Jetzt amtlich: Neue Schwellenwerte ab dem 1. Januar 2018
Erreicht oder überschreitet der geschätzte Auftragswert den jeweiligen Schwellenwert, müssen öffentliche Aufträge bekanntlich europaweit ausgeschrieben werden. Die letzte Änderung erfolgte zum 1.1.2016. Die Änderungen erfolgen mittels EU-Verordnungen1, die jedoch nicht unmittelbar in den Mitgliedstaaten gelten, sondern lediglich die entsprechenden Artikel der jeweiligen EU-Richtlinie ändern, die die Schwellenwerte ursprünglich festlegten.2
Eine Umsetzung der geänderten Richtlinienartikel in deutsches Recht ist jedoch nicht mehr erforderlich, da § 106 Abs. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bestimmt, dass sich die jeweiligen Schwellenwerte aus den jeweiligen Artikeln der Richtlinien ergeben (dynamische Verweisung).
Nicht betroffen von der Anpassung ist der Schwellenwert für soziale und besondere Dienstleistungen. Er bleibt unverändert bei 750 000 Euro.
Tabellarischer Überblick über die neuen Schwellenwerte
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Auftragsart |
alt |
neu |
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Bauaufträge |
5.225.000 € |
5.548.000 € |
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Liefer- und Dienstleistungsaufträge |
209.000 € |
221.000 € |
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Liefer- und Dienstleistungsaufträge (Sektorenbereich, Verteidigung/Sicherheit) |
418.000 € |
443.000 € |
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Liefer- und Dienstleistungsaufträge (obere und oberste Bundesbehörden) |
135.000 € |
144.000 € |
Hintergrund dieser Änderungen im 2-Jahres-Rhythmus ist das GPA (Government Procurement Agreement), eine Vereinbarung der Europäischen Union (und ihrer Mitgliedstaaten, die alle als eine Partei unter das Abkommen fallen) und weiterer 19 Mitglieder der Welthandelsorganisation über die diskriminierungsfreie, transparente und rechtsstaatliche Vergabe von öffentlichen Aufträgen. In dieser Vereinbarung ist die Auftragshöhe, ab der die Regeln gelten sollen, die sogenannten Schwellenwerte, in Sonderziehungsrechten (SZR) festgeschrieben. Zum Ausgleich der Kursschwankungen zwischen SZR und Euro werden die EU-Schwellenwerte von der Kommission alle zwei Jahre überprüft und bei Bedarf geändert.
Die vom Internationalen Währungsfonds (IWF) eingeführte Währungseinheit SZR ist eine künstliche Währung und wird durch einen Währungskorb wichtiger Weltwährungen. Bis September 2016 waren dies in unterschiedlicher Gewichtung der US Dollar, der Euro, das Pfund Sterling und der Yen.
Am 30. November 2015 beschloss der Exekutivrat des IWF, mit Wirkung ab 1. Oktober 2016 erstmals zusätzlich den chinesischen Renminbi (Yuan) aufzunehmen. Der Renminbi erhält eine Gewichtung von 10,9 %, der Euro sinkt dadurch auf 30,9 % (bisher 34%), das Pfund auf 8,1 %, der US-Dollar auf 41,7 % und der Yen auf 8,3 %. Dieser Neugewichtung des Euro im Währungskorb SZR führte zwangsläufig auch zu einer Neuanpassung der EU-Schwellenwerte.
Auch Beschaffungsverfahren, die den Schwellenwert nicht erreichen, finden allerdings nicht in einem europarechtsfreien Raum statt. Vielmehr haben Auftraggeber auch im Unterschwellenbereich die fundamentalen Regeln des EU-Primärrechts (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – AEUV) zu beachten, sofern ein grenzüberschreitendes Interesse am Auftrag zu bejahen ist (sog. binnenmarktrelevante Aufträge). Die Auftraggeber haben dabei das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und die „grundlegenden Vorschriften“ des Unionrechts zu berücksichtigen, zu denen vor allem diejenigen über die Freiheit des Warenverkehrs, die Dienstleistungsfreiheit und das Niederlassungsrecht, sowie die daraus abgeleiteten Grundprinzipien, insbesondere die Grundsätze der Gleichbehandlung, der Verhältnismäßigkeit und der Transparenz zählen.
In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haben sich mittlerweile objektive Kriterien herausgebildet, die auf das Bestehen eines grenzüberschreitenden Interesses hindeuten können. So stellt der EuGH auf ein „gewisses Volumen“ des fraglichen Auftrags in Verbindung mit dem Leistungsort (z. B. Grenznähe) oder technischen Merkmale (z. B. IT-Leistungen einer international gängigen Marke) des Auftrags ab. Auch das Vorliegen von Beschwerden von in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Unternehmen sei ein Indiz für eine Binnenmarktrelevanz eines Auftrags, wenn diese Beschwerden real und nicht rein fiktiv seien.
Einzelheiten zur Vergabe binnenmarktrelevante Aufträge finden Sie im Vergabehandbuch für Lieferungen und Dienstleistungen, das im Rehm-Verlag erschienen ist.
Autor: Michael Wankmüller
1 ABl. L 337 vom 19. Dezember 2017, S. 17, 19, 21, 22
Delegierte Verordnung (EU) 2017/2364 der Kommission vom 18. Dezember 2017 zur Änderung der Richtlinie 2014/25/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren
Delegierte Verordnung (EU) 2017/2365 der Kommission vom 18. Dezember 2017 zur Änderung der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren
Delegierte Verordnung (EU) 2017/2366 der Kommission vom 18. Dezember 2017 zur Änderung der Richtlinie 2014/23/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren
Verordnung (EU) 2017/2367 der Kommission vom 18. Dezember 2017 zur Änderung der Richtlinie 2009/81/EG des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf die Schwellenwerte für Auftragsvergabeverfahren
2 Artikel 4 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 15 der Richtlinie 2014/25/EU, Artikel 8 der Richtlinie 2014/23/EU und Artikel 8 der Richtlinie 2009/81/EG


