Die Bundesregierung hat sich im Rahmen sog. Gegenäußerungen zu den Stellungnahmen des Bundesrates vom 26.9.2025 zum Reformpaket für öffentliche Aufträge geäußert. Darin lehnt die Bundesregierung die Änderungsvorschläge des Bundesrates weitestgehend ab.
Mit Newsletter vom 29. September 2025 hatten wir über die Stellungnahmen des Bundesrates vom 26. September 2025 zu folgenden Regierungsentwürfen informiert:
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Gesetz zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge
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Gesetz zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr
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Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes
Die Bundesregierung hat nunmehr zu den Stellungnahmen des Bundesrates in Gegenäußerungen reagiert.
In den Gegenäußerungen hat die Bundesregierung die Änderungswünsche des Bundesrates weitestgehend abgelehnt.
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1. Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge
Der Bundesrat sah in den mit dem Gesetzentwurf vorgesehenen Rechts- und Verfahrensänderungen eine gute Grundlage, um das Ziel einer beschleunigten Vergabe öffentlicher Aufträge zu erreichen. Hinsichtlich einer effektiven Umsetzung der mit der vorgesehenen Novellierung des Vergaberechts beabsichtigten Zielsetzung bat der Bundesrat in seiner Stellungnahme vom 26.9.2025, Änderungen am Regierungsentwurf vorzunehmen.
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Absehen von der Losvergabe
Die vom Bundesrat gewünschte Lockerung der Verpflichtung zur Losaufteilung wird in der Gegenäußerung von der Bundesregierung abgelehnt.
Die Bundesregierung betont, dass mit dem vorgelegten Gesetzentwurf dem Ziel einer Beschleunigung und Vereinfachung der Vergabeverfahren Rechnung getragen werde, zugleich aber im Sinne der mittelstandsfreundlichen Vergabe an den Grundsätzen des Losaufteilungsgebotes festgehalten werde. Sie verweist auf die vorgesehenen Ausnahmen vom Losgrundsatz für Projekte, die aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität finanziert werden sowie für verteidigungs- und sicherheitsspezifische Aufträge gemäß § 104 GWB i. V. m. § 117 Abs. 2 GWB-E. Weitergehende Regelungsvorschläge, die eine Ausweitung der allgemeinen Ausnahmetatbestände vom Losgrundsatz in § 97 Abs. 4 S. 3 GWB vorsehen, würden aus Sicht der Bundesregierung dem vergaberechtlichen Grundsatz der mittelstandsfreundlichen Vergabe nicht gerecht und somit aus mittelstandspolitischen Gründen abgelehnt.
Vor diesem Hintergrund stimmt die Bundesregierung auch der Bitte des Bundesrates nicht zu, in einem neuen § 97 Abs. 4a GWB die Abweichung vom Losgrundsatz in § 8 des Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetzes auf die Vergabe öffentlicher Bauaufträge für Einrichtungen des Zivilschutzes, des Katastrophen- und des Brandschutzes für entsprechend anwendbar zu erklären.
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Erweiterung der Sektorentätigkeiten
Der Vorschlag des Bundesrates, § 102 Abs. 1 Satz 2 GWB in dem Sinne zu ändern, dass Wasserbauvorhaben sowie Bewässerungs- und Entwässerungsvorhaben bzw. Vorhaben zur Abwasserbeseitigung oder -behandlung auch dann als Sektorentätigkeiten anzusehen sind, wenn sie nicht im Zusammenhang mit der Trinkwasserversorgung stehen würden, fand nicht die Zustimmung der Bundesregierung. Nach Auffassung der Bundesregierung widerspräche eine solche Regelung den europäischen Vorgaben des Art. 10 der Richtlinie 2014/25/EU.
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Verordnungsermächtigung (Cyber- und Informationssicherheit)
Der Bundesrat sah es in seiner Stellungnahme zur Verordnungsermächtigung des § 113 Nr. 7 GWB-E als erforderlich an, auch den Begriff Cybersicherheit einzubeziehen, um so die Krisenresilienz des Staates und das Schutzniveau der Informations- und Cybersicherheit der Behörden zu erhöhen. Ferner solle die Cybersicherheit auch in die Sonderregelung der VSVgV einbezogen werden.
Nach Auffassung der Bundesregierung können bei Beschaffungen im Bereich der Cybersicherheit bereits vergaberechtliche Sonderregelungen und Ausnahmen greifen, wie etwa Art. 346 Abs. 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Darüber hinaus sei der Begriff „cybersicherheitsspezifische Aufträge“ nicht in der Verteidigungsvergaberichtlinie 2009/81 EG vorgesehen, auf der § 104 GWB, § 113 Nr. 7 GWB und VSVgV beruhten. Im Übrigen würden cybersicherheitsspezifische Aufträge – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – regelmäßig unter den allgemeineren Begriff „sicherheitsspezifisch“ im Sinne von § 104 GWB fallen. Die Bundesregierung stimmt dem Änderungswunsch des Bundesrates daher nicht zu.
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Vergaben im ÖPNV
Für öffentliche Schienenverkehrsdienste hatte der Bundesrat EU-konforme Direktvergabemöglichkeiten gefordert, um der problematischen Entwicklung mit sinkenden Bewerberzahlen und häufigen Insolvenzen zu begegnen.
Die Bundesregierung hat nun zugesichert, die Vorschläge im weiteren Verfahren auf haushalts- und wettbewerbsrechtliche Auswirkungen zu prüfen. Sie stehe den Vorschlägen aber grundsätzlich positiv gegenüber.
Der Bundesrat hatte ferner um Prüfung gebeten, die Vorschriften für einen verpflichtenden Personalübergang in § 131 Abs. 3 GWB auch auf den öffentlichen Personenverkehr auf der Straße auszudehnen, um die Fachkräftesicherung, den Arbeitnehmerschutz und stabile Betriebsaufnahmen nach einem Betreiberwechsel zu gewährleisten.
Nach Auffassung der Bundesregierung bestehe kein Bedarf für eine solche bundeseinheitliche Regelung, zumal die Schienenpersonennahverkehrsträger den Bundesländern unterstehen würden. Den Vorschlag des Bundesrates lehnt sie deshalb ab.
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Rechtsschutz
In seiner Stellungnahme zum Regierungsentwurf hatte der Bundesrat darauf hingewiesen, dass die Regelungen im Regierungsentwurf eine erhebliche Verkürzung des Rechtsschutzes unterlegener Bieter nach sich ziehen würden. Dies würde eine erhebliche Einschränkung des Primärrechtsschutzes bedeuten und insbesondere auch mittelständischen sowie jungen und innovativen Unternehmen den Zugang zur öffentlichen Auftragsvergabe erschweren.
Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag im Hinblick auf eine effizientere Ausgestaltung und Beschleunigung von Nachprüfungsverfahren ab. Dieses betrifft insbesondere auch den Fortfall der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde bei den Oberlandesgerichten in den Fällen, in denen der Nachprüfungsantrag durch die Vergabekammern geprüft und zurückgewiesen wurde.
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2. Gesetzentwurf zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr
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Ausweitung des Anwendungsbereichs
Der Bundesrat hatte darum gebeten, die für die Bundeswehr vorgesehenen vergaberechtlichen Erleichterungen auf für Zwecke der zivilen Verteidigung zu öffnen.
Die Bundesregierung lehnt die Aufnahme der Zivilschutzbehörden und -einrichtungen in das Gesetz ab. Nach Auffassung der Bundesregierung sei das Gesetz ausschließlich auf die Bedarfe der Bundeswehr konzentriert.
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Beteiligung von KMU, Start-ups und Quereinsteigern
In seiner Stellungnahme betonte der Bundesrat, dass wettbewerbs- und vergaberechtliche Ausnahmen mit Augenmaß Anwendung finden sollten, um KMU, Start-ups und Quereinsteiger im Vereidigungssektor nicht übermäßig zu benachteiligen.
Die Bundesregierung bemerkt dazu, dass die Beteiligung kleiner und mittelständischer Unternehmen, Start-ups und quereinsteigenden Unternehmen im Verteidigungssektor auch für sie ein sehr wichtiges Anliegen sei. Sie sieht allerdings in dem von ihr vorgelegten Gesetzentwurf die Belange dieser Unternehmen durch eine Reihe effektiver Maßnahmen berücksichtigt.
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Weitere Beschleunigungsmaßnahmen
Zu den weiteren vom Bundesrat gewünschten Maßnahmen zur Beschleunigung von Beschaffungsprozessen weist die Bundesregierung darauf hin, dass das Beschaffungswesen und die Beschaffungsprozesse der Bundeswehr grundsätzlich einer kontinuierlichen Weiterentwicklung und Anpassung unterlägen. Der entsprechende Optimierungsprozess sei deshalb ein fortlaufender.
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Anhebung der Wertgrenze für Vorlagen an den Bundestag
Der Bundesrat hatte um Prüfung gebeten, ob die Wertgrenze nach § 54 Abs. 3 der Bundeshaushaltsordnung angehoben werden soll. Nach 54 Abs. 3 BHO besteht gegenüber dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages die Verpflichtung, Verträge über Beschaffungsmaßnahmen und Entwicklungsvorhaben sowie Betreibervorhaben oberhalb der Wertgrenze von 25 Mio. Euro zur Billigung vorzulegen. Diese Wertgrenze ist seit dem Jahr 1981 konstant geblieben. Aus Sicht des Bundesrates ist insbesondere mit Blick auf die aktuelle geopolitische Lage eine Anpassung der Wertgrenze mit Blick auf die allgemeine Inflationsentwicklung dringend geboten.
Die Bundesregierung steht dem Änderungswunsch des Bundesrates positiv gegenüber, insbesondere mit Blick auf den Bürokratie- und Zeitaufwand, den die bisherige Regelung mit sich bringe. Sie verweist jedoch auf die Zuständigkeit des Bundestages, dem die Initiierung einer Reform des Vorlageverfahrens obliegen würde.

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3. Gesetzentwurf zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes
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Konkurrenzverhältnis BTTG und Landestariftreuegesetze
Der Bundesrat hatte gebeten, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Klarstellung im Gesetzestext vorzunehmen, dass für die in § 1 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 bis 6 aufgeführten Auftraggeber keine Anwendung des Bundestariftreuegesetzes (BTTG) erfolgt, falls die aufgeführten Auftraggeber ihrerseits als Bieter oder Auftragnehmer im Zusammenhang mit einer Vergabe eines Landes oder einer Kommune auftreten und während der Laufzeit eines solchen öffentlichen Auftrags eine Untervergabe an Nachunternehmen nach den einschlägigen Landesgesetzen mit eigenen Tariftreueregelungen erfolgt.
Die Bundesregierung will eine entsprechende Klarstellung prüfen.
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Individuelle Ansprüche auf verbindliche Arbeitsbedingungen
Der Bundesrat hatte zudem um eine Klarstellung gebeten, dass für individuelle Ansprüche auf verbindliche Arbeitsbedingungen gem. § 4 BTTG keine abschließende Regelung durch den Bund getroffen worden ist, sodass entsprechende individualrechtliche Ansprüche auch in den Landestariftreuegesetzen der Länder begründet werden könnten.
Die Bundesregierung lehnt eine entsprechende Klarstellung mit Blick auf eine nicht abschließende Ausübung der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes ab. § 4 BTTG könne insoweit keine abschließende Regelung treffen, weil der Gesetzesentwurf nur die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen des Bundes regele.
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Ermessen des BMAS
Der Bundesrat bat im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine Stärkung des Ermessens für das BMAS für Entscheidungen über Rechtsverordnungen auf Gewährung von verbindlichen Arbeitsbedingungen bei sich überschneidenden Geltungsbereichen der Tarifverträge zu prüfen.
Die Bundesregierung lehnt die Vorschläge des Bundesrates ab. Eine Ausgestaltung als Ermessensvorschrift trage dem Regelungsgegenstand nicht Rechnung.
Weiteres Verfahren
Die Gesetzentwürfe werden nun zusammen mit den Stellungnahmen des Bundesrates und den Gegenäußerungen der Bundesregierung in den Bundestag eingebracht. Dieser behandelt Gesetzentwürfe in der Regel in drei Lesungen. Die erste Lesung für das Reformpaket ist für den 10. Oktober 2025 vorgesehen.
Verfasser: Rudolf Ley / Dietmar Altus