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Begründet eine positive Eignungsprüfung Vertrauensschutz?

Zwei diesjährige Beschlüsse des OLG Düsseldorf vom 5.3.2025  und des BayObLG vom 5.8.2025 geben Anlass, die Rechtsprechung zum Vertrauensschutz einer im Teilnahmewettbewerb positiv festgestellten Eignung eines Unternehmens näher zu betrachten.

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Nach § 42 Abs. 2 VgV fordert der Auftraggeber nur solche Bewerber zur Abgabe eines Angebotes auf, die im Teilnahmewettbewerb ihre Eignung nachgewiesen haben. Die Vorschrift gibt eine verbindliche Prüfungsreihenfolge für zweistufige Verfahren vor, d.h. die Eignung ist vor der Aufforderung zur Angebotsabgabe zu prüfen. Das auf die erfolgte Eignungsprüfung begründete Vertrauen des Bieters ist im weiteren Verfahren grundsätzlich schutzwürdig.

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Einmal geeignet, immer geeignet?

Bezüglich der Reichweite bzw. den Grenzen des Vertrauensschutzes besteht in folgenden Punkten weitgehende Einigkeit:

  • Mit einer positiven Eignungsprüfung im Teilnahmewettbewerb und der Zulassung zum weiteren Verfahren wird ein Vertrauenstatbestand zu Gunsten der zugelassenen Unternehmen begründet. Sie müssen in der Regel nicht mehr damit rechnen, dass der durch die Angebotserstellung und die Teilnahme am Wettbewerb entstandene Aufwand deshalb nachträglich nutzlos wird, weil der Auftraggeber ihre Eignung auf gleichbleibender Tatsachengrundlage später abweichend beurteilt und sie vom Verfahren ausschließt (BGH, Beschluss vom 7.1.2014).
  • Ein solcher Vertrauenstatbestand wird aber nicht in jedem Fall, sondern nur dann begründet, wenn die Tatsachengrundlage, auf die der Auftraggeber seine positive Eignungsprüfung gestützt hat, nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs unverändert geblieben ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5.3.2025, s.o.). Ändern sich hingegen die Tatsachen, die der Beurteilung der Eignung im Teilnahmewettbewerb zugrunde lagen, besteht kein Vertrauensschutz.
  • An einem Vertrauenstatbestand fehlt es auch dann, wenn noch keine abschließende Eignungsprüfung stattgefunden hat, etwa weil der Bieter bis zum Abschluss des Teilnahmewettbewerbs nicht alle zur abschließenden Prüfung seiner Eignung erforderlichen Unterlagen eingereicht hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5.3.2025, s.o.). Wer weiß, dass dem Auftraggeber im Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung zum weiteren Verfahren die Grundlage für eine abschließende Prüfung seiner Eignung fehlte, kann legitimerweise kein Vertrauen in die Beurteilung seiner Eignung bilden.
  • Zudem ist der Auftraggeber nicht verpflichtet, einem ungeeigneten Bieter unter Verstoß gegen Art. 29 Abs. 7, Art. 56 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU und § 122 GWB den Zuschlag zu erteilen. Ihm ist die Korrektur eigener Fehler nicht abgeschnitten, wenn er nach Abschluss des Teilnahmewettbewerbs feststellt, dass er die Eignung eines Teilnehmers trotz Kenntnis des kompletten Sachverhalts vergaberechtsfehlerhaft bejaht hat (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 5.3.2025, s.o.). Allerdings dürfte aufgrund des mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe gesetzten Vertrauenstatbestands dem Bieter, dessen Eignung im Nachhinein verneint wird, ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen für die frustrierten Angebotserstellungskosten zustehen (Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 1.3.2018). Noch weiter geht die Vergabekammer Baden-Württemberg (Beschluss vom 20.11.2024, 1 VK 67/24, nicht amtlich veröffentlicht), die aus § 122 Abs. 1 GWB und Art. 29 Abs. 7 der Richtlinie 2014/24/EU sogar eine verbindliche Verpflichtung für den Auftraggeber ableitet, vor Zuschlagserteilung erneut in die Eignungsprüfung einzutreten und die vorherige Entscheidung zu überprüfen.
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Vertrauensschutz versus Rechtsschutz?

Uneinheitlich beurteilt wird hingegen, ob ein Mitbieter im Nachprüfungsverfahren die bereits im Teilnahmewettbewerb fehlerhaft bejahte Eignung eines Konkurrenten angreifen kann oder ob auch dem der Vertrauensschutz entgegensteht.

  • Das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 29.3.2021) vertritt die Auffassung, dass Mitbieter einen Vergaberechtsverstoß, der in der fehlerhaften Bejahung der Eignung eines Unternehmens am Ende des Teilnahmewettbewerbs liege, ab der Begründung des Vertrauenstatbestands hinzunehmen hätten. Das Gericht deutete an, dass Ausnahmen von diesem Grundsatz dann gelten könnten, wenn Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die fehlerhafte Bejahung der Eignung auf sachfremden, manipulativen Erwägungen beruhe, die mit den Grundsätzen des fairen Wettbewerbs und der Gleichbehandlung unvereinbar seien, ließ dies aber im konkreten Fall offen. Aus Sicht des Gerichts (Beschluss vom 5.3.2025, Verg 33/24) bedeute diese Position keine Versagung des vergaberechtlichen Primärrechtsschutzes und stelle damit keinen Verstoß gegen § 97 Abs. 6 GWB, Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 1 Abs. 3 und Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2007/66/EG dar. Es bliebe den Bietern unbenommen, bereits während des Teilnahmewettbewerbs die Eignung anderer Mitbewerber zu rügen. Zwar sei eine Rüge "ins Blaue hinein" unzulässig. Die erforderliche Tatsachenkenntnis könne jedoch, sollte sie nicht bereits aufgrund der Marktkenntnisse vorliegen, nötigenfalls durch Akteneinsicht in Erfahrung gebracht werden.
  • Aus Sicht des BayObLG (Beschluss vom 5.8.2025, s.o.) ist dies nicht unbedenklich, da die interessierten Unternehmen im Teilnahmewettbewerb nicht darüber in Kenntnis gesetzt würden, welche anderen Unternehmen sich am Wettbewerb beteiligen. Der zum Wettbewerb zugelassene Bieter erfahre erst mit dem Informationsschreiben nach § 134 GWB, welches andere, nunmehr für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen als geeignet beurteilt und zur Angebotsabgabe aufgefordert wurde. Zu diesem Zeitpunkt sei die Eignungsprüfung des Auftraggebers jedoch bereits abgeschlossen, so dass der unterlegene Bieter nach der dargelegten Rechtsprechung keine Einwände gegen die Eignung des Zuschlagsprätendenten mehr erheben könne. Er müsse damit letztlich hinnehmen, dass ein Unternehmen den Zuschlag erhält, das die vorgegebenen Eignungsanforderungen nicht erfüllt, ohne dass er im Vergabeverfahren Gelegenheit gehabt hätte, dies geltend zu machen. Ob dies mit der Garantie des effektiven Rechtsschutzes nach Art. 1 Abs. 2 und Art. 2 Abs. 1 der RL 2007/66/EG vereinbar ist, ließ das Gericht im konkreten Fall offen.
  • Für die Vergabekammer Baden-Württemberg (Beschluss vom 20.11.2024, s.o.) ist der Ausschluss des Rechtsschutzes für andere Bieter nach Art 1 Abs. 3 und 2 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 der RL 2007/66/EG und Art. 19 Abs. 4 GG rechtlich nicht haltbar. Dies würde den gesetzlich garantierten Rechtsschutz der Mitbieter ausschließen, obwohl das europäische Recht im Gegenteil sogar eine effektive Umsetzung des Rechts fordere (effet utile). Die Vergabekammer führt weiter aus, dass ein Vertrauensschutz mit Bindungswirkung für das Vergabeverfahren mit höherrangigem Recht nach § 122 Abs. 1 GWB und Art. 29 Abs 7 S. 2 RL 2014/24/EU nicht vereinbar sei. Der nicht in einem formellen Gesetz kodifizierte Vertrauensschutz könne insoweit keine zwingenden gesetzlichen Vergabevorschriften leerlaufen lassen.

Verfasser: Rudolf Ley

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