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Sind dienstliche Beurteilungen motivierend?

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Erste Ergebnisse einer Befragung zeigen: Mehr als die Hälfte der Beamtinnen und Beamten werden durch dienstliche Beurteilungen nicht motiviert.

Liebe Leserinnen und Leser,

dienstliche Beurteilungen haben für Beamtinnen und Beamte eine große Bedeutung in Bezug auf ihre berufliche Karriere. Das Ergebnis der dienstlichen Beurteilung ist beispielsweise ausschlaggebend für die Chance, befördert zu werden. Dienstliche Beurteilungen stellen ein – wenig valides – Instrument dar, die Eignung, Leistung und Befähigung von Beamtinnen und Beamten zu erfassen. Aber wie wirken sich die Beurteilungsereignisse, die in der Regel zumindest alle drei Jahre stattfinden, auf die Leistungsbereitschaft der Beurteilten aus?

Im vorliegenden Beitrag werden ausgewählte Ergebnisse einer Studie dargestellt, mit der der Effekt der dienstlichen Beurteilung auf die Motivation der Beschäftigten untersucht worden ist. Annalena Hartmann, Absolventin der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, befragte im Frühjahr 2023 Beamtinnen und Beamte eines großen Kommunalverbands.

Die Stichprobe

Insgesamt erhielten alle 1.265 Beamtinnen und Beamte der allgemeinen Verwaltung des Kommunalverbands den Einwahllink zur Online-Umfrage mit der Bitte um freiwillige, anonyme Teilnahme. 459 Rückmeldungen sind laut Befragungssystem eingegangen (Rücklaufquote 36 %). Von denen, die an der Befragung teilgenommen haben, sind 13,8 % unter 27 Jahre alt, im Alter von 28 bis 38 Jahren sind 16,6 %, im Alter von 39 bis 49 Jahren 33,8 % und über 50 Jahre als sind 35,5 %.

Beurteilungsergebnisse der Befragten

Gemäß den Richtlinien des Kommunalverbands gibt es für das Gesamturteil der dienstlichen Beurteilung fünf Kategorien. Die einzelnen Kategorien und die Häufigkeit der Gesamturteile sind mit Abbildung 1 dargestellt.

Grafik Note der letzten dienstl. Beurteilung

Abbildung 1: Note der letzten dienstlichen Beurteilung (nach Daten von Hartmann, 2023, S. 10)

Weiters wurde gefragt, welches Gesamturteil bzw. Note sich die Beurteilten selbt gegeben hätten. Kanpp 74 % hätten sich die selbe Note, 19 % eine bessere und 7 % eine schlechtere Note gegeben. Die Daten erlauben die Schlussfolgerung, dass eine deutliche Mehrheit mit dem Gesamturteil zufrieden ist.

Zufriedenheit mit dem Beurteilungsgespräch

Rund 77 % der Befragten sind mit dem letzten Beurteilungsgespräch zufrieden oder sogar sehr zufrieden (siehe Abb. 2).

Grafik Zufriedenheit Beurteilungsgespräch

Abbildung 2: Zufriedenheit mit dem Beurteilungsgespräch (nach Daten von Hartmann, 2023, S. 11-12)

Gefragt wurde zudem, ob im letzten Beurteilungsgespräch Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt wurden. Die Befragungsergebnisse zu dieser Frage sind mit Abbildung 3 veranschaulicht. Bei rund einem Drittel der Befragten wurde von den Vorgesetzten keine Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt.

Grafik Entwicklungen

Abbildung 3: Aufzeigen von Entwicklungsmöglichkeiten während des Beurteilungsgesprächs (nach Daten von Hartmann, 2023, S. 12)

Eine erste Analyse der Daten zeigt: Beamtinnen und Beamte, denen Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt wurden, sind tendenziell mit dem Beurteilungsergebnis zufriedener.

Allgemeine Motivationswirkung

Die letzte dienstliche Beurteilung war für 36% gemäß ihrer Selbstauskunft insgesamt weder motivierend noch demotivierend. Für 44% ist die letzte Beurteilung teilweise oder sehr motivierend gewesen. Jede oder jeder fünfte Befragte gab an, durch die dienstliche Beurteilung sehr oder teilweise demotiviert worden zu sein. Mehr Befragte werden durch die dienstliche Beurteilung motiviert als demotiviert; dennoch ist problematisch, dass bei mehr als der Hälfte der befragten Beamtinnen und Beamten insgesamt kein positiver Motivationseffekt durch die dienstliche Beurteilung zu verzeichnen ist.

Spezielle Motivationswirkung

Ein weiterer Fragenkomplex bezog sich auf die Motivationswirkung in Bezug auf spezielle Verhaltensweisen und Kognitionen. Die Beamtinnen und Beamten hatten die Möglichkeit, z. B. der  Aussage „Wegen der letzten dienstlichen Beurteilung habe ich mehr gearbeitet“ in gradueller Abstufung zuzustimmen oder nicht. Die Verhaltensweisen und Einstellungen wurden überwiegend aus der Beschreibung der nach der Beurteilungsrichtlinie des Kommunalverbands zu beurteilenden Personenmerkmale abgeleitet (siehe Abbildung 4).

Grafik Wegen dienstlicher Beurteilung

Abb. 4: Wirkungen der dienstlichen Beurteilung auf Verhaltensweisen und Kognitionen (nach Daten von Hartmann, 2023, S. 14 – 31)

Interessanterweise meinen fast dreiviertel der Befragten, dass sie durch die dienstliche Beurteilung eine hohe Arbeitsleistung beibehalten hätten. Auch das Selbstbild in Bezug auf berufliche Leistungen, Stärken und Kompetenzen wurde bei etwa der Hälfte der Befragten realistischer. Allerdings ist der Einfluss der dienstlichen Beurteilung bei vielen weiteren Verhaltensweisen und Kognitionen eher gering einzustufen. Beispielsweise haben weniger als ein Viertel der Befragten wegen der letzten dienstlichen Beurteilung mehr gearbeitet, vorausschauender die Arbeit geplant oder sind freundlicher oder geduldiger mit Kolleginnen und Kollegen umgegangen.

Weitere Auswertungen erforderlich

Die ersten vorläufigen Auswertungen der Befragung ergeben durchaus interessante Ergebnisse:

  • die große Mehrheit der Befragten wurde gut beurteilt und stimmt dem Gesamturteil der Vorgesetzten auch zu,

  • die große Mehrheit ist mit dem Beurteilungsgespräch zufrieden, wohl auch deswegen weil Entwicklungsmöglichkeiten aufgezeigt wurden,

  • eine allgemeine positive Motivationswirkung zeigt sich bei der Mehrheit der Befragten nicht,

  • Auswirkungen hat die dienstliche Beurteilung auf spezielle Verhaltensweisen und Kognitionen nur bei einer Minderheit der befragten Beamtinnen und Beamten.

Weitere statistische Auswertungen des Datensatzes sind jedoch erforderlich, um ein besseres Gesamtbild zu erhalten.  So ist beispielsweise zu analysieren, ob die Beurteilungsnote einen Einfluss auf die Motivation hat. Auch das Alter der Befragten könnte einen Einfluss auf die Wirksamkeit der Beurteilung in Bezug auf spezielle Verhaltensweisen und Kognitionen haben. Über die Ergebnisse dieser weiteren  Auswertungen werden Sie informiert.

Eine Besonderheit der Ergebnisse soll herausgestellt werden: zumindest zwei von drei Führungskräften des Kommunalverbands nutzen die Möglichkeit, im Beurteilungsgespräch Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Dies ist ein Indiz für eine positive Führungskultur.

Vielen Dank an den Kommunalverband, der eine Befragung der Beschäftigten zum Thema „Dienstliche Beurteilungen“ ermöglicht und intensiv unterstützt hat. Hierdurch können auf guter Datengrundlage Vorschläge zur Optimierung des Beurteilungswesens erarbeitet werden. Vielleicht haben auch andere Verwaltungen Interesse, solche Befragungen zu ermöglichen? Falls ja, melden Sie sich! J


Herzlichst

Ihr
Andreas Gourmelon und Annalena Hartmann

P.S. Die Abbildungen wurden mit tatkräftiger Unterstützung von Julian Gourmelon erstellt. Lieben Dank!


Quelle:
Hartmann, A. (2023). Effekte der dienstlichen Beurteilung auf die Motivation der Bediensteten. Bachelor-Thesis. Köln: Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW, Abteilung Köln.

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6 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 16.12.2023 um 12:10:
Sehr geehrte Frau Hartmann, sehr geehrter Herr Professor Gourmelon, vielen Dank für die Verlinkung der Bachelor-Thesis. Mit freundlichen Grüßen Th. Peter
kommentiert am 11.12.2023 um 10:58:

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

vielen Dank für Ihr Interesse an der Bachelor-Thesis von Frau Hartmann, die wir Ihnen nachträglich unter dem Beitrag verlinkt haben .

kommentiert am 26.11.2023 um 21:38:
Noch eine Nachfrage: Auch wenn es sich nicht um Landesbediestete handelte, die befragt wurden, der Abbildung 1 entnehme ich, dass die Quoten für nach § 8 Abs. 3 LVO deutlich überschritten wurden. (Der Anteil der Landesbeamtinnen und Landesbeamten einer Vergleichsgruppe soll bei der besten Note 10 Prozent und bei der zweitbesten Note 20 Prozent nicht überschreiten.) Interpretiere ich diese richtig? Bei den Rückläufen hatten, ca. 77 % die beste oder zweitbeste Note. Daher frage ich mich, was für ein Ergebnis es gegeben hätte, hätte der Dienstherr auch v. g. Richtwerte bei den Beurteilung?
kommentiert am 26.11.2023 um 21:22:
Sehr geehrte Frau Hartmann, sehr geehrter Herr Professor Gourmelon, kann man die Bachelor-Thesis insgesamt einsehen/erhalten? Mit freundlichen Grüßen
kommentiert am 22.09.2023 um 09:56:
Sehr geehrte Frau Heuterges, vielen Dank für Ihre Fragen. Nein, Unterschiede zwischen den Geschlechtern haben wir noch nicht untersucht. Wir wollen aber demnächst eine umfassende statistische Analyse der Befragungsdaten vornehmen. Sobald die Ergebnisse vorliegen, werden Sie und andere Leserinnen und Leser mit einem neuen Blog-Beitrag informiert! Herzlichst Andreas Gourmelon
kommentiert am 21.09.2023 um 13:50:
Sehr geehrte Damen und Herrn, dieser Artikel ist interessant. Mich hätte noch interessiert ob es auch Fragen bzw. Auswertungen zur Verteilung der Beurteilungsnoten auf die Geschlechter gegeben hat. Wie haben Grauen auf die Fragen geantwortet, wie haben Männer geantwortet? Gibt es Unterschiede in der Beantwortung der Fragen bei Teilzeitbeschäftigten und Vollzeitbeschäftigten? vielen Dank und Grüße aus NRW
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