen Fällen das Ende der Bewerbungsfrist z.B. für Anwärterstellen deutlich zu früh ist. Wenn die Bewerbungsfrist rund zehn Monate vor den Abiturprüfungen endet, sind viele Schülerinnen und Schüler noch gar nicht reif für eine Berufswahlentscheidung.

Informationsquellen: Werbung via Facebook wenig nützlich!

Bei den für die Berufswahlentscheidung verwendeten Informationsquellen

  • steht das Internet an erster Stelle (95,2 %),

  • gefolgt von Praktika (92 %),

  • Freunden/Bekannten (89,3 %),

  • Eltern/Verwandten (87,8 %) sowie

  • Büchern oder Zeitschriften zur Berufswahl (86,9 %).

  • Im Mittelfeld rangieren das BIZ (62,2 %) sowie Lehrer/innen (60,1 %).

  • Am Ende stehen soziale Netzwerke – wie z.B. facebook – (51,8 %) sowie 

  • Informationsangebote von Unternehmen, z.B. Tag der offenen Tür (42,7 %).

Das Internet, Praktika, Freunde und Eltern werden eher als hilfreiche Informationsquellen,  soziale Netzwerke, Lehrer, Radio/Fernsehen eher als wenig hilfreiche Informationsquellen gewertet.

Insofern ist der Hype um die Verwendung von social media im Bereich der Personalwerbung angesichts dieser Daten kritisch zu bewerten. Facebook und ähnlichen Medien wird von Vielen eine zu hohe Bedeutung für die Personalwerbung zugesprochen. Die knappen Ressourcen sollten hier eher nicht investiert werden.

Kriterien für die Berufswahl

Die wichtigsten Kriterien für die Berufswahl sind bei den befragten Schülerinnen und Schüler (Durchschnittswerte auf einer Skala von 1 = sehr wichtig bis 5 = nicht wichtig)

  • Spaß bei der Arbeit (1,41)

  • sicherer Arbeitsplatz (1,70)

  • berufliche Erfüllung (1,77)

  • gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt (1,80)

  • Abwechslungsreiche Aufgaben (1,91)

  • eigenverantwortliche Tätigkeit (1,95)

  • gute Aufstiegschancen (2,02)

  • Gehalt (2,06)

  • Vereinbarkeit von Beruf und Familie (2,09)

  • Weiterbildungsmöglichkeiten (2,18)

  • Teamarbeit (2,52)

  • geregelte Arbeitszeiten (2,64)

  • soziales Engagement (2,67)

  • Internationalität (2,78)

  • gesellschaftliches Ansehen (2,92)

  • heimatnaher Standort (3,28)

Mit diesen Informationen kann entschieden werden, welche Merkmale der Arbeit im öffentlichen Sektor in der Werbung herausgestellt werden sollen. Vernachlässigt wurden sicherlich bislang die Merkmale, die sich mit den Kriterien „eigenverantwortliche Tätigkeit“ und „abwechslungsreiche Aufgaben“ in Einklang bringen lassen.

Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen

Im Rahmen der Studie wurden auch Unterschiede zwischen Gruppen festgestellt.

Beispiele:

  • Frauen haben häufiger „andere Pläne nach dem Abitur“ als Männer.

  • Weniger Frauen haben noch gar keine Ahnung, was sie beruflich machen sollen, als Männer.

  • Schülerinnen treffen ihre Berufswahl früher als Schüler.

  • Abiturienten mit Migrationshintergrund informieren sich in ähnlicher Weise wie  Abiturienten ohne Migrationshintergrund.

  • Abiturienten mit guten Noten nutzen weniger häufig soziale Netzwerke als Informationsquelle im Vergleich zu Abiturienten mit weniger guten Noten.

  • Für Frauen sind die Berufswahlkriterien „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“, „soziales Engagement“ und „Berufliche Erfüllung“ wichtiger als für Männer. Diese legen mehr Wert auf das Gehalt.

  • Schüler mit guten Noten legen mehr Wert auf eine eigenverantwortliche Tätigkeit, gute Aufstiegschancen und das Gehalt als Schüler mit weniger guten Noten.

Bedeutsam sind diese Informationen, falls bestimmte Gruppen – z.B. Frauen - besonders durch Werbemaßnahmen angesprochen werden sollen.

Insgesamt bieten die Daten von Frau Bethke den Arbeitgebern in Schleswig-Holstein eine solide Grundlage, um Maßnahmen der Personalwerbung zielgruppenorientiert zu konzipieren. Arbeitgeber des öffentlichen Sektors sollten die ersten sein, die diese Daten nutzen. Entsprechende Studien zum Informations- und Entscheidungsverhalten sind auch in anderen Regionen Deutschlands erforderlich.

Herzlichst

Ihr
Andreas Gourmelon

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