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„Ca.“-Angaben in der Leistungsbeschreibung

Die Vergabekammer des Bundes hat mit Beschluss vom 17.10.2025 entschieden, dass die Angabe von „ca.“-Maßen in der Leistungsbeschreibung jedenfalls dann nicht gegen das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung verstößt, wenn entsprechende Angaben durch Toleranzbereiche konkretisiert werden. Dies kann auch durch den Verweis auf einschlägige DIN-Normen geschehen.

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Der Fall

Die Antragsgegnerin (AG) führt ein europaweites offenes Verfahren zur Lieferung von Stahlblech-Bekleidungsschränken in vier Losen durch. Unter der Rubrik „Zubehör“ war für die Lose 1 bis 3 jeweils ein Unterbau mit Sitzbank in einer Höhe von „ca. 400 mm“ gefordert; bezüglich zulässiger Toleranzen wurde auf DIN 4547-1, Ziffer 4.3 verwiesen. Diese Norm sieht für Sitzbänke eine Höhe von 400 mm mit einer Toleranz von +50 mm vor, während eine Unterschreitung der Mindesthöhe nicht zulässig ist.

Für Los 4 wich die AG von dieser Vorgabe ab und verwies für den Unterbau auf Ziffer 4.5 der DIN. Danach beträgt die zulässige Toleranz für die Sitzbankhöhe (400 mm) ±50 mm und erlaubt damit auch Abweichungen nach unten.

Die Antragstellerin (ASt) reichte für jedes Los fristgerecht ein Angebot ein. Die AG informierte die ASt darüber, dass ihre Angebote nicht berücksichtigt werden könnten, da eine Differenz zu dem geforderten Mindestmaß von 400 mm (Toleranz +50 mm gemäß DIN 4547-1) bestehe.

Nachdem die AG einer gegen den Ausschluss gerichteten Rüge der ASt nicht abgeholfen hatte, leitete diese ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer des Bundes ein.

Ley / Altus / Müller

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Die Entscheidung

Die Vergabekammer wies den Nachprüfungsantrag für die Lose 1 bis 3 zurück, da die Angebote der ASt von der AG gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV zu Recht von der Wertung ausgeschlossen worden seien. Die Angebote entsprächen nicht den Vorgaben in den Vergabeunterlagen für die Höhe der Sitzbänke. Zu Los 4 (auch Unterschreitungen der Mindesthöhe zulässig) wurde das Verfahren für erledigt erklärt, da die AG ihre Wertung zwischenzeitlich korrigiert hat und nunmehr beabsichtigt, der ASt für dieses Los den Zuschlag zu erteilen

Die Vergabekammer stützt ihre Entscheidung zu den Losen 1 bis 3 im Wesentlichen auf folgende Erwägungen:

  • Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Vergabeunterlagen vorgenommen worden sind, werden gemäß § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV von der Wertung ausgeschlossen. Eine unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen liegt vor, wenn der Bieter nicht das anbietet, was der öffentliche Auftraggeber ausschreibt, sondern von den Vorgaben der Vergabeunterlagen abweicht.
  • Die Feststellung der Abweichung eines Bieterangebots von den in den Vergabeunterlagen gemachten Vorgaben setzt voraus, dass Gegenstand und Inhalt der Leistung eindeutig beschrieben sind. Die am Auftrag interessierten Unternehmen müssen klar erkennen können, wann jeweils die Grenze zu einer inhaltlichen Änderung der Leistungsanforderungen des Auftraggebers überschritten ist.
  • Zwar hat die AG im vorliegenden Fall alle Positionen des Leistungsverzeichnisses, die Maßangaben für Höhe/ Breite/ Tiefe enthalten, mit der Angabe „ca.“ versehen. Im direkten textlichen Anschluss an die „ca.“-Angaben hat sie jedoch in jeder dieser LV-Positionen einen Zusatz „Toleranzen gern. DIN 4547-1, Nr...." hinzugefügt. Nach Maßgabe von § 31 Abs. 2 Satz 1 Buchstabe e) VgV können die Merkmale des Auftragsgegenstand unter Bezugnahme auf nationale Normen beschrieben werden. Aufgrund der unmittelbaren Bezugnahme in den Leistungspositionen auf die Toleranzen nach DIN-Norm sind die Vorgaben vorliegend als hinreichend klar definiert anzusehen.
  • Eine lntransparenz der Anforderungen folgt auch nicht daraus, dass kein wörtlicher Abdruck der DIN-Texte vorgenommen wurde. Ein solcher – auch auszugsweiser – Abdruck ist nicht notwendig gewesen. Bei der in Bezug genommenen DIN-Norm handelt es sich gemäß § 31 Abs. 2 Satz 1 e) VgV i.V.m. Nr. 2c der Anlage 1 zur VgV um eine nationale Norm, die von einer nationalen Normungsorganisation angenommen wurde und der Öffentlichkeit zugänglich ist. Dass DIN-Normen aufgrund der Urheberrechte der Normungsorganisation nur gegen Entgelt erhältlich sind, verstößt nicht gegen Vergaberecht. Im Übrigen kann davon ausgegangen werde, dass die ASt als Herstellerin entsprechender Produkte in ihrem Geschäftsbetrieb über die Texte in ihrem Geschäftsbereich anwendbarer Normen verfüge. Die AG hat ferner darauf hingewiesen, dass es die Möglichkeit der Kenntnisnahme über bestimmte öffentliche Auslegepunkte gibt.

Die ASt hat gegen die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes sofortige Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt.

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Fazit

Die Verwendung von „ca.“-Maßen kann zwar im Vergleich zu festen Maßen besser geeignet sein, die Leistungsbeschreibung produkt- und herstellerneutral zu formulieren. Im Lichte des Transparenzgrundsatzes ist sie jedoch problematisch, da für die Bieter nicht ohne weiteres erkennbar ist, welche Abweichungen noch unter die „ca.“-Angabe subsumiert werden können (Vergabekammer Sachsen, Beschluss vom 25.6.2019, 1 / SVK / 013 – 19). Somit kann es an einer transparenten Grundlage für den Wettbewerb fehlen (Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 16.3.2015, VK 2 - 9 / 15). Auch wenn das OLG Düsseldorf (Beschluss vom 25.4.2012, VII-Verg 61/11) ausgeführt hat, dass bei ca.-Angaben Abweichungen bis zu einer Größenordnung von 10 % nach der allgemeinen Verkehrsauffassung tolerabel seien, sollte der Auftraggeber Toleranzbereiche mit Mindest- und Maximalabweichungen definieren, um seiner Verpflichtung zur eindeutigen Leistungsbeschreibung nachzukommen. Dies kann – wie die Vergabekammer des Bundes jetzt festgestellt hat – auch durch die Bezugnahme auf DIN-Normen erfolgen. Vermisst ein Bieter in den Vergabeunterlagen entsprechende Toleranzgrenzen oder andere konkretisierende Angaben, weil er sonst für die Erstellung seines Angebotes auf eine eigene Definition zurückgreifen muss und damit ggf. den Ausschluss seines Angebots riskiert, sollte er zu der ca.-Angabe eine Bieterfrage stellen oder ggf. eine Rüge anbringen. Anderenfalls läuft er Gefahr, dass ein späterer Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen wird (OLG Naumburg, Beschluss vom 25.9.2008, 1 Verg 3/08 (1)).

Verfasser: Rudolf Ley

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