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Preisaufklärung nur in elektronischer Form

Die Vergabekammer des Bundes hat mit Beschluss vom 22.4.2025 festgestellt, dass die Preisaufklärung nach § 60 VgV elektronisch zu erfolgen hat. Eine mündliche Kommunikation über die Angebote sei gem. § 9 Abs. 2 VgV nicht zulässig.

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Der Fall

Die Antragsgegnerin (Ag) führt ein europaweites offenes Verfahren zur Vergabe von Postdienstleistungen durch, an dem sich die Antragstellerin (ASt) mit einem Angebot beteiligte. Bis auf die Pauschalen bot die ASt die Postdienstleistungen umsatzsteuerfrei an. Im Laufe des Verfahrens entzündete sich ein Streit zwischen Ag und ASt an der Frage, ob ein Nachweis zur Umsatzsteuerfreiheit von Leistungen einem Auftraggeber in elektronischer Form übermittelt werden muss, oder ob es ausreicht, wenn ein Bieter dem Auftraggeber die Einsicht in ein entsprechendes Dokument gewährt. Im vorliegenden Fall hatte die ASt als Nachweis der Umsatzsteuerfreiheit zunächst eine Bescheinigung des Bundeszentralamts für Steuern vorgelegt, die allerdings nahezu vollständig geschwärzt war. Die Ag forderte daher im Rahmen der Aufklärung der Auskömmlichkeit der Kalkulation des Bieters gem. § 60 VgV die ASt unter Fristsetzung auf, eine ungeschwärzte Fassung der Bescheinigung elektronisch vorzulegen. Die ASt lehnte dies unter Hinweis auf Geheimhaltungsinteressen ab, bot der Ag aber an, kurzfristig in deren Hause Einsicht in die Dokumente zu gewähren. Die Ag schloss das Angebot der ASt daraufhin nach § 60 Abs. 3 VgV vom Vergabeverfahren aus, da die ASt die angeforderten Dokumente nicht innerhalb der Frist vorgelegt habe.

Nach einer erfolglosen Rüge des Ausschlusses stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer des Bundes.

Ley / Altus / Müller

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Die Entscheidung

Die Vergabekammer wies den Antrag zurück. Die Ablehnung des Zuschlags auf das Angebot der ASt nach § 60 Abs. 3 VgV sei vergaberechtskonform. Die Ag habe das Angebot wegen nicht zufriedenstellender Aufklärung ihres Preisangebots im Hinblick auf eine vorliegende Umsatzsteuerbefreiung gem. § 4 Nr. 1 b Satz 1 und 2 UStG zu Recht ausgeschlossen.

Die Entscheidung der Ag, das preisliche Angebot der ASt im Hinblick auf seine Auskömmlichkeit aufzuklären, sei nicht zu beanstanden und bewege sich nach § 60 Abs. 1 VgV im Rahmen ihres Ermessensspielraums.  Die Feststellung, dass ein Preis ungewöhnlich niedrig sei, könne sich aus dem Preis- und Kostenabstand zu den Konkurrenzangeboten, aus Erfahrungswerten, die der öffentliche Auftraggeber beispielsweise aus vorangegangenen vergleichbaren Ausschreibungen gewonnen hat, oder aus dem Abstand zur Auftragswertschätzung ergeben. Dem Auftraggeber sei für das Einleiten einer Überprüfung ein Entscheidungsspielraum zuzuerkennen. In der Rechtsprechung seien insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten. Diese Aufgreifschwelle ist nach der Rechtsprechung in der Regel bei einem Preisabstand von 20 % zum nächsthöheren Angebot erreicht. Im Bereich zwischen 10 % und 20 % kann eine Nachforschung im Ermessen des öffentlichen Auftraggebers stehen. Für den vorliegenden Fall bedeute das, dass die ASt ihr Angebot (zu Unrecht) mit einem mindestens 19 % niedrigeren Preis als andere Bieter angeboten habe, wenn sie nicht von der Umsatzsteuer befreit sein sollte. Damit habe sich die Ag bei der Entscheidung für eine Aufklärung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens bewegt.

Zu Recht habe die Ag auch auf die elektronische Übermittlung des Nachweises bestanden. Die Aufklärung der Angemessenheit der Preise sei im Wege elektronischer Kommunikation gem. § 9 Abs. 1 VgV durchzuführen. Die ASt habe die Vorlage der Dokumente in elektronischer Form abgelehnt. Der von ihr erst kurz vor Ablauf der Frist unternommene Versuch, der Ag anstelle der elektronischen Vorlage eine Inaugenscheinnahme der Dokumente aufgrund ihrer Vertraulichkeit anzubieten, sei nicht geeignet gewesen. Die Ag habe sich darauf nicht einlassen müssen, denn eine mündliche Kommunikation über die Angebote – wie vorliegend bei der Preisaufklärung – sei gemäß § 9 Abs. 2 VgV nicht zulässig. Da im Vergabeverfahren der Vertraulichkeitsgrundsatz gemäß § 5 VgV gelte, sei es nicht unverhältnismäßig, im Rahmen des § 60 Abs 2 VgV zu Fragen der Kalkulation Auskünfte über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse anzufordern und zu bewerten. Die an den Vertraulichkeitsgrundsatz gebundene Ag habe daher auf der Vorlage der Dokumente in elektronischer Form bestehen dürfen.

Die Entscheidung der Ag, den Zuschlag auf das Angebot der ASt infolge nicht zufriedenstellender Aufklärung der Höhe des angebotenen Preises nach § 60 Abs. 3 Satz 1 VgV abzulehnen, sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Könne der öffentliche Auftraggeber die geringe Höhe des angebotenen Preises nicht zufriedenstellend aufklären, dürfe er den Zuschlag auf dieses Angebot gem. § 60 Abs. 3 VgV ablehnen. Dem Auftraggeber sei ein rechtlich gebundenes Ermessen eingeräumt. Die Formulierung "dürfen" in § 60 Abs. 3 VgV sei aber nicht so zu verstehen, dass es im Belieben des Auftraggebers stünde, den Auftrag trotz weiterbestehender Ungereimtheiten doch an den betreffenden Bieter zu vergeben. Die Ablehnung des Zuschlags sei vielmehr grundsätzlich geboten, wenn der Auftraggeber verbleibende Ungewissheiten nicht zufriedenstellend aufklären könne.

Im vorliegenden Fall habe die ASt die Frist verstreichen lassen, ohne die geforderte Aufklärung über ihre umsatzsteuerliche Befreiung bei Postdienstleistungen zu erbringen. Die Ungewissheiten über die Steuerbefreiung seien nicht zufriedenstellend aufgeklärt worden. Die Ag habe daher das Angebot im Rahmen ihres rechtlich gebundenen Ermessens ablehnen dürfen.

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Fazit

Die Vergabekammer des Bundes bereitet lehrbuchartig die Aufklärung der Auskömmlichkeit eines Angebots nach § 60 VgV auf. Sie beleuchtet zentrale Aspekte eines solchen Prüfung, von den Aufgreifschwellen für die Einleitung der Preisaufklärung, über die Form der Durchführung bis zur Ermessensentscheidung des Auftraggebers.

Der Beschluss der Vergabekammer ist noch nicht bestandskräftig, da die ASt Beschwerde beim OLG Düsseldorf unter dem Aktenzeichen VII Verg 17/25 eingelegt hat. Besonders interessant wird sein, ob das Oberlandesgericht die Auffassung der Vergabekammer teilt, wonach die Preisaufklärung ausschließlich in elektronischer Form zulässig sei und eine mündliche Kommunikation insoweit ausgeschlossen werde.

Verfasser: Dietmar Altus / Rudolf Ley

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