Der Bundesrat hat in seiner Plenarsitzung am 26.9.2025 zu den Regierungsentwürfen zur Vergabebeschleunigung, zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr sowie zum Bundestariftreuegesetz Stellung genommen.
Der Bundesrat hat auf seiner Plenarsitzung am 26. September 2025 Stellungnahmen zu folgenden Regierungsentwürfen beschlossen:
- Gesetz zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge
- Gesetz zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr
- Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes
Zuvor sind die Gesetzentwürfe in den jeweiligen Fachausschüssen beraten worden:
- Ausschussempfehlungen zum Vergabebeschleunigungsgesetz
- Ausschussempfehlungen zum Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz
- Ausschussempfehlungen zum Tariftreuegesetz
Im Bundesratsplenum fanden nicht alle Ausschussempfehlungen eine Mehrheit.
Im Einzelnen:
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1. Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge
Der Bundesrat sieht in den mit dem Gesetzentwurf vorgesehenen Rechts- und Verfahrensänderungen eine gute Grundlage, um das Ziel einer beschleunigten Vergabe öffentlicher Aufträge zu erreichen. Er begrüßt ausdrücklich das Vorhaben der Bundesregierung, die öffentliche Beschaffung einfacher, schneller und flexibler zu gestalten.
Die vom Bundesrat geforderten Änderungen am Regierungsentwurf ergeben sich aus der beigefügten Synopse (Vergabebeschleunigung). Aus der Beschlussfassung sind folgende Punkte hervorzuheben:
- Absehen von der Losvergabe
Der Bundesrat fordert hierzu in § 97 Abs. 4 S. 3 GWB folgende Änderung:
„Mehrere Teil- oder Fachlose dürfen ganz oder teilweise zusammen vergeben werden, wenn wirtschaftliche, technische oder zeitliche Gründe dies rechtfertigen.“
Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Begrenzung der Ausnahme vom Losbildungsgebot auf Projekte des Sondervermögens „Infrastruktur und Klimaneutralität“ mit einem Auftragswert oberhalb des 2,5-fachen der EU-Schwellenwerte soll nach Auffassung des Bundesrates gestrichen werden.
Die vom Bundesrat vorgeschlagene Neuregelung entspricht dem Entwurf des Vergabetransformationspakets der Vorgängerregierung. Nach Auffassung des Bundesrates „zwingt“ die derzeitige Regelung des § 97 Abs. 4 GWB öffentliche Auftraggeber grundsätzlich zur Aufteilung in Fach- und Teillose und setzt für Ausnahmen sehr hohe Hürden. Eine Gesetzesänderung sei daher dringend erforderlich, um den aktuellen Herausforderungen – insbesondere im Infrastrukturbereich – gerecht zu werden und öffentliche Bauvorhaben in Deutschland wieder zu beschleunigen. Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Anpassung des § 97 Abs. 4 GWB würde die Situation nach Ansicht des Bundesrates nicht verbessern. Er plädiert daher stattdessen für die Einführung „zeitlicher“ Gründe sowie des Merkmals „rechtfertigen“, da dies mehr Flexibilität schaffe, praxisgerechter und unbürokratischer sei. Damit verbunden seien eine höhere Rechtssicherheit und ein größeres Beschleunigungspotenzial. Zugleich bleibe die Betonung der mittelständischen Interessen und des Grundsatzes der Losvergabe erhalten: Die Zusammenfassung mehrerer Lose bei Bau- oder sonstigen Beschaffungsmaßnahmen bleibe die Ausnahme und müsse vom Auftraggeber weiterhin geprüft und begründet werden.
Die (noch) weitergehende Ausschussempfehlung, neben zeitlichen auch „sachliche“ Gründe als zusätzliche Rechtfertigung für eine Gesamtvergabe in § 97 Abs. 4 GWB neu aufzunehmen, fand im Plenum des Bundesrates keine Mehrheit.
Im Kontext der Losvergabe steht auch die vom Plenum beschlossene Forderung des Bundesrates, in einem neuen § 97 Abs. 4a GWB die Abweichung vom Losgrundsatz in § 8 des Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetzes auf die Vergabe öffentlicher Bauaufträge für Einrichtungen des Zivilschutzes, des Katastrophen- und des Brandschutzes für entsprechend anwendbar zu erklären.
- Berücksichtigung sozialer und umweltbezogener Aspekte
Weder die Ausschussempfehlung zur Streichung der Verordnungsermächtigung in § 113 Abs. 1 Nr. 9 GWB zur Regelung verpflichtender Anforderungen an die Klimafreundlichkeit bei der Beschaffung von Leistungen noch die Empfehlung zur Erweiterung der Verordnungsermächtigung auf Ressourcenschonung und soziale Belange fanden eine Mehrheit. Gleiches gilt auch für die Empfehlung der Einführung eines § 120a GWB, wonach öffentliche Auftraggeber im Vergabeverfahren mindestens ein soziales oder umweltbezogenes Kriterium berücksichtigen sollten. Es bleibt also bei der Formulierung des Regierungsentwurfs.
- Rechtsschutz
Der Bundesrat weist darauf hin, dass es im Vergleich zur aktuellen Rechtslage durch den Gesetzentwurf der Bundesregierung zu einer erheblichen Verkürzung des Rechtsschutzes unterlegener Bieter komme. In ihrer Gesamtheit betrachtet zögen die vorgesehenen Änderungen zur Erweiterung der Möglichkeiten, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, zu Einzelentscheidungen des Vorsitzenden oder des hauptamtlichen Beisitzers, der Wegfall der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde des vor der Vergabekammer unterlegenen Antragstellers sowie die Umkehr der Abwägung bei der Entscheidung über den vorläufigen Zuschlag gravierende Einschränkungen des effektiven Primärrechtschutzes nach sich. Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit der Verzicht auf einzelne Beschränkungen in Betracht komme, um insgesamt ein noch ausreichendes Rechtsschutzniveau zu gewährleisten.
Die konkrete Änderungsempfehlung des Wirtschaftsausschusses, die aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde in den §§ 169,173 GWB beizubehalten („Streichung der Streichung“), fand allerdings im Plenum keine Mehrheit.
- Vergaben im ÖPNV
Für öffentliche Schienenverkehrsdienste fordert der Bundesrat EU-konforme Direktvergabemöglichkeiten, um der problematischen Entwicklung mit sinkenden Bewerberzahlen und häufigen Insolvenzen zu begegnen. Zudem bittet der Bundesrat um die Aufnahme einer verpflichtenden Vorgabe der Personalübernahme bei einem Betreiberwechsel im öffentlichen Personenverkehr auf der Straße.
Bemerkenswert ist noch, dass die in den Ausschussempfehlungen formulierte Bitte des Bundesrates, im weiteren Verfahren auch in ergänzenden Bestimmungen – insbesondere der UVgO und der VOB/A – für flankierende Anpassungen zur Flexibilisierung und Beschleunigung des Vergaberechts zu sorgen, keine Mehrheit gefunden hat. Dies gilt damit auch für den Vorschlag, die Wertgrenzen für Direktaufträge bei Liefer- und Dienstleistungen auf 100.000 Euro und bei Bauaufträgen auf 150.000 Euro festzusetzen bzw. Freihändige Vergaben nach der VOB/A bis 300.000 Euro für zulässig zu erklären.
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2. Gesetzentwurf zur beschleunigten Planung und Beschaffung für die Bundeswehr
Der Bundesrat begrüßt das Ziel der Bundesregierung, Planung und Beschaffung für die Bundeswehr zu vereinfachen und zu beschleunigen, um die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr zu erhöhen.
- Ausweitung des Anwendungsbereichs
Als konkrete Änderung am Gesetzentwurf fordert der Bundesrat die Ausweitung des Anwendungsbereichs des BwBBG auf Bedarfe des Bundes, der Länder und der Kommunen im Zusammenhang mit der Schaffung oder Anpassung verteidigungsrelevanter Infrastruktur sowie auf Bedarfe der Nachrichtendienste von Bund und Ländern (Synopse ((Vergabebeschleunigung)).
Darüber hinaus bittet der Bundesrat, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die vergaberechtlichen Erleichterungen des Gesetzentwurfes – über die Planung und Beschaffung für die Bundeswehr hinaus – auf öffentliche Aufträge von Bund, Ländern und Kommunen fürZwecke der Zivilen Verteidigung auszudehnen.
- Beteiligung von KMU, Start-ups und Quereinsteigern
Der Bundesrat unterstützt zudem grundsätzlich den Ansatz, wettbewerbsrechtliche Gesichtspunkte sicherheitspolitischen Prioritäten unterzuordnen. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass einige Aspekte, wie die Abweichung von der Losvergabe oder die Ausweitung der Möglichkeiten zur Direktvergabe, die Beteiligung von KMU, Start-ups sowie Quereinsteigernim Verteidigungssektor erschweren. Dies könne zu Ineffizienzen führen, da gerade diese Unternehmen agil und innovativ auf veränderte Bedarfe reagieren könnten. Eine Anwendung mit Augenmaß scheine daher geboten.
- Weitere Beschleunigungsmaßnahmen
Außerdem bittet der Bundesrat die Bundesregierung, weitere Maßnahmen zur Beschleunigung von Beschaffungsprozessen für die Bundeswehr zu prüfen, insbesondere auf Seiten der für die Beschaffung zuständigen Stellen.
- Anhebung der Wertgrenze für Vorlagen an den Bundestag
Schließlich sollte aus Sicht des Bundesrates im weiteren Gesetzgebungsverfahren geprüft werden, ob die Wertgrenze in § 54 Abs. 3 S. 1 BHO angehoben werden soll. Nach § 54 Abs. 3 S. 1 BHO sind Verträge über Beschaffungsmaßnahmen und Entwicklungsvorhaben sowie Betreiberverträge, die im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung geschlossen werden sollen und die ein Finanzvolumen von 25 Mio. Euro überschreiten, dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages zur Billigung vorzulegen sind. Bis zur Billigung des Haushaltsausschusses sind die entsprechenden Verträge schwebend unwirksam. Dieser Wert wurde seit seiner Einführung um Jahr 1981 (50 Millionen DM) nicht mehr verändert. Das Verfahren führt nach Auffassung des Bundesrates bei Beschaffungsmaßnahmen für die Bundeswehr zu erheblichen bürokratischen Belastungen. Der Bundesrat bittet daher zu prüfen, ob diese Wertgrenze nicht zumindest inflationsbedingt deutlich angehoben werden kann.
Die weiteren vom Bundesrat beschlossenen Änderungen betreffen das Luftverkehrsgesetz und damit Sachverhalte außerhalb der Bedarfsdeckung für die Bundeswehr.

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3. Gesetzentwurf zur Stärkung der Tarifautonomie durch die Sicherung von Tariftreue bei der Vergabe öffentlicher Aufträge des Bundes
Die vom Bundesrat gewünschten Änderungen am Regierungsentwurf sind in der beigefügten Synopse (Tariftreuegesetz) dargestellt. Aus der Beschlussfassung lassen sich folgende Punkte hervorheben:
- Konkurrenzverhältnis BTTG und Landestariftreuegesetze
Der Bundesrat befürchtet ein schwieriges Konkurrenzverhältnis zwischen dem Bundestariftreuegesetz und den Landestariftreuegesetzen, wenn bundeseigene Unternehmen oder Körperschaften als Auftragnehmer in Vergabeverfahren der Länder auftreten und Unteraufträge an Nachunternehmen vergeben. Der Bundesrat hält daher eine ausdrückliche Klarstellung im BTTG für erforderlich, dass in solchen Fällen allein das einschlägige Landesrecht zur Anwendung kommen soll, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden.
- Individuelle Ansprüche auf verbindliche Arbeitsbedingungen
Außerdem hält der Bundesrat eine Klarstellung für geboten, dass für individuelle Ansprüche auf verbindliche Arbeitsbedingungen gem. § 4 BTTG keine abschließende Regelung durch den Bund getroffen worden ist, sodass entsprechende individualrechtliche Ansprüche auch in den Landestariftreuegesetzen der Länder begründet werden könnten.
- Ermessen des BMAS
Schließlich plädiert der Bundesrat für eine Stärkung des Ermessens des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bei sich überschneidenden Tarifverträgen.
Die (zentralen) Ausschussempfehlungen zur Herausnahme von Lieferleistungen aus dem Anwendungsbereich des BTTG, zu Befreiungsmöglichkeiten für bereits tarifgebundene Unternehmen sowie zur Ausdehnung der Nachweispflichten auf Nachunternehmen fanden im Plenum keine Mehrheit.
Weiteres Verfahren
Als nächsten Schritt legt die Bundesregierung ihre Auffassung zur Stellungnahme des Bundesrates in einer Gegenäußerung dar. Der Gesetzentwurf wird dann mit der Stellungnahme und der Gegenäußerung beim Bundestag eingebracht. Der Deutsche Bundestag behandelt die Gesetzentwürfe in der Regel in drei Lesungen.
Nach der Beschlussfassung des Bundestages werden die Gesetze nochmals dem Bundesrat zugeleitet. In diesem sog. zweiten Durchgang ist das Verfahren davon abhängig, ob das Gesetz der Zustimmung des Bundesrates bedarf oder nicht. Bei Zustimmungsgesetzen kann der Bundesrat dem Gesetz zustimmen, seine Zustimmung verweigern oder den Vermittlungsausschuss anrufen. Im Fall eines nicht zustimmungsbedürftigen Einspruchsgesetzes muss der Bundesrat zunächst darüber entscheiden, ob er den Vermittlungsausschuss anruft oder nicht. Denn bevor der Bundesrat Einspruch gegen ein Gesetz einlegen kann, muss ein Vermittlungsverfahren abgeschlossen worden sein. Vergabebeschleunigungsgesetz und Bundestariftreuegesetz sind Zustimmungsgesetze, während das Bundeswehrbeschaffungsbeschleunigungsgesetz nur ein Einspruchsgesetz darstellt.
Für das weitere Gesetzgebungsverfahren zum Vergabebeschleunigungsgesetz deutet sich an, dass vor allem der Grundsatz der Losvergabe im Mittelpunkt der Debatten stehen wird. Während mittelständische Unternehmen, insbesondere das Handwerk, mit Nachdruck eine Beibehaltung einer strikten Losvergabe fordern, plädieren vor allem Länder und Kommunen für erweiterte Möglichkeiten der Gesamtvergabe, die sie als Schlüssel für eine beschleunigte Vergabe und Umsetzung von Investitionsvorhaben sehen.
Verfasser: Rudolf Ley / Dietmar Altus
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