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Laufender Auftrag als Referenz

Das OLG Jena hat mit Beschluss vom 19.2.2025 (Verg 10/24) festgestellt, dass ein als Referenz benannter Auftrag noch nicht vollständig ausgeführt sein muss. Der Beschluss enthält darüber hinaus hilfreiche praxisrelevante Hinweise zur Vergleichbarkeit von Referenzen, zur Aufklärung von ungewöhnlich niedrigen Preisen und zur Heilung von Dokumentationsmängeln.

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Der Fall

Der Antragsgegner (Ag) schrieb einen Dienstleistungsauftrag über den Winterdienst und die Störungsbeseitigung auf Bundes- und Landesstraßen im Rahmen eines offenen Verfahrens europaweit aus. Der Ag benannte in der Auftragsbekanntmachung die für die Bieter geltenden Eignungskriterien und die von ihnen zu erbringenden Angaben und Nachweise. So verlangte er unter der Rubrik „Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit“ u.a. die Vorlage von Referenzen über die Erbringung vergleichbarer Leistungen im Winterdienst und in der Störungsbeseitigung. Der Ag teilte der Antragstellerin (ASt) mit, dass er beabsichtige, den Zuschlag auf das Angebot des Beigeladenen (Bg) zu erteilen. Die ASt rügte dies als vergaberechtswidrig. Der Ag half dieser Rüge nicht ab.

Die von der ASt angerufene Vergabekammer gab dem Nachprüfungsantrag statt. Zur Begründung führte die Kammer aus, es könne nicht festgestellt werden, ob der Bg in den letzten drei Jahren vergleichbare Leistungen erbracht habe, da es an einer Prognoseentscheidung des Ag fehle, zumindest sei diese nicht dokumentiert. Außerdem sei der Ag seiner Preisaufklärungspflicht nach Maßgabe der §§ 60 Abs. 1 und 2 VgV, 9 Abs. 2 ThürVgG bislang nicht vollständig nachgekommen und habe nur eine Teil-Preisaufklärung betrieben.

Ley / Altus / Müller

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Die Entscheidung

Die gegen die Entscheidung der Vergabekammer vom Ag und dem Bg beim OLG Jena eingelegte sofortige Beschwerde hatte Erfolg.

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Referenzen

Zunächst führte der Vergabesenat aus, dass der Bg seine Eignung nachgewiesen habe, indem er die geforderten Referenzen erbracht habe.

Bei dem Begriff „vergleichbare Leistung“ handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der anhand des Wortlauts der Vergabeunterlagen und vom Sinn und Zweck der geforderten Angaben unter Berücksichtigung des Wettbewerbs- und Gleichbehandlungsgrundsatzes auszulegen sei. Dabei bedeute die Formulierung „vergleichbar“ nicht „gleich„ oder gar „identisch“, sondern, dass die Leistungen im technischen oder organisatorischen Bereich einen gleich hohen oder höheren Schwierigkeitsgrad hätten. Deshalb gehe es nicht um einen „1:1“ Vergleich bereits abgearbeiteter Aufträge mit dem zu vergebenden Auftrag, sondern allein darum, ob im Hinblick auf bereits durchgeführte Aufträge die Prognose gerechtfertigt sei, dass die fachliche und technische Leistungsfähigkeit auch im Hinblick auf den zu vergebenden Auftrag gegeben sei. Anzulegen sei mithin (nur) ein Ähnlichkeitsmaßstab

Bei der Anwendung dieses Maßstabs komme der Vergabestelle, die regelmäßig über spezifisches Fachwissen und fachliche Erfahrung verfüge, ein nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. Die Überprüfung der Vergleichbarkeit sei deshalb darauf beschränkt, ob der der Eignungsprüfung zugrunde gelegte Sachverhalt zutreffend und vollständig ermittelt und bei der Eignungsprüfung berücksichtigt worden sei sowie allgemeine Bewertungsmaßstäbe eingehalten worden seien und sachwidrige Erwägungen dabei keine Rolle gespielt hätten. Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes sei die Wertung des Ag nicht zu beanstanden.

Ungeachtet der Formulierung des § 46 Abs. 3 Nr. 1 VgV („früher ausgeführte Liefer- und Dienstleistungsaufträge“) sei es zudem nicht zu beanstanden, dass der Ag eine Referenz berücksichtigt habe, die auf einem zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe noch nicht vollständig erbrachten Auftrag beruht habe. Bei mehrjährigen Dienstleistungsaufträgen, deren „passgenauer“ Ablauf letztlich zufällig sei, könne der gewünschte Nachweis auch dadurch erbracht werden, dass die Leistungserbringung bereits seit längerer Zeit erfolge. Soeben erst begonnene Aufträge schieden allerdings als Referenz aus.

Nicht zu beanstanden sei es zudem, dass ein referenzierter Auftrag auf einer festgestellt vergaberechtswidrigen Interimsvergabe beruhe; dies sei im Hinblick auf die Zielrichtung als Eignungsnachweis unerheblich. Andernfalls würde dem Bieter ein ihm nicht zuzurechnender Vergaberechtsverstoß eines öffentlichen Auftraggebers angelastet. Es gehe jedoch nicht um den Nachweis umfassender Rechtmäßigkeit früherer Beauftragungen, sondern um den Nachweis der Befähigung zur Leistungserbringung durch den Bieter. Diese wiederum sei von der Rechtmäßigkeit einer Beauftragung unabhängig.

Preisaufklärungspflicht

Der Vergabesenat sah im Verhalten des Ag auch keinen Verstoß gegen die Preisaufklärungspflicht nach Maßgabe der §§ 60 Abs. 1 und 2 VgV, 9 Abs. 2 ThürVgG. Grundsätzlich habe im Falle eines ungewöhnlich niedrigen Angebots, das vorliegend aufgrund der Preisdifferenz gegeben war, der öffentliche Auftraggeber nach § 60 Abs. 1 VgV von dem betreffenden Bieter Aufklärung zu verlangen. Hierauf habe ein Wettbewerber gemäß § 97 Abs. 6 GWB Anspruch insofern, als er verlangen könne, dass sein Angebot nicht ohne den Versuch der vorherigen Aufklärung der aufgekommenen Fragen und Ausräumung entstandener Bedenken aus der Wertung genommen werde. Eine Beteiligung des Bieters sei jedoch verzichtbar, wenn der öffentliche Auftraggeber anderweitig Klarheit über die Seriosität des Angebotspreises erlangen könne. Sofern der öffentliche Auftraggeber – wie im vorliegenden Fall – aufgrund anderweitiger gesicherter Erkenntnisse zu der beanstandungsfreien Feststellung gelange, das Angebot eines Bieters sei nicht ungewöhnlich oder unangemessen niedrig, dürfe er auf eine Aufklärung durch den betroffenen Bieter verzichten. Eine Aufklärung nach § 60 Abs. 1 S. 2 VgV sei kein Selbstzweck und habe nicht lediglich aus formalen Gründen zu erfolgen.

Dokumentation

Schließlich stellte der Vergabesenat auch fest, dass die ASt nicht durch Dokumentationsmängel in ihren Rechten nach § 97 Abs. 1 S. 1 GWB verletzt worden sei. Wenngleich die Verwendung von Formularen zum Ankreuzen per se zur Dokumentation von Entscheidungen im Vergabeverfahren nicht zu beanstanden sei, müsse diese doch die jeweils maßgeblichen Gründe erkennen lassen. Daran habe es im vorliegenden Fall bei isolierter Betrachtung der Dokumentation in Bezug auf die Vergleichbarkeit der als Referenz angegebenen Leistungen und die Angemessenheit des Preises zwar gefehlt. Es sei jedoch allgemein anerkannt, dass Dokumentationsmängel durch geeigneten Vortrag infolge einer Rüge oder im Nachprüfungsverfahren geheilt werden könnten. Der Ag habe jedenfalls vor der Vergabekammer wie auch vor dem Vergabesenat schriftsätzlich und mündlich ausführlich und nachvollziehbar die Gründe für seine Entscheidungen dargelegt.

Verfasser: Rudolf Ley

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