Das Bundeskabinett hat am 6.8.2025 die Regierungsentwürfe zum Bundestariftreuegesetz sowie zum Vergabebeschleunigungsgesetz beschlossen. Mit diesem Newsletter informieren wir Sie zunächst über die Inhalte des Bundestariftreuegesetzes. Eine gesonderte Information zum Vergabebeschleunigungsgesetz mit weiteren Hintergründen folgt in Kürze.
Mit dem gemeinsam vom Bundesarbeitsministerium und Bundeswirtschaftsministerium erarbeiteten Regierungsentwurf des Bundestariftreuegesetzes (BTTG) soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gesichert werden, indem die Nachteile tarifgebundener Unternehmen im Wettbewerb um öffentliche Aufträge und Konzessionen des Bundes beseitigt werden. Der Verdrängungswettbewerb über die Lohn- und Personalkosten soll eingeschränkt werden. Unternehmen sollen ihren Beschäftigten künftig bei öffentlichen Aufträgen und Konzessionen des Bundes tarifvertragliche Arbeitsbedingungen gewähren müssen. Gesetzestechnisch ist das BTTG als Art. 1 des „Tariftreuegesetzes“ ausgestaltet, das in den Art. 2 bis 7 eine Reihe von Folgeänderungen in weiteren Gesetzen enthält (siehe dazu eine von uns zusammengestellte Synopse).
Die Kernelemente des BTTG-E sind:
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Nach § 1 BTTG-E gilt das Gesetz ab einem geschätzten Auftrags- oder Vertragswert von 50 000 Euro ohne Umsatzsteuer für die Vergabe und Ausführung öffentlicher Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge im Sinne von § 103 Abs. 1 bis 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) sowie für die Vergabe und Ausführung von Konzessionen im Sinne von § 105 Abs. 1 GWB, wenn diese öffentlichen Aufträge oder Konzessionen vom Bund vergeben werden oder dem Bund zuzurechnen sind. Das BTTG gilt nicht für die Vergabe und Ausführung verteidigungs- oder sicherheitsspezifischer öffentlicher Aufträge i.S.v. § 104 GWB sowie für Vergabeverfahren über öffentliche Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge sowie Konzessionen zur Deckung von Bedarfen der Bundeswehr und für Vergabeverfahren über öffentliche Lieferaufträge der Sicherheitsbehörden, die unmittelbar der Zivilen Verteidigung, der inneren Sicherheit, dem Katastrophenschutz oder nachrichtendienstlichen Zwecken dienen, wenn diese bis zum 31.12.2032 eingeleitet worden sind.
§ 3 BTTG-E i.V.m. § 5 BTTG-E sehen als zentrale Regelungen des Gesetzes vor, dass tarifvertragliche Regelungen zur Entlohnung, zum bezahlten Mindestjahrurlaub sowie zu Höchstarbeitszeiten, Mindestruhezeiten und Ruhepausenzeiten durch Rechtsverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales rechtsverbindlich für die Ausführung öffentlicher Aufträge und Konzessionen des Bundes vorgegeben werden. Öffentliche Auftraggeber, Sektorenauftraggeber und Konzessionsgeber des Bundes müssen von ihren Auftragnehmern in Form von Ausführungsbedingungen verlangen, dass diese ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern für die Ausführungsdauer des Auftrags die in den einschlägigen Rechtsverordnungen verbindlich gemachten tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen gewähren. Auch Nachunternehmer und Verleihunternehmer müssen ihren jeweiligen Beschäftigten die tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen für die Ausführungsdauer einräumen.
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Praxisleitfaden
Das Bundestariftreuegesetz sieht ein differenziertes Durchsetzungsregime vor:
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Die neu einzurichtende Prüfstelle Bundestariftreue soll die Einhaltung der tarifvertraglichen Bedingungen kontrollieren (§ 8 BTTG-E) und erhebliche Verstöße durch Verwaltungsakte rechtsverbindlich feststellen (§ 13 BTTG-E).
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Verstöße können vom Bundesauftraggeber zivilrechtlich durch Vertragsstrafen sowie durch die außerordentliche Kündigung der Auftragsbeziehung sanktioniert werden (§ 11 BTTG-E).
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Zudem können Verstöße gegen die Tariftreueregelung als fakultativer Ausschlussgrund zum Ausschluss von künftigen Vergabeverfahren führen (§ 14 BTTG-E). Voraussetzung ist, dass ein bestandskräftiger Verwaltungsakt der Prüfstelle Bundestariftreue nach § 13 BTTG-E vorliegt. Abweichend von der sonstigen Regelungssystematik des BTTG-E gilt § 14 für Vergabeverfahren aller Auftraggeber nach § 98 GWB, also nicht nur für Verfahren des Bundes, sondern auch für Verfahren etwa der Länder und Kommunen, unabhängig von dem in § 1 Abs. 1 S. 1 BTTG-E genannten Schwellenwert von 50.000 Euro. Im Unterschied zu § 124 GWB ist in § 14 BTTG-E das auf der Rechtsfolgenseite eröffnete Ermessen beschränkt. Im Regelfall erfolgt ein Ausschluss. Nur in atypischen Fällen oder aus wichtigem Grund kann von einem Ausschluss abgesehen werden.
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Damit die Prüfstelle Bundestariftreue die Kontrollen durchführen kann, müssen Bundesauftraggeber mit den Auftragnehmern nach § 9 BTTG-E eine vertragliche Nachweispflicht vereinbaren. Ein Auftragnehmer muss mittels geeigneter Unterlagen dokumentieren, dass er sein Tariftreueversprechen nach § 3 BTTG-E einhält und die Unterlagen dem jeweiligen Bundesauftraggeber oder der Prüfstelle Bundestariftreue auf Anforderung vorlegen.
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Die Einhaltung einschlägiger Tarifstandards kann auch durch ein Zertifikat einer Präqualifizierungsstelle bescheinigt werden. In diesem Falle entfallen Nachweispflichten sowie anlasslose stichprobenartige Kontrollen.
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Schließlich wird den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach § 4 BTTG-E ein gesetzlicher Anspruch auf die einschlägigen tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen gewährt, den sie im Streitfall vor den Arbeitsgerichten durchsetzen können. Der Auftragnehmer des Bundesauftraggebers haftet auch für die tariflichen Ansprüche der Beschäftigten eines von ihm beauftragten Nachunternehmers sowie der dort eingesetzten Leiharbeitskräfte (§ 12 BTTG-E). Über ihre tariflichen Ansprüche sind die Beschäftigten von ihrem Arbeitgeber mittels eines vom Bundesauftraggeber zur Verfügung zu stellenden Vordrucks zu informieren.
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§ 6 BTTG-E regelt die Einrichtung einer Clearingstelle beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Sie tritt zusammen, sofern dies im Rahmen einer Stellungnahme vor Erlass einer Rechtsverordnung nach § 5 Abs. 4 S. 2 verlangt wird. Die Clearingstelle hat eine beratende Funktion und gibt eine Empfehlung ab, ob und mit welchem Inhalt eine Rechtsverordnung nach § 5 erlassen werden soll.
Fazit:
Mit dem BTTG-E setzt die Bundesregierung eine Vereinbarung des Koalitionsvertrages und eine Maßnahme ihres Sofortprogramms um. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte die Bundesregierung noch im November 2024 einen Regierungsentwurf für ein Bundestariftreuegesetz beschlossen, der wegen der Neuwahlen zum Deutschen Bundestag nicht mehr das parlamentarische Verfahren erreichte und folglich der Diskontinuität anheimfiel. Gegenüber dem damaligen Gesetzentwurf wurde der Schwellenwert im jetzigen Gesetzentwurf von 30.000 auf 50.000 Euro angehoben, ansonsten wurden die Inhalte weitgehend übernommen.

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Das Echo auf den Gesetzentwurf fällt – wenig überraschend – sehr unterschiedlich aus. Die Gewerkschaften begrüßten den Entwurf grundsätzlich, bemängeln aber, dass durch den Schwellenwert von 50.000 Euro 27,5 Prozent der jährlich gut 22.000 vom Bund vergebenen Aufträge nicht unter die Tariftreuebestimmungen fielen. Wirtschaftsverbände lehnen den Gesetzentwurf demgegenüber ab, vor allem mit Blick auf die zusätzliche Bürokratie, unter der insbesondere kleine und mittlere Unternehmen leiden würden.
Nach dem Beschluss des Regierungsentwurfs steht nun im weiteren Verfahren der sog. erste Durchgang im Bundesrat an, anschließend die parlamentarische Beratung im Bundestag und dann die finale Beschlussfassung im Bundesrat, dessen Zustimmung das Gesetz bedarf. Bundesarbeitsministerin Bas hat betont, dass das Tariftreuegesetz und das Vergabebeschleunigungsgesetz im Gleichklang im Laufe des Jahres im Bundestag verabschiedet werden sollen, offenbar um zu verhindern, dass das Tariftreuegesetz im parlamentarischen Verfahren verzögert wird, während das Vergabebeschleunigungsgesetz das weitere Verfahren im Eiltempo durchläuft.
Verfasser: Rudolf Ley/Dietmar Altus