Das OLG München hat mit Urteil vom 11.11.2024 festgestellt, dass eine Kommunikation über WhatsApp einer vertraglich vereinbarten Schriftform genügt und dass dabei verwendete Emojis als Willenserklärung ausgelegt werden können.
Das Urteil vom OLG München zeigt exemplarisch, wie verbreitet die Kommunikation über Messengerdienste wie WhatsApp mittlerweile auch im Rechts- und Geschäftsverkehr ist. Und die Nutzung von Emojis ist längst nicht mehr auf die Kommunikation mittels WhatsApp beschränkt, sondern findet sich auch in der E-Mail-Kommunikation von Behörden. Da auf den staatlichen Einkauf die Vorschriften des Privatrechts (insbesondere also das BGB) anwendbar sind, ist das Urteil auch bei der Vergabe öffentlicher Aufträge von Interesse.
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Der Fall
In dem Fall ging es um den Verkauf eines Sportwagens. Im Kaufvertrag war als Liefertermin das „2./3. Quartal 2021 (unverbindlich)“ vereinbart. Der Käufer (Kläger) durfte den Verkäufer (Beklagter) laut Vertrag erst anmahnen, wenn dieser unverbindliche Liefertermin um zwei Quartale überschritten ist. Außerdem war im Kaufvertrag geregelt, dass Änderungen und Ergänzungen des Vertrages zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform bedürfen.
Die Parteien führten in der Folge eine umfangreiche Konversation mittels Textnachrichten über den Messengerdienst WhatsApp. Der Verkäufer teilte dem Käufer im September 2021 mit, dass sich der Liefertermin auf das erste Halbjahr 2022 verschiebe, worauf der Käufer mit „Ups 😬“ antwortete. Auf die Nachfrage des Käufers, ob es vom Hersteller eine schriftliche Bestätigung der Bestellung gebe, erwiderte der Verkäufer, dass der Wagen fest bestellt sei. Daraufhin schickte der Käufer folgenden Emoji: „👍“.
Als der Käufer im Januar 2022 fragte, wann mit dem Auto zu rechnen sei, antwortete der Verkäufer, dass die Abwicklung nun in der Woche ab dem 9.5. stattfinden könne und fragte, ob dies dem Käufer passe. Der Käufer antwortete: „Passt.“
Am 9.5.2022 teilte der Verkäufer mit, dass der Wagen wegen technischer Probleme doch noch nicht ausgeliefert werden könne. Daraufhin setzte der Käufer eine letzte Lieferfrist bis zum 24.5.2022. Danach behalte er sich vor, vom Vertrag zurückzutreten, was er am 1.6.2022 dann auch tat. Der Käufer forderte nun vom Verkäufer die Rückerstattung der von ihm getätigten Anzahlung in Höhe von knapp 60.000 Euro.
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Die Entscheidung
Das OLG München gab dem Käufer Recht. Der Käufer habe mit Schreiben vom 1.6.2022 wirksam sein Rücktrittsrecht nach § 349 BGB ausgeübt. Zu diesem Zeitpunkt habe dem Käufer aufgrund § 323 BGB ein Rücktrittsrecht zugestanden, da der Verkäufer seine fällige Leistung nicht erbracht habe. Aufgrund des Kaufvertrages sei die Pflicht des Verkäufers zur mangelfreien Übergabe und Übereignung des Pkw nach § 433 Abs. 1 S. 1, 2 BGB mit Ablauf des 31.3.2022 (Ende 3. Quartal 2021 plus 2 Quartale) fällig gewesen. Aus dem Chatverlauf der Parteien lasse sich keine einvernehmliche Lieferfristverlängerung bis 30.6.2022 entnehmen.

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WhatsApp-Nachrichten als Schriftform i.S.v. § 127 Abs. 2 S. 1 BGB
Zunächst schließt sich das OLG München der Auffassung an, dass die Voraussetzungen der vertraglich vereinbarten (sog. gewillkürten) Schriftform nach § 127 Abs. 2 S. 1 BGB auch bei der Übermittlung einer Textnachricht oder eines Attachments in Gestalt einer Textverarbeitungs- oder PDF-Datei oder eines ausreichend guten Fotos per WhatsApp zu bejahen seien. Dies gelte allerdings nicht für eine WhatsApp-Sprachnachricht oder ein Video- oder Audio-Attachment.
Die Einwände der gegenteiligen Auffassung (z.B. OLG Frankfurt, Urteil vom 21.12.2023, 15 U 211/21) seien nicht stichhaltig. Die Dauerhaftigkeit und Reproduzierbarkeit sei bei WhatsApp-Nachrichten oder -Attachments in der vorgeschilderten Form gegeben. Dabei sei zum einen zu berücksichtigen, dass der Chatverlauf bei WhatsApp – soweit diese Funktion nicht ausgeschaltet sei – regelmäßig per Backup in der Cloud gesichert werde, also dauerhaft gespeichert werde. Zum anderen könnten – abgesehen von der nur kurzzeitig für ein eng begrenztes Zeitfenster nach dem Versand für den Absender eröffneten Option „Für alle löschen“ – die Nachrichten den Empfängern nicht mehr „entrissen“ werden. Die Reproduktion sei sowohl physisch durch (screenshot- oder exportbasierten) Ausdruck möglich als auch digital durch Weiterleiten der Nachricht.
Emojis als Willenserklärung
Unabhängig von der Frage, ob die Voraussetzungen des § 127 Abs. 2 S.1 BGB erfüllt sind, ist dem Chatverlauf der Parteien nach Meinung des Gerichts jedoch keine Zustimmung des Käufers, insbesondere nicht mit den von ihm verwendeten Emojis, zu einer Lieferfristverlängerung bis zum 30.06.2022 zu entnehmen.
Zwar könne der Erklärende seinen Willen mittels Zeichen kundtun, also auch per Emoji. Emojis erfüllen laut Urteil im digitalen Diskurs ähnliche Funktionen wie Intonation, Gestik, Mimik und andere körpersprachliche Elemente in realen Gesprächen. Ob der Verwender von Emojis einen Rechtsbindungswillen zum Ausdruck bringen oder lediglich seine Stimmungs- oder Gefühlslage mitteilen möchte, sei aber eine Frage der Auslegung.
Es sei daher zu fragen, wie ein verständiger Empfänger der Nachricht die Willenserklärung nach §§ 133, 157 BGB verstehen durfte. Der Grimasse schneidende Emoji 😬 zusammen mit „Ups“ ist laut OLG nicht als Zustimmung für eine Lieferfristverlängerung auszulegen. Das Gericht bezieht sich dabei auf das Emoji-Lexikon Emojipedia, demzufolge das Grimasse schneidende Emoji grundsätzlich negative oder gespannte Emotionen darstelle. Auch „Ups“ sei keinesfalls als Zustimmung einzuordnen, allenfalls als Ausruf oder Überraschung.
Die Verwendung des Emojis 👍 in einer späteren Nachricht des Käufers stelle ebenso keine Zustimmung zu einer Verlängerung der Lieferfrist dar. Zwar signalisiere der sog. „Daumen hoch“-Emoji laut des Emoji-Lexikon und in Übereistimmung mit dem überwiegenden Verständnis dieser Geste bei physischer Verwendung regelmäßig Zustimmung, Einverständnis oder Anerkennung. Die Nachricht habe sich aber ersichtlich nicht auf den Liefertermin, sondern auf die Umstände der Verbindlichkeit der Bestellung des Pkw und dessen Konfiguration bezogen.
Aus dem sonstigen Chatverlauf sei ebenfalls keine Zustimmung des Käufers zur Verlängerung der Lieferfrist erkennbar. Entsprechend sei der Käufer wirksam zurückgetreten, er erhält die Anzahlung zurück.
Verfasser: Rudolf Ley