Sieben Grundsätze für eine erfolgreiche Personalrekrutierung (Teil II)
Liebe Leserin, lieber Leser,
für den Auswahlprozess gelten weiter folgende Grundsätze:
Grundsatz Nr. 4: Nutzen Sie die Vielfalt eignungsdiagnostischer Instrumente!
Üblicherweise werden in Auswahlverfahren des öffentlichen Sektors Interviews genutzt. Bei Nachwuchskräften werden diese im Vorfeld oftmals noch durch Testverfahren ergänzt. In Berufungsverfahren im Hochschulbereich werden zusätzlich zu Interviews Veröffentlichungen analysiert und Probevorlesungen durchgeführt. Situative Verfahren, Persönlichkeitsfragebogen, Integritätstests, Arbeitsproben, Postkörbe und andere eignungsdiagnostische Verfahren werden im öffentlichen Sektor jedoch selten verwendet. Damit wird die Chance vertan, bessere Auswahlentscheidungen zu fällen. Durch die Kombination verschiedener eignungsdiagnostischer Verfahren wird die Treffsicherheit der Auswahlentscheidung optimiert.
Einen Überblick über verschiedene Verfahrensklassen, deren prognostische Validität, Kosten und Akzeptanz durch die Bewerber finden Sie im Blog vom 10.09.2013.
Grundsatz Nr. 5: Fördern Sie die Selbstselektion der Bewerber!
Entscheidungen über die Eignung eines Bewerbers können mittels der Strategie der Fremd- oder der Selbstselektion getroffen werden. Bei der Fremdselektion wird davon ausgegangen, dass der Bewerber den Job unbedingt möchte und dafür auch bereit ist, sich zu verstellen und opportunistisch zu agieren. Deshalb muss der Personalauswählende in geschickter Weise die Wahrheit über den Bewerber herausfinden und wie ein Gutachter ein Urteil über dessen Eignung fällen. Der Bewerber wird damit zum Objekt des Erkenntnisinteresses des Auswählenden (und dies spürt der Bewerber auch mehr oder weniger). Bei der Strategie der Selbstselektion besteht der Grundgedanke darin, dass der Bewerber selbst ein hohes Interesse daran hat, die Eignung für eine bestimmte Tätigkeit festzustellen. Der Auswählende ist ihm Partner dabei, mehr über die Tätigkeit und sich selbst herauszufinden und dann gemeinsam gültige Schlüsse hinsichtlich der Eignung zu ziehen. Der Bewerber ist nicht mehr Objekt des Erkenntnisinteresses sondern Partner im Erkenntnisprozess. Die Selbstselektion kann durch folgende Maßnahmen gefördert werden:
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dem Bewerber werden vorab ausführliche Informationen über die Organisation und die Stelle zur Verfügung gestellt (siehe auch DIN 33430),
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der Bewerber erhält im Vorfeld der Bewerbung die Möglichkeit - z.B. mit über das Internet zugänglichen Tests – seine Eignung anonym zu prüfen,
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die eignungsdiagnostischen Verfahren weisen einen engen Bezug zu den Anforderungen auf. Zum Beispiel werden realitätsnahe Arbeitsproben oder Gesprächssimulationen eingesetzt,
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während des Interviews werden die mit der Stelle verbundenen Tätigkeiten sachgerecht dargestellt,
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durch ihr Gesprächsverhalten unterstützen die Interviewer den Bewerber in seinen Reflektionen hinsichtlich der eigenen beruflichen Eignung.
Bei der Strategie der Selbstselektion gelangen sowohl der Personalauswählende als auch der Bewerber vor der Einstellung zu der begründeten Überzeugung, dass beim Bewerber Eignung vorliegt. Die Strategie der Selbstselektion führt zu hoher Akzeptanz bei den Bewerbern.
Grundsatz Nr. 6: Qualifizieren Sie die Personalauswählenden!
Qualitativ hochwertige Auswahlverfahren können nur durch qualifizierte Personalauswählende gestaltet und durchgeführt werden. Dies ist auch der Grund, weshalb in der DIN 33430 bestimmte Kompetenzen für Personalauswählende beschrieben sind. Im öffentlichen Sektor sind die Kompetenzen der Personalauswählenden – vorsichtig ausgedrückt – nicht optimal ausgeprägt. Ursachen hierfür sind vermutlich:
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in verwaltungsnahen Studiengängen (z.B. Jura, Verwaltungswissenschaften) spielen Aspekte des Personalmanagements und insbesondere der Personalauswahl bislang nur eine verschwindend geringe Rolle,
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die Fortbildungsgelegenheiten für Mitarbeiter im Personalmanagement sind begrenzt,
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es gibt für Mitarbeiter im Personalmanagement kaum die Möglichkeit, sich von neutraler Seite in Fragen der Personalauswahl beraten zu lassen.
Grundsatz Nr. 7: Betreiben Sie eine systematische Personaleinführung!
Der demografische Wandel und die daraus resultierende Verknappung des Arbeitskräfteangebots zwingen die Organisationen des öffentlichen Sektors dazu, sich verstärkt um die Anwerbung von Personal zu bemühen. Neben der Personalanwerbung und -auswahl müssen sich die Behörden und Kommunalverwaltungen aber auch darum kümmern, das einmal gewonnene Personal zu halten und dessen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft zu fördern. Eine besonders kritische Situation ist dabei die Einführung neuer Mitarbeiter in den Betriebsalltag: „Häufig ist die Einführung des neuen Mitarbeiters entscheidend für seine spätere Einstellung zu seiner Arbeit, seinen Mitarbeitern, seinen Kollegen, seinen Vorgesetzten und seinem Arbeitgeber sowie für seine Einsatz- und Leistungsbereitschaft“ (Kratz, 1997, S. 5). Die Einführung neuer Mitarbeiter sollte als eine wichtige Aufgabe des Personalmanagements angesehen und systematisch durchgeführt werden. Unter dem Begriff Personaleinführung werden alle Bemühungen gefasst, neue Mitarbeiter in die Lage zu versetzen, sich in die stellenbezogenen Aufgaben erfolgreich einzuarbeiten, sowie die neuen Mitarbeiter in sozialer Hinsicht in die Organisationseinheit einzubinden. Begriffe mit denen Ähnliches bezeichnet wird, sind „Induktionsprogramme“, „Inplacement-Training“, „Training into-the-job“, „Integration neuer Mitarbeiter“ (Berthel & Becker, 2003, S. 231), „Onboarding“ (Kolb, 2010, S. 141). Aus dem Fünf-Phasen-Modell der Personaleinführung lassen sich verschiedene Strategien zur Personaleinführung ableiten (siehe Abbildung 5; Gourmelon, 2011, S. 198 ff.).

Einzelmaßnahmen zur Personaleinführung können z.B. sein: Einführungsgespräche, Übergabe von Willkommenspaketen, Einführungsbroschüren, Einarbeitungspläne, Übergabe eines vorbereiteten Arbeitsplatzes, Einführungsaufgabe, Führung durch die Behörde, Vorstellung des neuen Mitarbeiters beim nächsthöheren Vorgesetzten, Feedbackgespräche, Paten- und Mentorenprogramme, Kontaktveranstaltungen u.v.m. Jede Behörde und Verwaltung sollte die für sie passenden Maßnahmen individuell gestalten und systematisch umsetzen.
Wenn Sie nunmehr bei Ihren Rekturierungsprozessen die dargestellten sieben Grundsätze im Auge behalten, sind Sie auf einem sicheren Weg gute Bewerber für Ihre Behörde oder Organisation zu interessieren, auszuwählen und auf Dauer zu gewinnen.
Viel Erfolg dabei wünscht Ihnen
Ihr
Andreas Gourmelon
Quellen:
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Becker, F. & Probst, H. (2004). Personaleinführung für Universitätsprofessoren: Eine explorative Studie zur Personalentwicklung into-the-job. In S. Laske, T. Scheytt & C. Meister-Scheytt (Hrsg.), Personalentwicklung und universitärer Wandel (S. 251–273). München: Hampp.
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