Sieben Grundsätze für eine erfolgreiche Personalrekrutierung (Teil I)
Liebe Leserin, lieber Leser,
angesichts der hohen altersbedingten Personalabgänge und des hieraus folgenden Ersatzbedarfs sowie des für Arbeitsgeber enger werdenden Arbeitsmarktes sind Behörden und Kommunalverwaltungen gehalten, ihre Personalrekrutierungsprozesse zu optimieren.
In diesem Blog werden sieben Grundsätze für eine erfolgreiche Personalrekrutierung beschrieben. Mit dem Begriff „Rekrutierung“ werden dabei alle Bemühungen in den Bereichen Personalwerbung/-marketing, Personalauswahl und Personaleinführung gefasst. Im „war for personnel“ geht es nicht mehr nur darum, gute Personalwerbung zu betreiben. Auch die Auswahlprozesse müssen treffsicher und sozial akzeptabel gestaltet sein; ebenfalls ist auf eine gelungene soziale Integration der neuen Beschäftigten sowie deren gute Einarbeitung zu achten. Insofern sind für eine erfolgreiche Rekrutierung alle drei Bereiche zu optimieren und miteinander zu verzahnen. Die Grundsätze richten sich an Problemen aus, die nach meiner Ansicht bislang im öffentlichen Sektor in zu geringem Maße wahrgenommen oder bearbeitet werden.
Grundsatz Nr. 1: Werben Sie für Ihre Organisation und Ihre Stellen!
Basis für eine erfolgreiche Rekrutierung ist Personalmarketing. Personalmarketing ist eine Denk- und Vorgehensweise, mit der langfristig, systematisch und auf einer guten Informationslage fundierend neue Mitarbeiter gewonnen und an die Organisation gebunden werden sollen (vgl. Kolb, 2010, S. 84; Hopp & Göbel, 2008, S. 336). Eine aufmerksamkeitserregende, Emotionen auslösende und aktivierende Kommunikation und Präsentation von freien Stellen (Personalwerbung) ist dabei ein Teil des Personalmarketings. Zusätzlich sind die angebotenen „Jobs“ so zu gestalten (z. B. Arbeitszeitregelungen, Fortbildungsmöglichkeiten, aber auch Arbeitsinhalte / Gestaltungsmöglichkeiten), dass sie im Einklang mit den Bedürfnissen der gewünschten Bewerber stehen und somit für diese attraktiv sind.
Ein allgemeingültiges Personalmarketing-Konzept für jede Behörde oder Kommunalverwaltung kann es nicht geben, da die Situationen der jeweiligen Organisation zu unterschiedlich sind (Behrens & Zempel, 2012, S. 30). Personalmarketing-Konzepte sind für jede Behörde oder Kommunalverwaltung individuell zu planen, umzusetzen und deren Erfolg zu kontrollieren. In Anlehnung an Behrens und Zempel (2012, S. 30 ff.) sind bei der Entwicklung und Umsetzung eines Personalmarketing-Konzepts im öffentlichen Sektor vier Schritte erforderlich, diese sind in Abbildung 1 aufgelistet.
Bei der Analyse der inneren und äußeren Faktoren einer Organisation steht die Erhebung von entscheidungsrelevanten Informationen im Vordergrund. Der Blick richtet sich dabei in die Organisation (innere Faktoren) und in deren Umwelt (äußere Faktoren). In Abbildung 2 sind Beispiele aufgelistet, zu denen Informationen erhoben werden sollten.
Ein Beispiel, wie mit empirischen Studien Information hinsichtlich der Bedürfnisse und Wünsche von Bewerbern an den zukünftigen Beruf/Job erhoben werden können, bietet die Studie von Bethke (2013; siehe auch den Blog vom 4.11.2013). In dieser Studie wurden 338 Schülerinnen und Schüler aus Schleswig-Holstein kurz vor dem Abitur im Mai 2013 befragt. Aus den Befragungsergebnissen kann Bethke wertvolle Schlüsse für das Personalmarketing des Landes Schleswig-Holstein ziehen. Beispielsweise zeigt sich, dass bislang zu früh um Abiturienten geworben wurde und das Facebook und ähnliche soziale Medien in ihrer Bedeutung für die Personalwerbung überschätzt werden. Die Ergebnisse dieser Studie können selbstverständlich nicht unmittelbar auf andere Verwaltungen übertragen werden; es wird jedoch belegt, wie wichtig es ist, belastbare Daten über die Zielgruppen zu erheben, damit Personalmarketing passgenau betrieben werden kann.
Im Personalmarketing sind zudem Informationen zum Arbeitgeber-Image wichtig. Wie steht meine Organisation im Vergleich zu anderen Unternehmen da? Wie attraktiv ist meine Behörde aus Sicht der Bewerberinnen und Bewerber? Zu diesen Fragen gibt beispielsweise eine Studie von Bulmahn et al aus dem Jahr 2010 (zitiert nach Fölsing & Scherm, 2012, S. 8) Auskunft. Einige Ergebnisse dieser Studie sind in Abbildung Nr. 3 dokumentiert.

Unter Berücksichtigung der im ersten Prozessschritt gewonnenen Informationen müssen Festlegungen getroffen werden, welches die Grundzüge einer zukünftigen Personalpolitik sind und wie sich die Organisation nach außen darstellen will. Hier geht es weniger um die konkrete Ausgestaltung von einzelnen Werbemitteln, sondern um die Festlegung eines „roten Fadens“. Es soll eine Antwort auf die Frage gegeben werden, weshalb sich gerade für die eigene Verwaltung interessieren sollen. Die Organisation positioniert sich – durchaus in Abgrenzung zu anderen Arbeitgebern – als Marke auf dem Arbeitgebermarkt („employer branding“, vgl. Kolb, 2010, S. 89). Im Gegensatz zu Privatunternehmen kann der öffentliche Sektor bei seiner „employer brand“ z. B. die ethische Sinnhaftigkeit des beruflichen Handelns und die Gemeinwohlorientierung hervorheben. So ist es sicherlich auf Dauer befriedigender, beispielsweise für Ordnung und Sicherheit verantwortlich zu sein, als aus Profitgier Senioren eine Kapitallebensversicherung aufzuschwatzen.
Eine gute Marke zeichnet sich durch Klarheit der Botschaft, Unverwechselbarkeit, Stetigkeit und Verlässlichkeit aus; eine attraktive Arbeitgebermarke hilft, geeignete Bewerber anzulocken und das Bestandspersonal an die Organisation zu binden (Döring, 2012, S. 3). Idealerweise weist eine Marke ein positives Alleinstellungsmerkmal am Arbeitsmarkt auf. Um einem Missverständnis vorzubeugen: Der Köder (die Marke) muss dem Fisch (potenziellen Bewerber) schmecken, nicht notwendigerweise dem Angler (Personalmanager).
Im dritten Schritt sind die Maßnahmen zur Umsetzung des Plans durchzuführen. Ein Schwerpunkt der Maßnahmen ist die Personalwerbung. Ziele der Personalwerbung sind z.B.:
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den Bekanntheitsgrad des Arbeitgebers zu erhöhen,
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das Image des Arbeitgebers an die Markenbotschaft anzugleichen,
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die Anzahl der Bewerbungen zu erhöhen.
Dreh- und Angelpunkt aller werberischen Maßnahmen ist die Kommunikation der Arbeitgebermarke sowie der zu besetzenden Stellen. Hierfür sind kreative Kampagnen zu entwickeln und die angemessenen Kommunikationskanäle zu verwenden. Hinweise zu diesen Aspekten sind der Literatur zu entnehmen (z.B. Behrens & Zempel, 2012).
„Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte“ – dieses dem Industriellen Henry Ford zugesprochene Zitat weist darauf hin, dass die Wirkung von Personalmarketing-Maßnahmen nicht selbstverständlich ist und deren Wirkung im vierten Schritt kontrolliert werden muss, um unnötigen Aufwand zu vermeiden.
Grundsatz Nr. 2: Beschreiben Sie genau, was und wie der Zukünftige arbeiten soll
Nachdem Kandidaten angeworben wurden, setzt der Personalauswahlprozess ein. Mit dessen Gestaltung befassen sich die Grundsätze Nr. 2 bis Nr. 6. Erster Schritt im Auswahlprozess ist die genaue Analyse der Anforderungen an den zukünftigen Stelleninhaber. „Eignung ohne Analyse des konkreten Wofür ist sinnleer“ – dieser Grundsatz des Arbeitskreises Assessment Center (1996) stellt klar: wird in Auswahlprozessen die Eignung von Bewerbern beurteilt, hat der Auswählende die Eignung in Bezug auf die Anforderungen einer Stelle oder eines Berufes festzustellen. Bevor ein Bewerber folglich mit einem eignungsdiagnostischen Verfahren – z.B. Test oder Interview - untersucht wird, sind die Anforderungen des Berufes oder der Stelle zu analysieren. Der Auswählende soll eine zutreffende Vorstellung von der Arbeit des zukünftigen Stelleninhabers haben. Zudem sind aus diesen Vorstellungen nachvollziehbar die Personenmerkmale abzuleiten, die der ideale Bewerber aufweisen sollte.
Zu diesem anforderungsorientierten Vorgehen gibt es in der Fachwelt keine widersprüchlichen Aussagen (Kanning, 2004; Schuler, 2006; Reimann, 2004). Dementsprechend nicht überraschend enthält die eignungsdiagnostische Norm DIN 33430 die Empfehlung: „Eine Arbeits- und Anforderungsanalyse … sollte die Basis einer Eignungsbeurteilung sein“ (Deutsches Institut für Normung, 2002, S. 12). Schuler (2006) stellt fest, „…dass die Durchführung von Arbeits- und Anforderungsanalysen nicht nur eine nützliche Basis personalpsychologischer Arbeit darstellt, sondern auch, dass sie als Maßnahme der Qualitätssicherung angesehen werden kann…“ (S. 64).
Für die Durchführung von Anforderungsanalysen sowie den Gebrauch sorgfältig formulierter und erstellter Anforderungsprofile sprechen zudem die Ergebnisse empirischer Studien (McDaniel et al, 1994). Danach erzielten Personalauswahlprozesse, bei denen Anforderungsanalysen durchgeführt wurden, nachweislich bessere Ergebnisse hinsichtlich der Eignungsbeurteilung der Bewerber.
Nach den Ergebnissen einer schriftlichen Befragung aus dem Jahre 2002 (Gourmelon, 2003) werden im öffentlichen Sektor Berufs- und Stellenanforderungen sowie Anforderungsprofile in Personalauswahlprozessen zu wenig beachtet.
Bei der Besetzung einer Führungsposition sollten die Personalauswählenden beispielsweise genau wissen, welche Handlungsweisen sie von einer Führungskraft in typischen Führungssituationen erwarten. Wie sollte eine Vorgesetzte handeln, wenn der Mitarbeiter nicht die vereinbarte Leistung erbringt? Hierzu sollte es konkrete Vorstellungen geben.
Hinweise, wie Anforderungsprofile sachgerecht erstellt werden können, gibt z.B. Gourmelon (2009, S. 123 ff).
Grundsatz Nr. 3: Immunisieren Sie sich gegen Vorurteile, Stereotype und ähnliches mehr
Oftmals werden Auswahlentscheidungen auf Grundlage von subjektiven Überzeugungen oder aus dem „Bauch“ heraus getroffen (Gourmelon, 2003). Dabei ist jedoch die Gefahr groß, dass die Entscheidungen durch Vorurteile, Stereotypien und Sympathie/Antipathie beeinflusst werden und so zu Benachteiligungen einzelner Personengruppen (z.B. Ältere, Migranten) führen. Damit die Auswahlentscheidungen möglichst objektiv und benachteiligungsfrei gefällt werden, sind bei der Planung des Auswahlprozesses Entscheidungsregeln festzulegen (siehe auch DIN 33430). Dabei ist es unbedeutend, ob die Entscheidungsregeln mittels mathematischer Formeln oder auf andere Weise formuliert werden.
Ein weiteres Mittel, subjektive Einflüsse in Auswahlentscheidungen weitgehend auszuschließen, sind sogenannte „anonymisierte Bewerbungen“ – siehe hierzu den Blog vom 8.05.2013.
In Teil II des Blogs am 17.12.2013 erfahren Sie mehr zur Nutzung eignungsdiagnostischer Instrumenten und weiteren wichtigen Grundsätzen für eine erfolgreiche Personalrektutierung.
Herzlich
Ihr
Andreas Gourmelon
Quellen:
Arbeitskreis Assessment Center (1996). Standards der Assessment Center-Technik. In Arbeitskreis Assessment Center, Assessment Center als Instrument der Personalentwicklung (S. 485 – 494). Hamburg: Windmühle.
Becker, F. & Probst, H. (2004). Personaleinführung für Universitätsprofessoren: Eine explorative Studie zur Personalentwicklung into-the-job. In S. Laske, T. Scheytt & C. Meister-Scheytt (Hrsg.), Personalentwicklung und universitärer Wandel (S. 251–273). München: Hampp.
Behrens, I. & Zempel, C. (2012). Personalmarketing im öffentlichen Sektor. In: A. Gourmelon (Hrsg.), Personalmanagement im öffentlichen Sektor, Band 2. München: Rehm.
Berthel, J. & Becker, F. G. (2003). Personal-Management (7. Aufl.). Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Bethke, V. (2013). Zielgruppenorientiertes Personalmarketing – Handlungsempfehlungen für den öffentlichen Dienst. Master-Arbeit an der Ruhr-Universität Bochum (Fakultät für Psychologie) / FHöV NRW. Bochum: Ruhr-Universität.
Bulmahn, T., Fiebig, R., Hennig, J. & Wieninger, V. (2010). Ergebnisse der Jugendstudie 2008 des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Bundeswehr (Forschungsbericht 93). Strausberg: Sozialwissenschaftliches Institut der Bundeswehr.
Deutsches Institut für Normung (2002). DIN 33430 - Anforderungen an Verfahren und deren Einsatz bei berufsbezogenen Eignungsbeurteilungen (Ref. Nr. DIN 33430:2002-06). Berlin: Beuth.
Döring, S. (2012). „Employer Branding“ – Wer oder was bin ich als Arbeitgeber. PersonalMentor, September 2012, 2–3.
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Gourmelon, A. (2003). Zur Praxis der Personalauswahl in der öffentlichen Verwaltung, Verwaltungsrundschau 2003 (9), S. 292 - 296.
Gourmelon, A. (2009a). Anforderungsprofile als Grundlage für die Personalauswahl. In A. Gourmelon, C. Kirbach & S. Etzel (Hrsg.), Personalauswahl im öffentlichen Sektor (123 – 137). Baden-Baden: Nomos.
Gourmelon, A., Kirbach, C. & Etzel, S. (2009). Personalauswahl im öffentlichen Sektor. Baden-Baden: Nomos.
Gourmelon, A. (2011). Strategien und Maßnahmen einer systematischen Personaleinführung. Der Öffentliche Dienst, 9/2011, S. 197 – 207.
Hopp, H. & Göbel, A. (2008). Management in der öffentlichen Verwaltung. Stuttgart: Schäffer-Poeschel.
Kanning, U. P. (2004). Standards der Personaldiagnostik. Göttingen: Hogrefe.
Kratz, H.-J. (1997). Neue Mitarbeiter erfolgreich integrieren. Wien: Ueberreuther.
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Reimann, G. (2004). Arbeits- und Anforderungsanalyse. In K. Westhoff, L. J. Hellfritsch, L. F. Hornke, K. D. Kubinger, F. Lang, H. Moosbrugger, A. Püschel, G. Reimann (Hrsg.): Grundwissen für die berufsbezogene Eignungsbeurteilung nach DIN 33430, S. 105 - 120. Berlin: Pabst.
Schuler, H. (2006). Arbeits- und Anforderungsanalyse. In Heinz Schuler, Lehrbuch der Personalpsychologie, S. 45 – 68. Göttingen: Hogrefe.

