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Angebotserstellung nur mit Windows?

Nach einem Urteil des OLG Köln vom 7.2.2024 ist es nicht zu beanstanden, wenn ein Auftraggeber für die Bearbeitung des Leistungsverzeichnisses eine Software vorgibt, die wiederum das Betriebssystem Windows voraussetzt.

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Der Fall

In dem Zivilprozess verlangt die Klägerin vom beklagten Auftraggeber Ersatz entgangenen Gewinns wegen Nichtberücksichtigung bei der Vergabe eines Bauauftrages (unterhalb der EU-Schwellenwerte).

Nach den Ausschreibungsbedingungen konnten Angebote elektronisch in Textform eingereicht werden. In der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots waren Anlagen aufgelistet, „die, soweit erforderlich, ausgefüllt mit dem Angebot einzureichen“ waren, und zwar unter anderem „Angebotsschreiben Teile der Leistungsbeschreibung: Leistungsverzeichnis/Leistungsprogramm als GAEB-Datei im Format d.84 oder x.84“.

Die Klägerin gab das günstigste Angebot ab. Dabei reichte sie die Angebotsunterlagen jedenfalls vollständig im PDF-Format ein. Der Beklagte schloss das Angebot der Klägerin von der Prüfung aus, da es nicht in Form einer GAEB-Datei eingereicht worden sei.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin Ersatz des Gewinns, der ihr durch die Nichterteilung des Zuschlags auf ihr Angebot entstanden ist. Sie hält es für rechtswidrig, dass der Beklagte ihr Angebot von der Prüfung ausgeschlossen hat. Die für das GAEB-Programm bestehende Systemvoraussetzung eines Windows PC und das verwendete XML-Format seien nicht allgemein verfügbar und kompatibel i.S.v. § 11a Abs. 1 S. 1 VOB/A 2016.

Ley / Altus / Müller

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Die Entscheidung

Dem schloss sich das OLG Köln nicht: Sowohl das GAEB-Programm als auch Windows PCs oder das XML-Format seien allgemein verfügbar und mit allgemein verbreiteten Geräten kompatibel.

Das einheitliche Format GAEB (steht für Gemeinsamer Ausschuss Elektronik im Bauwesen) diene zum einfachen Austausch von Daten zwischen den am Bau Beteiligten. Dieses Format sei allgemein verfügbar und kompatibel, könne also von allen Menschen gegen ein marktübliches Entgelt erworben werden und sei mit üblicherweise verwendeten Geräten bzw. Programmen nutzbar.

Zwar möge dafür wiederum das Betriebssystem Windows eine Systemvoraussetzung sein. Auch Windows liege aber – wie allgemein bekannt – nicht außerhalb üblicher Standards, sondern werde üblicherweise verwendet und sei allen Menschen zugänglich gegen ein markübliches Entgelt. Ob die GAEB-Dateien auch mit den Betriebssystemen von Apple oder dem Betriebssystem Linux hergestellt und bearbeitet werden könnten, sei insoweit entgegen der Ansicht der Klägerin unerheblich. Allgemein verfügbar und kompatibel i.S.v. § 11a Abs. 1 S. 1 VOB/A 2016 sei jede am Markt frei verfügbare Standardlösung; unzulässig seien demgegenüber nur Sonderkonfigurationen, die besondere Programme oder besondere EDV-Fähigkeiten erforderten, die außerhalb üblicher Standards lägen und deshalb nur für einen eingeschränkten Kreis von Nutzern verwendbar seien. Rechtlich gefordert sei mithin nicht etwa, dass jeglicher EDV-Standard akzeptiert werde. Auch das XML-Format zähle zu den mit allgemein verbreiteter Hard- und Software kompatiblen Dateiformaten.

Nach alledem werde im vorliegenden Fall der Zugang zum Vergabeverfahren nicht i.S.v. § 11a Abs. 1 S. 2 VOB/A 2016 durch unzumutbare technische Hürden eingeschränkt.

Das vorliegende Urteil erging zwar in einem Verfahren nach der VOB/A, die Erwägungen sind aber auf Vergaben nach der VgV und der UVgO ohne weiteres übertragbar, zumal dort der Einsatz elektronischer Mittel noch stärker als im Baubereich priorisiert wird.

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Hinweis zum Verfahrensgang:

Das vorliegende Urteil ist nicht das erste Urteil, das vom OLG Köln in dieser Sache gesprochen wurde. In einem Grundurteil vom 25.8.2021 hatte das OLG Köln der Klage noch stattgegeben. Als Begründung hatte das Gericht angeführt, die Vorgabe des Beklagten zur Einreichung des Leistungsverzeichnisses in Form einer GAEB-Datei sei keine Festlegung einer Form i.S.d. § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A. Diese Vorschrift nenne als mögliche Formen nur die Schriftform und die elektronische Form, wobei bezüglich der elektronischen Form nach Wahl des Auftraggebers die Textform, eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder eine qualifizierte elektronische Signatur vorgesehen seien. Eine weitergehende Befugnis, bestimmte Dateiformate vorzugeben, lasse sich § 13 Abs. 1 Nr. 1 VOB/A hingegen nicht entnehmen, weshalb eine Nichtbeachtung entsprechender Anforderungen des Auftraggebers diesen nicht zur Angebotsausschließung nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A berechtige. Dieses Urteil hat der BGH in der Revision am 16.5.2023 aufgehoben und den Fall an das OLG Köln zurückverwiesen. Entgegen der Auffassung des OLG Köln könne der Auftraggeber gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A 2016 festlegen, mit welchen elektronischen Mitteln (§§ 11, 11a VOB/A) Angebote einzureichen seien. Zur „Form“ i.S.v. § 13 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 VOB/A 2016 gehörten auch die elektronischen Mittel i.S.v. §§ 11, 11a VOB/A 2016. Würden diese festgelegten Mittel nicht verwendet, sei das Angebot nicht formgerecht eingereicht und gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A 2016 auszuschießen.

Rudolf Ley

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