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Wie wichtig ist zukünftig der sichere Job?

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Liebe Leserinnen und Leser,

die Spatzen pfeifen es von den Dächern: aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Anzahl potenzieller Nachwuchskräfte in naher Zukunft deutlich sinken (Statistische Ämter des Bundes und der Länder, 2011, S. 8). Insofern ist es richtig, wenn wir uns intensiv Gedanken darüber machen, wie in Zukunft junge Menschen für eine Tätigkeit im öffentlichen Sektor gewonnen werden können. In den letzten Jahren ist zu beobachten, dass die Werbemaßnahmen öffentlicher Institutionen immer besser werden. Paradebeispiele für gelungene Werbeaktionen sind die Kampagne des Städteverbands Schleswig-Holstein (www.berufe-sh.de) oder die Webpräsenz C!you (http://www.cyou-startlearning.hamburg.de/zaf/index.php) der Freien und Hansestadt Hamburg, die in moderner Weise Werbung und Auswahl miteinander verbindet.

Was sind die Motive für die Berufswahl?

Zu einem effektiven Personalmarketing gehört es auch zu wissen, weshalb sich junge Menschen für oder gegen bestimmte Berufe und Arbeitgeber entscheiden. Hierzu gibt es eine Reihe von Studien. Als Fazit dieser Studien kann festgehalten werden:  die Sicherheit des Arbeitsplatzes und der Spaß am Beruf sind für Jugendliche und junge Erwachsene entscheidende Berufswahlmotive (Schöbel, 2013, S. 35 f). Gerade das Motiv Arbeitsplatzsicherheit führte dazu, dass in den letzten Jahrzehnten Verwaltungen und Behörden als attraktive Arbeitgeber wahrgenommen wurden und so in der Regel eine befriedigend hohe Anzahl von Bewerbern zur Verfügung stand. Denn mit dem Merkmal „sicherer Job“ konnte der öffentliche Dienst am Arbeitsmarkt punkten.

Vollbeschäftigt?

Aber inwieweit wird das Berufswahlmotiv durch die Arbeitsmarktlage beeinflusst? Und was passiert, wenn sich der Arbeitsmarkt grundlegend ändert? Schöbel führt zutreffend aus, dass es den Jugendlichen in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit wichtig ist, den Beruf langfristig ausüben zu können. Aber bleibt die Arbeitslosigkeit hoch? Der Volkswirt Paqué vertritt hierzu die These, Deutschland stehe vor einem grundsätzlichen Wandel am Arbeitsmarkt. So wie in den Jahren 1955 bis 1970 sei am deutschen Arbeitsmarkt demnächst Vollbeschäftigung zu erwarten. Und tatsächlich lassen sich derzeit im süddeutschen Raum Anzeichen einer Vollbeschäftigung erkennen.

Bleibt die Furcht vor Arbeitslosigkeit?

Mindestens seit dreißig  Jahren ist Arbeitslosigkeit und deren Bekämpfung ein gesellschaftspolitisches Thema. Viele von uns haben ihr berufliches Engagement unter dem Schatten drohender Arbeitslosigkeit entwickelt. Und vielleicht hat deswegen auch das Sicherheitsmotiv einen so hohen Stellenwert im Rahmen der beruflichen Karriere gewonnen. Aber nehmen wir mal an, Paqués These sei zutreffend. Die nachkommende Generation würde im Bewusstsein aufwachsen, an Arbeitsplätzen und Jobs gebe es keinen Mangel. Ist dann das Motiv der Arbeitsplatzsicherheit noch entscheidend? Ich denke nicht! Dieses Berufswahlmotiv würde entscheidend an Bedeutung verlieren. Damit wäre das Alleinstellungsmerkmal „sicherer Job“ des öffentlichen Dienstes deutlich entwertet. Wenn die Jugend vom Druck der Arbeitslosigkeit entlastet wäre, könnte  ein Wertewandel einsetzen: verstärkte Realisierung von künstlerischen, sozialen, politischen Interessen, geringere Leistungsbereitschaft für fremdbestimmte Aktivitäten. Die Konsequenz unseres Gedankenexperiments lautet insgesamt: für die Institutionen des öffentlichen Sektors wäre es noch schwieriger, im „war for talents“ erfolgreich zu sein.

Folgen für das Personalmarketing

Das Personalmarketing müsste sich in einer derartigen Arbeitsmarktsituation noch intensiver damit beschäftigen, festzustellen, was sich hinter dem weiteren wichtigen Berufswahlmotiv „Spaß im Beruf“  eigentlich genau verbirgt. Meine Vermutung ist, dass hier sehr individuelle Interessen stecken. Dem einen macht es eben Spaß, mit Menschen umzugehen und zu kommunizieren, der andere setzt sich lieber mit abstrakten Ideen auseinander. Wir werden unsere Berufe und Tätigkeiten im Hinblick auf verschiedene Interessen analysieren müssen und anschließend entscheiden, welche Interessen sich am ehesten mit unseren Jobs im öffentlichen Sektor realisieren lassen. Ein weiterer Schritt wird sein, nach Interessen gegliederte Zielgruppen zu identifizieren und das employer branding zielgruppenadäquat zu gestalten. Übrigens: eine nützliche Klassifikation von beruflichen Interessen bietet das Modell von Holland (Bergmann, 2007).

Um ehrlich zu sein: auch wenn es für die Arbeitgeber im öffentlichen Sektor schwieriger wird, neues Personal anzuwerben – nicht nur für meine Kinder wünsche ich mir den von Paqué vorhergesagten Wandel am Arbeitsmarkt. Und auf die Herausforderungen eines noch professionelleren Personalmarketings freue ich mich auch.

Herzlichst
Ihr Andreas Gourmelon


Bergmann, C. (2007). Berufliche Interessen und Berufswahl. In H. Schuler & K. Sonntag, Handbuch der Arbeits- und Organisationspsychologie, S. 413 – 420. Göttingen: Hofgrefe.

Schöbel, S. (2013). Berufswahlmotive von Abiturienten. Thesisarbeit. Gelsenkirchen: Fachhochschule für öffentliche Verwaltung NRW.

Statistische Ämter des Bundes und der Länder (2011). Demografischer Wandel in Deutschland – Heft 1.

https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsvorausberechnung/Bevoelkerungsvorausberechnung.html (Abruf am 5. Juli 2013).

Paqué, K.-H. (2012). Vollbeschäftigt – das neue deutsche Jobwunder. München: Hanser.

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