Was sagt die Lücke im Lebenslauf aus?

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Eine empirische Studie ging der Frage nach, ob Lücken im Lebenslauf mit dem Berufserfolg zusammenhängen. Die Studienergebnisse weisen darauf hin, Lücken nicht als Vorauswahlkriterium zu verwenden.

Liebe Leserinnen und Leser,


viele Personalverantwortliche studieren sehr aufmerksam die Lebensläufe von Bewerberinnen und Bewerbern. Dabei achten sie auch auf Lücken in den Lebensläufen. Lücken werden dabei als Zeiten aufgefasst, während der eine Person im erwerbsfähigen Alter keiner Arbeitstätigkeit nachgeht und sich auch nicht für einen Beruf oder eine Tätigkeit qualifiziert.

 

Gemeinhin werden Lücken im Lebenslauf von deutschen Personalverantwortlichen negativ bewertet. Kandidaten mit Lücken im Lebenslauf laufen Gefahr, im Vorauswahlverfahren zu scheitern, d. h. nicht zu einem Vorstellungsgespräch oder Assessment Center eingeladen zu werden. Aber ist diese Entscheidung gegen einen Kandidaten mit Lebenslauflücken zu rechtfertigen? Diese Frage versuchten die Psychologen Florian Frank, Dominika Wach und Uwe Peter Kanning mit einer empirischen Studie zu klären (Frank, Wach & Kanning, 2017).

 

Sie befragten 2.225 Personen hinsichtlich ihrer Lücken im Lebenslauf und ihres Berufserfolgs. Das Alter der Befragten betrug durchschnittlich 38 Jahre, sie verfügten im Schnitt über 14 Jahre Berufserfahrung. Überwiegend (74 %) waren die Befragten Akademiker, 44,6% waren weiblichen, 55,4% männlichen Geschlechts. Der Bruttoverdienst lag im Mittel bei 5.726 Euro. Einschränkend ist zu bemerken, dass die Befragten für Erwerbstätige in Deutschland nicht repräsentativ sind.

 

Hinsichtlich der Lebenslauflücken wurden die Anzahl, die Dauer und die Gründe für die Lücken erhoben. Die Forscher erfassten nur Lücken mit einer minimalen Dauer von vier Wochen. Etwa 72% der Befragten hatten Lücken im Lebenslauf,  28%  keine (Frank et al, 2017, S. 76), die Lückendauer beträgt:

  • 0 Monate bei 28%
  • 1 - 3 Monate bei 13%
  • 4 – 6 Monate bei 13%
  • 7 – 12 Monate bei 16%
  • 13 – 24 Monate bei 17%
  • mehr als 24 Monate bei 13% der Befragten.


Folgende Gründe wurden für Lücken benannt (in Klammern Prozentsatz der Befragten, die eine Lücke aufwiesen; Mehrfachnennungen möglich (Frank et al., 2017, S. 74 / Tab. 3):

  • Unfreiwillige Arbeitslosigkeit (56%)
  • Wartezeit (30%)
  • Freiwillige Arbeitslosigkeit (28%)
  • Sonstiges (13%)
  • Reise (13%)
  • Ausbildung/Studium abgebrochen (10%)
  • Kinder (10%)
  • Krankheit (8%)
  • Pflege einer nahestehenden Person (2%)

 

Beim Berufserfolg sollten die Befragten Angaben zu ihrer prozentualen Einkommenssteigerung seit der Erstanstellung, dem höchsten erreichten Bruttoeinkommen sowie die Anzahl der Beförderungen angeben. Zudem wurden sie nach dem subjektiven Berufserfolg und dem Erreichen beruflicher Ziele befragt.

 

Die statistische Analyse brachte hervor: „Je größer sich das zeitliche Ausmaß von Lücken im Lebenslauf darstellte, umso kleiner waren die Kriterien des Berufserfolgs ausgeprägt“ (Frank et al., S. 73). Allerdings sind die statistischen Zusammenhänge nur schwach, nur 0,6 bis 4,4 % der Unterschiede im Berufserfolg können durch die Lückendauer statistisch erklärt werden. Werden die unterschiedlichen Gründe der Lücken bei der statistischen Zusammenhangsanalyse beachtet, zeigt sich, dass beispielsweise Lücken aufgrund von Reisen nicht mit dem Berufserfolg korrelieren, bei unfreiwilliger Arbeitslosigkeit zeigen sich die (relativ) höchsten Zusammenhänge. Nicht überraschend schätzen sich Personen mit einer hohen Lückendauer als beruflich weniger erfolgreich ein.

 

Angesichts der schwachen statistischen Zusammenhänge kommen die Autoren der Studie zu dem Schluss, dass es für die Praxis der Personalauswahl nicht empfehlenswert sei, Bewerberinnen und Bewerbern nur aufgrund einer oder mehrerer Lücken im Vorauswahlverfahren abzulehnen. Falls auf dieses Kriterium in der Vorauswahl nicht verzichtet werden solle, sei es ratsam zumindest die Gründe für die Lücken in Augenschein zu nehmen. Hier ergibt sich jedoch in der Praxis das Problem, wie die Gründe für die Lücken im Rahmen der Vorauswahl zutreffend ermittelt werden können. Oftmals werden diese nicht oder nicht ausführlich genug angegeben, um sie sinnvoll bewerten zu können. Zu einer „Arbeitslosigkeit“ kann es z. B. durch eine verhaltensbedingte Entlassung aber auch durch die Insolvenz eines Unternehmens kommen.

 

Angesichts der bisherigen Forschung im Themengebiet Lebenslauflücken ist es in der Regel nicht zu rechtfertigen, Lücken als Ausschlusskriterium in der Vorauswahl zu verwenden; diese Einschätzung beschränke ich jedoch auf vom Kandidaten offenbarte Lücken. Sofern Lücken – trotz Aufforderung einen lückenlosen Lebenslauf einzureichen – übergangen, verheimlicht, vertuscht, verdeckt werden, sind erhebliche Zweifel an der Integrität - folglich der charakterlichen Eignung - des Kandidaten gerechtfertigt.

 

Die richtige Stelle, um Lebenslauflücken im Auswahlverfahren zu hinterfragen und zu bewerten, ist das Auswahlinterview. Die Bewertung sollte dabei in Bezug auf das Anforderungsprofil erfolgen.

 

 

Herzlichst

Ihr

Andreas Gourmelon

 

 

Quelle:

Frank, F.; Wach, D. & Kanning, U. P. (2017). Zusammenhang zwischen Lücken im Lebenslauf und Berufserfolg. Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, 61 (2), 69 – 80.

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1 Kommentar zu diesem Beitrag
kommentiert am 11.10.2017 um 08:49:
Sorry, aber diese Herangehensweise in sprachlicher wie inhaltlicher Hinsicht empfinde ich als altmodisch. Wenn jemand eine wissenschaftliche Arbeit zu diesem Thema schreibt, um sich in Statistik zu entwickeln, bitteschön. Aber für die Praxis der Auswahl und Entwicklung von Mitarbeitern ist das Konzept der Fähigkeiten, der Anforderungen und des Teams das entscheidende.
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