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Inhouse-Vergabe: VK Bund zur dienststellenähnlichen Kontrolle und zum Wesentlichkeitskriterium

Die Vergabekammer des Bundes hat mit Beschluss vom 29. Juli 2024 entschieden, dass die für eine Inhouse-Vergabe erforderliche dienststellenähnliche Kontrolle über eine juristische Person (§ 108 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Nr. 1 GWB) voraussetze, dass sich deren beschlussfassende Organe ausschließlich aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber zusammensetzen. Darüber hinaus müsse eine institutionelle Förderung bei der Anwendung der 80%-Regelung nach § 108 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 GWB (sog. Wesentlichkeitskriterium) außer Betracht bleiben.

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Der Fall

Die Auftraggeberin (Ag) veröffentlichte eine Freiwillige Ex-ante-Transparenzbekanntmachung nach § 135 Abs. 3 GWB, in der sie die Beauftragung der Beigeladenen (Bg) mit Forschungsdienstleistungen im Wege der Direktvergabe ankündigte. Der Bekanntmachung zufolge handele es sich um eine Inhouse-Vergabe, die nach § 108 Abs. 1, 4 und 5 GWB nicht dem Vergaberecht unterfalle.

Die Bg ist eine gemeinnützige Gesellschaft, deren satzungsgemäße Aufgabe es insbesondere ist, naturwissenschaftlich-technische Forschung und Entwicklung zu betreiben. Gesellschafter der Bg sind der Bund und das Land X. Bei der Bg ist ein Aufsichtsrat eingerichtet, der weitreichende Befugnisse hat, so entscheidet er beispielsweise über die wichtigen forschungsrelevanten und finanziellen Angelegenheiten der Gesellschaft. Der Aufsichtsrat der Bg besteht aus höchstens 12 Mitgliedern. Von diesen werden vier Mitglieder durch den Bund, zwei Mitglieder durch das Land entsandt. Fünf weitere Mitglieder werden von der Gesellschafterversammlung gewählt, zusätzlich ist der/die Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Bg Mitglied des Aufsichtsrats. Beschlüsse des Beirats werden mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst.

Die Einnahmen der Bg bestehen zu über 50% aus einer institutionellen Förderung, die die Bg vom Bund und dem Land zur Aufwandsdeckung des laufenden Betriebs und zur Realisierung von Investitionen aus Haushaltsmitteln erhält.

Die Antragstellerin, die die streitgegenständlichen Leistungen gegenwärtig für die Ag erbringt, strengte ein Nachprüfungsverfahren gegen die beabsichtigte Direktvergabe an die Bg mit der Begründung an, die Voraussetzungen für eine Inhouse-Vergabe nach § 108 GWB lägen nicht vor.

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Die Entscheidung

Die Vergabekammer des Bundes schloss sich dieser Auffassung an und untersagte der Ag, den Auftrag an die Bg zu vergeben.

Die Vergabekammer stützte ihre Entscheidung auf zwei tragende Argumente:

  • eine dienststellenähnliche Kontrolle über die juristische Person nach 108 Abs. 4 Nr. 1 i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 GWB setze voraus, dass sich deren beschlussfassende Organe ausschließlich aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber zusammensetzten. Der Begriff „ausschließlich“ finde sich zwar nicht im Wortlaut der Vorschrift. Die Verwendung dieses Zusatzes wäre aber auch überflüssig, da die Begrenzung auf Vertreter der teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber ohnehin selbstverständlich und schon vom gegebenen Wortlaut, nämlich dem Begriff „zusammensetzen“, gedeckt sei.

  • Darüber hinaus sei auch das Wesentlichkeitskriterium nach § 108 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2 GWB, wonach mehr als 80 % der Tätigkeit der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen muss, mit denen sie von den bzw. dem öffentlichen Auftraggeber/n betraut wurde, nicht erfüllt. Die institutionelle Förderung durch den Bund und das Land müsse dafür außer Betracht bleiben, denn eine solche Förderung stelle keine Gegenleistung für eine konkrete Tätigkeit dar. Das Betreiben von Wissenschaft und Forschung als generelle Zweckbestimmung der Bg stelle keine Aufgabenbetrauung im Sinne des § 108 GWB dar. Die institutionelle Förderung sei damit weder „Gesamtumsatz“ noch ein „anderer tätigkeitsgestützter Wert“ (i.S.d. § 108 Abs. 7 GWB).

Die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes ist nicht bestandskräftig, da die Ag Beschwerde beim OLG Düsseldorf eingelegt hat.

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Hinweise des Verfassers:

Aus der Entscheidung der Vergabekammer des Bundes ergibt sich nicht, um welches konkrete Vergabeverfahren es sich handelt. Nach Recherchen des Verfassers scheint es sich aber um die Vergabe einer sog. Projektträgerschaft durch ein Bundesministerium zu handeln. Da die Einschaltung eines Projektträgers zur Umsetzung von Forschungs- und Innovationsprogrammen weit verbreitet ist, kommt der Entscheidung der Vergabekammer des Bundes eine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu. Es ist daher zu begrüßen, dass die zugrunde liegenden Rechtsfragen durch das OLG Düsseldorf geklärt werden.

Zum gleichen Vergabeverfahren hat die Vergabekammer des Bundes ebenfalls mit Beschluss vom 29.7.2024 (VK 2-59/24) eine inhaltlich gleichlautende Entscheidung getroffen. Dieses Nachprüfungsverfahren wurde von einer Antragstellerin angestrengt, die in den Jahren 2017-2020 mit der Wahrnehmung der streitgegenständlichen Aufgabe beauftragt war.

Verfasser: Rudolf Ley

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