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Strategische Beschaffung auch im Unterschwellenbereich

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Newsletter 2, März 2017 als PDF zum Download

Innerhalb der Europa-Strategie 2020 für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum spielt die Förderung der Beschaffung umwelt- und klimafreundlicher Leistungen1 eine maßgebliche Rolle. Zu den wichtigen Zielen der Vergaberechtsmodernisierung gehört daher auch die verbesserte Verankerung von Umweltschutzaspekten in der öffentlichen Auftragsvergabe.2

Unter dem Leitbild der „Berücksichtigung strategischer Ziele“ sind auf den verschiedenen Stufen des Beschaffungsprozesses Elemente integriert, welche die Möglichkeiten der Einbeziehung von Nachhaltigkeitskriterien in den Beschaffungsprozess ermöglichen. In der Umsetzung der Europäischen Vergaberichtlinien3 sind für Vergaben im Anwendungsbereich des 4. Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Regelungen für die Einbeziehung strategischer Aspekte in Vergabeverfahren geschaffen worden. Mit der Novellierung der Regelungen zur Unterschwellenvergabe wurde die sich aus dem Oberschwellenvergaberecht ergebende Möglichkeit aufgegriffen und in die neue Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) überführt. So bietet das Vergaberecht den öffentlichen Auftraggebern sowohl im Oberschwellen- als auch im Unterschwellenbereich in verschiedenen Verfahrensstufen die Möglichkeit, umweltbezogene, soziale und innovative Belange in besonderer Weise zu berücksichtigen.4

Diese Möglichkeiten finden ihren Niederschlag u.a. in den folgenden Bereichen:

UmsetzungGrafik1-min.jpg

1. Leistungsbeschreibung / Technische Spezifikationen

Art. 42 RL 2014/24/EU; § 121 GWB, § 31 VgV, § 23 UVgO

Die Leistungsbeschreibung ist das Kernelement der Vergabeunterlagen. In ihr fixiert der öffentliche Auftraggeber sowohl seinen Bedarf als auch die wesentlichen Inhalte eines evtl. später abzuschließenden Vertrages. Die im § 121 Abs. 1 GWB niedergelegte Verpflichtung zur eindeutigen5 und erschöpfenden6 Beschreibung der Leistung wird auf die untergesetzliche Ebene vom § 31 VgV und dem § 23 UVgO übernommen und soll sicherstellen, dass die Leistungsanforderungen von allen Unternehmen im gleichen Sinne verstanden werden. Dieses ist wiederum Voraussetzung dafür, dass die Angebote miteinander verglichen werden können und auf das eingereichte (wirtschaftlichste) Angebot der Zuschlag erteilt werden kann.

§ 31 Abs. 3 VgV und § 23 Abs 2 UVgO stellen klar, dass bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung auch Aspekte der Qualität sowie soziale, innovative und umweltbezogene Merkmale Berücksichtigung finden können.

Diese können sich nicht nur auf die materiellen Eigenschaften der zu erbringenden Leistung sondern auch auf den Prozess oder die Methode der Herstellung oder Erbringung der Leistung oder auf ein anderes Lebenszyklus-Stadium einschließlich der Produktions- und Lieferkette beziehen. Nicht erforderlich ist, dass derartige Faktoren materielle Bestandteile der Leistung sind. Voraussetzung ist jedoch, dass die geforderten Faktoren in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand stehen und zu dessen Wert und Beschaffungszielen verhältnismäßig sind. Solche Faktoren können u.a. sein:

  • Umwelt- und Klimaleistungsstufen,

  • Vorgaben zur Gebrauchstauglichkeit, Sicherheit oder Abmessungen,

  • Qualitätssicherungsverfahren,

  • Ermittlung der Lebenszykluskosten,

  • Regelungen zu Produktionsprozessen und Methoden,

  • Konformitätsbestätigungen.

Darüber hinaus regeln § 121 Abs .2 GWB, § 31 Abs. 5 VgV sowie § 23 Abs 4 UVgO die Verpflichtung zur Barrierefreiheit bei der Beschaffung von Leistungen, soweit diese zur Nutzung durch natürliche Personen vorgesehen sind, d.h. dass bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung - außer in ordnungsgemäß begründeten Fällen – die Zugänglichkeitsvoraussetzungen für Menschen mit Behinderung oder die Konzeption für alle Nutzer zwingend zu berücksichtigen sind.

Abb. 1: Leistungsbeschreibung

Leistungsbeschreibung-min.jpg

2. Festlegung von Eignungskriterien

Art. 58 RL 2014/24/EU; § 122 GWB, §§ 44 - 49 VgV, § 33 UVgO

Die o.g. Normen enthalten die abschließend festgelegten Grundanforderungen an Unternehmen, die sich um öffentliche Aufträge bewerben7. Geeignet sind fachkundige und leistungsfähige Unternehmen, die nicht nach den §§ 123 und 124 GWB8 ausgeschlossen sind und die durch den öffentlichen Auftraggeber im Einzelnen zur ordnungsgemäßen Ausführung des öffentlichen Auftraggebers festgelegten Kriterien (Eignungskriterien) erfüllt.9 Die Eignungskriterien dürfen ausschließlich folgendes betreffen:

  • die Befähigung zur Berufsausübung,

  • die wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit sowie

  • die technische und berufliche Leistungsfähigkeit.10

Die in den Absätzen 2 bis 4 des Art. 58 der RL (Anhang XI und XII) und §§ 44-46 UVgO aufgeführten Nachweise sind abschließend genannt. Die im § 33 UVgO genannten Begriffe entsprechen denen des § 44 VgV und finden somit auch im Unterschwellenbereich Anwendung. Die Anforderungen an die Unternehmen sollen sicherstellen, dass diese über die für die ordnungsgemäße Auftragsausführung erforderliche Eignung verfügen. Die Eignungsanforderungen müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.

Die Nachweise der Befähigung zur Berufsausübung werden im Anhang XI der RL 2014/24/EU hinsichtlich länderspezifischer Regelungen konkretisiert. Der Anhang XII der RL 2014/24/EU enthält die Aufstellung der Nachweise, die im Rahmen der wirtschaftlichen und finanziellen Leistungsfähigkeit und der technischen Leistungsfähigkeit gefordert werden können. Die §§ 44-46 VgV setzen diese Vorgaben in nationales Vergaberecht um.

Die Eignung dient schwerpunktmäßig der Feststellung der fachlichen Eignung bzw. Kompetenz des Bieters.11 Bei der Beurteilung der Eignung handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, ob vom künftigen Auftragnehmer die ordnungsgemäße Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen erwartet werden kann. Dem öffentlichen Auftraggeber steht es grundsätzlich frei, wie und in welcher Tiefe er die Eignungsprüfung durchführt.12

Die Feststellung der Bietereignung erfolgt anhand der vom öffentlichen Auftraggeber für das jeweilig konkrete Vergabeverfahren festgelegten Kriterien. Ziel der Eignungsprüfung ist die prognostizierte Feststellung, ob das Unternehmen des Bewerbers oder Bieters nach seiner personellen, finanziellen und technischen Ausstattung zur ordnungsgemäßen Leistungserbringung in der Lage sein wird.13

Für die umweltfreundliche Beschaffung relevant ist dabei die Möglichkeit des öffentlichen Auftraggebers vom Bieter Referenzen über die in der Vergangenheit erbrachten Leistungen zu fordern, bei denen die Berücksichtigung von Umwelt- bzw. Nachhaltigkeitskriterien eine nicht unwesentliche Rolle gespielt haben. Auch sind die öffentlichen Auftraggeber berechtigt, von den Bietern im Rahmen des Nachweises der technischen Leistungsfähigkeit umweltrelevante Kenntnisse bzw. umweltschonende Verfahren bzw. Ausstattungsgegenstände zu fordern.14 Auch kann, sofern auftragsbezogen, eine Zertifizierung nach dem europäischen Umweltmanagementsystem EMAS oder nach anderen europäischen oder internationalen Normen verlangt werden.15

Die Eignungskriterien können z.B. folgendes betreffen:

  • Befähigung zur Berufsausübung:
    -
    z.B. Eintrag in einem Berufs- oder Handelsregister / Handwerksrolle.

  • Wirtschaftliche und finanzielle Leistungsfähigkeit:
    - Sicherstellung, dass der Auftragnehmer über die erforderlichen wirtschaftlichen und finanziellen Kapazitäten zur ordnungsgemäßen Auftragserfüllung verfügt,
    - Vorhandensein eines bestimmten Jahresumsatzes ( max. 2-fach des Auftragswertes),
    - Berufshaftpflichtversicherung.

  • Technische und berufliche Leistungsfähigkeit:
    - personelle und technische Ressourcen,
    - Referenzen,
    - keine kollidierenden Interessen.

  • Festlegung von Normen für Qualitätssicherung und Umweltmanagement:
    - Bezugnahme auf einschlägige europäische Normen, z.B. EMAS,
    - Anerkennung von gelichwertigen Bescheinigungen von Stellen anderer Mitgliedsstaaten
    - Anerkennung anderer gleichwertiger Nachweise.

Hinsichtlich der Prüfung von zwingenden oder fakultativen Ausschlussgründen ist im Zusammenhang mit der Berücksichtigung strategischer Ziele besonderes Augenmerk auf den Ausschluss vom Vergabeverfahren wegen eines nachweislichen Verstoßes gegen umwelt-, sozial- oder arbeitsrechtliche Verpflichtungen zu richten. Solche Verpflichtungen können sich z.B. aus dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, dem Mindestlohngesetz, den Tariftreuegesetzen, dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz oder dem Arbeitszeitgesetz ergeben.16

Abb. 2: Auswahl geeigneter Unternehmen

Auswahl-min.jpg 

3. Nachweisführung durch Gütezeichen

Art. 43 RL 2014/24/EU, § 34 VgV, § 24 UVgO

Durch die Regelungen des neuen Vergaberechts hat auch die Verwendung von Gütezeichen einen neuen Stellenwert erfahren. War es bislang nur möglich, die Kriterien eines Gütezeichens als Grundlage für die Bestimmung des Auftragsgegenstandes heranzuziehen, so können nunmehr die öffentlichen Auftraggeber verlangen, dass Leistungen mit Gütezeichen angeboten werden, die bestimmte ökologische, soziale oder sonstige Eigenschaften bescheinigen.

Öffentlichen Auftraggebern können beim Erwerb von Bau-, Dienst- oder Lieferleistungen mit spezifischen umweltbezogenen, sozialen oder sonstigen Merkmalen ein bestimmtes Gütezeichen als Nachweis dafür zu verlangen, dass die nachgefragte Leistung den geforderten Merkmalen des Gütezeichens entspricht.

Nach Art. 2 Abs. 1 Nr. 23 der RL 2014/24/EU sind Gütezeichen Dokumente, Zeugnisse oder Bescheinigungen, mit denen bestätigt wird, dass

  • ein bestimmtes Bauwerk,

  • eine bestimmte Ware,

  • eine bestimmte Dienstleistung oder

  • ein bestimmtes Verfahren

bestimmte Anforderungen erfüllt. Art. 2 Abs. 1 Nr. 24 der RL 2014/24/EU definiert Gütezeichen-Anforderungen als solche, die ein Bauwerk, eine Ware, eine Dienstleistung, ein Prozess oder ein Verfahren erfüllen muss, um das betreffende Gütezeichen zu erhalten.

Durch die RL 2014/24/EU und in der nationalen Umsetzung nach § 34 VgV wird die Einbeziehung vom Umweltzeichen in die Vergabeverfahren erheblich vereinfacht.

Im Unterschwellenbereich greift. § 24 UVgO die Regelungen aus dem Oberschwellenbereich auf. Wesentlicher Unterschied zu § 34 VgV ist, dass nach § 24 Abs. 2 Nr. 1 UVGO nicht alle Anforderungen des Gütezeichens mit dem Leistungsgegenstand in Verbindung stehen müssen. Die „Kriterien des Gütezeichens müssen für die Bestimmung der Merkmale der Leistung lediglich geeignet“ sein. Damit ist ein Weg für die leichtere Vorgabe von Gütezeichen geöffnet.17

Nach § 34 VgV muss allen folgenden Bedingungen genügen:

  1. Alle Anforderungen des Gütezeichens sind für die Bestimmung der Merkmale der Leistung geeignet und stehen mit dem Auftragsgegenstand (§ 31 Abs. 1 VgV) in Verbindung.

    Regelung nach § 24 Abs. 2 UVgO:
    Die Anforderungen des Gütezeichens beruhen auf objektiv nachprüfbaren und nichtdiskriminierenden Kriterien, die für die Bestimmung der Merkmale der Leistung geeignet sind.

  2. Die Anforderungen des Gütezeichens beruhen auf objektiv nachprüfbaren nichtdiskriminierenden Kriterien.

  3. Das Gütezeichen wurde im Rahmen eines offenen und transparenten Verfahrens entwickelt, an dem alle interessierten Kreise teilnehmen konnten.

  4. Alle Unternehmen haben Zugang zum Gütezeichen.

  5. Die Anforderungen wurden von einem Dritten festgelegt, auf den das Unternehmen, das das Gütezeichen erwirbt, keinen maßgeblichen Einfluss ausüben konnte.

Werden nicht alle Gütezeichen-Anforderungen verlangt, so müssen die konkreten Kriterien des Gütezeichens angegeben werden.

Abb. 3: Nachweisführung durch Gütezeichen

Nachweisführung-min.jpg
4. Festlegung der Zuschlagskriterien

Art. 67 RL 2014/24/EU, § 127 GWB, §§ 58 - 59 VgV, § 43 UVgO

Der Zuschlag wird auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage für die Bewertung ist, ob und inwieweit das Angebot die vorgegeben Zuschlagskriterien erfüllt.18

Im Rahmen der Festlegung der Zuschlagskriterien bietet sich für die öffentlichen Auftraggeber eine Reihe von Möglichkeiten, neben dem Preis und den Kosten u.a. auch soziale, ökologische und innovative Aspekte in die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots einzubeziehen. Einzige Bedingung ist, dass solche Kriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen müssen. Dieses ist bereits dann der Fall, wenn die Kriterien in irgendeiner Hinsicht und in irgendeinem Lebenszyklus-Stadium mit der zu erbringenden Leistung zusammenhängen.19 Es ist nicht erforderlich, dass sich die geforderten Kriterien auf die materiellen Eigenschaften des Auftragsgegenstandes auswirken. Danach sind auch Zuschlagskriterien zulässig, die sich auf die Herstellung bzw. Bereitstellung der zu beschaffenden Leistung in jedem Lebenszyklus-Stadium beziehen, von der Gewinnung der Rohstoffe über den spezifischen Prozess der Herstellung und Bereitstellung der Leistung bis zur Entsorgung der Ware. Nach der Rechtsprechung des EuGH gehören dazu auch Zuschlagskriterien bzw. Bedingungen für die Auftragsausführung, die sich auf die Lieferung oder die Verwendung von fair gehandelten Waren während der Leistungsausführung beziehen.20 Kriterien und Bedingungen bezüglich des Handels können sich beispielsweise darauf beziehen, dass die betreffende Ware aus fairem Handel stammt, was auch das Erfordernis einschließen kann, Erzeugern einen Mindestpreis bzw. einen Preisaufschlag zu zahlen.21 Die Zuschlagskriterien müssen lediglich die Möglichkeit eines Wettbewerbs gewährleisten.22

Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erfolgt auf der Grundlage des besten Preis- Leistungsverhältnisses.

Dieses kann beinhalten:

  • den Preis oder die Kosten unter Berücksichtigung von
    - qualitativen,
    - umweltbezogenen oder
    - sozialen Kriterien.

Diese Kriterien können sein:

  • Qualität,

  • technischer Wert,

  • Ästhetik,

  • Zweckmäßigkeit der Leistung, insbesondere für Menschen mit Behinderung,

  • Übereinstimmung mit den Anforderungen des „Designs für Alle“,

  • soziale, umweltbezogene und innovative Eigenschaften,

  • Vertriebs- und Handelsbedingungen.

Ferner:

  • die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann,

oder

  • die Verfügbarkeit von Kundendienst und technischer Hilfe sowie

  • Lieferbedingungen (z. B: Liefertermin, Lieferverfahren, Liefer- und Ausführungsfristen.

Die Anforderungen des „Designs für Alle“ erfassen über den Begriff der „Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen“ hinaus auch die Nutzung und Erlebbarkeit für möglichst alle Menschen – also die Gestaltung von Bauten, Produkten und Dienstleistungen auf eine Art und Weise, dass sie die Bandbreite menschlicher Fähigkeiten, Fertigkeiten, Bedürfnisse und Vorlieben berücksichtigen.23

Abb. 4: Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots

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Der Auftraggeber kann vorgeben, dass das Zuschlagskriterium „Kosten“ auf der Grundlage der Lebenszykluskosten der Leistung berechnet wird.

Die Berücksichtigung von Lebenszykluskosten stellt im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes ein mögliches Kriterium der Angebotswertung dar.

Unter Lebenszykluskosten werden sämtliche aufeinander folgende und/oder miteinander verbundene Stadien von der Produktion über den Handel /Transport und Nutzung bis hin zur Entsorgung verstanden.24

Soweit für die konkrete Beschaffungsmaßnahme relevant, umfasst nach § 59 VgV die Lebenszykluskostenberechnung eines Produktes oder einer Bau- oder Dienstleistung ganz oder teilweise

  • von dem öffentlichen Auftraggeber oder anderen Nutzer getragene Kosten, wie z.B.:
    - Beschaffungskosten,
    - Nutzungskosten, wie z.B. Verbrauch von Energie und anderen Ressourcen,
    - Wartungskosten,
    - Kosten am Ende der Nutzungsdauer( z.B. Recyclingkosten),
    - Kosten, die durch externe Effekte der Umweltbelastung entstehen, die mit der Ware, der Dienst- oder der Bauleistung während ihres Lebenszyklus in Verbindung stehen, sofern ihr Geldwert bestimmt und geprüft werden kann. Solche Kosten können z.B. die Kosten der Emission von Treibhausgasen und anderen Schadstoffen sowie sonstige Kosten der Eindämmung des Klimawandels umfassen.25

Öffentliche Auftraggeber, die im Rahmen der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots Lebenszykluskosten zugrunde legen, müssen in den Ausschreibungsunterlagen die die von den Bietern bereitzustellenden Daten und die Methode, die der öffentliche Auftraggeber zur Bestimmung der Lebenszykluskosten auf der Grundlage dieser Daten anwenden wird, benennen.26 Seitens der EU-KOM ist beabsichtigt, eine Methode zur Berechnung der Lebenszykluskosten durch einen Rechtsakt verbindlich vorzuschreiben.27

Für den Unterschwellenbereich übernimmt § 43 UVgO die Regelungen des § 58 VgV. Hinsichtlich der Berechnung der Lebenszykluskosten verweist § 43 Abs. 4 UVgO auf die Regelungen nach § 59 VgV.

Abb. 5: Lebenszykluskosten

Lebenszykluskosten-min.jpg 

5. Auftragsausführung

Art. 18, 70 RL 2014/24/EU, § 128 GWB, § 61 VgV, § 45 UVgO

Nach der Grundnorm des Art 18 Abs. 2 der RL 2014/24/EU treffen die Mitgliedsstatten geeignete Maßnahmen, um dafür Sorge zu tragen, dass die Wirtschaftsteilnehmer bei der Ausführung öffentlicher Aufträge die geltenden

  • umwelt-,

  • sozial und

  • arbeitsrechtlichen Verpflichtungen

einhalten, die durch Rechtsvorschriften der Union, einzelstaatliche Rechtsvorschriften, Tarifverträge oder in Anhang X der RL aufgeführten internationalen Umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften festgelegt sind. Der Anhang X der RL führt u.a. die ILO-Kernarbeitsnormen als zwingend zu beachtende Regelung auf.28

Ökologische Aspekte, die sich auf die Anlieferung, Verpackung und Entsorgung von Waren beziehen, können ebenfalls als Bedingungen für die Auftragsausführung Verwendung finden.29

Ergänzend bietet Art. 70 der RL 2014/24/EU die Möglichkeit, als Ausführungsbedingungen neben wirtschaftlichen Aspekten auch innovations- oder umweltbezogene, soziale oder beschäftigungspolitische Kriterien als Bedingung zur Auftragsausführung heranzuziehen.

§ 128 GWB setzt die Regelungen der RL 2014/24/EU in eine nationale Norm um. Danach sind Unternehmen bei der Ausführung eines öffentlichen Auftrages verpflichtet, alle für sie geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere Steuern, Abgaben und Beiträge zur Sozialversicherung zu entrichten, die arbeitsschutzrechtlichen Bestimmungen einzuhalten und den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes oder einer nach § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden.30

Darüber hinaus können öffentliche Auftraggeber besondere Bedingungen für die Ausführung eines Auftrages festlegen, sofern diese mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Die Ausführungsbedingungen müssen sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Sie können insbesondere

  • wirtschaftliche,

  • innovationsbezogene,31

  • umweltbezogene,32

  • soziale oder33

  • beschäftigungspolitische Belange

  • oder den Schutz der Vertraulichkeit von Informationen34

umfassen.

Durch die Festlegung von Ausführungsbestimmungen hat der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, auch nach der Zuschlagserteilung auf die Art und Weise der Leistungserbringung Einfluss zu nehmen.

Zulässig ist die Vorgabe von Ausführungsbedingungen durch öffentliche Auftraggeber nur, wenn diese bereits in der Bekanntmachung des Auftrags oder den Vergabeunterlagen schriftlich niedergelegt sind.

§ 61 VgV verweist auf die Regelungen nach § 128 GWB sowie auf die Regelungen nach § 31 VgV (Nachweisführung durch Bescheinigungen von Konformitätsbewertungsstellen) und § 34 VgV (Nachweisführung durch Gütezeichen).

§ 45 UVgO greift die Regelung aus § 128 GWB auf und setzt sie für den Unterschwellenbereich um.

Abb. 6: Auftragsausführung

Auftragsausfuehrung_neu-min.jpg 

Autor: Dietmar Altus


1 s. Erwägungsgrund 2 der RL 2014/24/EU, Amtsblatt der EU L 94/65 v. 28.03.2014

2 Neue EU-RL für das Vergaberecht, BMUB / UBA, April 2014

3 RL 2014/24/EU v. 26.02.2014, Amtsblatt der EU L 94/65 v. 28.03.2014

4 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) v. 17.2.2016 (BGBl. I S. 203);
Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV) v. 12.4.2016 (BGBl. I S. 624)
Verfahrensordnung für die Vergabe öffentlicher Liefer- und Dienstleitungsaufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte (UVgO)  vom 02.02.2017, Bundesanzeiger BAnz AT 07.02.2017 B1, B2

5 Eine Leistungsbeschreibung ist nur dann eindeutig, wenn sie alle zur Ausführung erforderlichen Vorgaben und Leistungspflichten klar erkennen lässt; Traupel in Müller-Wrede, GWB-Kommentar 2016, zu § 121 GWB, RdNr. 42 S. 413

6 Eine Leistungsbeschreibung ist erschöpfend, wenn sie Art und Zweck, alle zur Erbringung erforderlichen Teilleistungen und alle hierfür erforderlichen Bedingungen und Anforderungen darstellt; Traupel in Müller-Wrede, GWB-Kommentar 2016, zu § 121 GWB, RdNr. 41 S. 413

7 Vergl. Gnitte/Hattig in Müller-Wrede GWB-Kommentar 2016, zu § 122 GWB, RdNr. 1 S. 428

8 § 123 GWB (zwingende Ausschlussgründe), § 124 GWB (fakultative Ausschlussgründe)

9 § 122 Abs .2 GWB

10 Art. 58 Abs. 1 der RL 2014/24/EU, Amtsblatt der EU L 94/129 v. 28.03.2014

11 OLG Celle, Beschluss vom 12.1.2012 – 13 Verg 9/11

12 VK Nordbayern bei der Regierung von Mittelfranken, v. 02.10.2013 – 21. VK-3194/36/13; VPR-online, VPR 2013-3875

13 Vergl. Gnitte/Hattig in Müller-Wrede GWB-Kommentar 2016, zu § 122 GWB, RdNr. 1 S. 428

14 Vergl. Rechtsgutachten zur umweltfreundlichen Beschaffung, Vanessa Schmidt u.a., Berliner Energieagentur GmbH im Auftrag des Umweltbundesamtes, Juli 2014

15 Rechtsgutachten zur umweltfreundlichen Beschaffung, Vanessa Schmidt u.a., Berliner Energieagentur GmbH im Auftrag des Umweltbundesamtes, Juli 2014

16 Vergl. Conrad in Müller-Wrede GWB-Kommentar 2016, zu § 124 GWB, RdNr. 18,19 S. 477

17 BMWi, Erläuterungen zu § 24 UVgO

18 § 127 Abs .1 GWB

19 Art. 67 Abs. 3 der RL 2014/24/EU, Amtsblatt der EU, L 94/134 v. 28.03.2014

20 EuGH, Urteil v. 10.5.2012 – C 368/10: Die Forderung nach einer Herstellung unter Berücksichtigung von Fair-Trade-Kriterien sind keine technische Spezifikation sondern eine zusätzliche Bedingung an die Auftragsausführung im Sinne von Art. 26 RL 2004/18/EG

21 Erwägungsgrund 97 der RL 2014/24/EU, Amtsblatt der EU, L 94/84 v. 28.03.2014; EuGH, Urteil v. 10.5.2012 – C 368/10 (Max Havelaar)

22 Art. 67 Abs. 4 der RL 2014/24/EU, Amtsblatt der EU, L 94/134 v. 28.03.2014

23 Ley, Wankmüller, das neue Vergaberecht 2016, 3. AL, zu § 58 VgV, S. 438

24 Vergl. Hettich in Soudry Hettich, Das neue Vergaberecht 2014, S. 70

25 Art. 68 Abs. 1 der RL 2014/24/EU v. 26.2.2014, Amtsblatt der Europäischen Union v. 28.3.2014 L 94/134

26 Art. 68 Abs. 2 der RL 2014/24/EU v. 26.2.2014, Amtsblatt der Europäischen Union v. 28.3.2014 L 94/134

27 Art. 68 Abs. 3 der RL 2014/24/EU v. 26.2.2014, Amtsblatt der Europäischen Union L 94/135:
Erwähnungsgrund 96, Auszug: Es sollten gemeinsame Methoden auf Unionsebene für die Berechnung der Lebenszykluskosten für bestimmte Kategorien von Lieferungen oder Dienstleistungen entwickelt werden. Wann immer solche gemeinsamen Methoden entwickelt werden, sollte ihre Anwendung verbindlich vorgeschrieben werden. Des Weiteren sollte geprüft werden, ob eine gemeinsame Methode zur Ermittlung der Sozialkosten entlang des Lebenszyklusses festgelegt werden kann, bei den bereits bestehende Methoden wie etwa die im Rahmen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen festgelegten Leitlinien für die soziale Produktbewertung entlang des Lebenszyklusses (Guidelines for Social Life Cycle Assessment of Products) berücksichtigt werden.

28 In diesem Zusammenhang wird auf die Entscheidungen des OLG Düsseldorf vom 29.1.2014 – Verg 28/13 bzw. v. 25.6.2014 – Verg 39/13  verwiesen. Danach ist die Forderung nach Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen keine Mindestanforderung an die Eignung sondern eine zusätzliche Bedingung zur Leistungsausführung im Sinne des § 97 Abs. 4 S. 2 GWB.

29 Erwägungsgrund 97 der RL 2014/24/EU, Amtsblatt der EU, L 94/84 v. 28.03.2014

30 § 128 Abs. 1 GWB

31 Es ist möglich, innovative Aspekte sowohl bei den Zuschlagskriterien als auch bei den Ausführungsbestimmungen zu berücksichtigen. Denkbar scheint die Verwendung innovativer Aspekte im Bereich der Vergabe von IT-Leistungen, bei denen ein bislang so noch nicht gewählter Ansatz verfolgt bzw. entwickelt werden soll; Pohl in Müller-Wrede, GWB-Kommentar 2016, zu § 128 GWB, RdNr. 28-31 S. 605

32 Umweltschutzpolitische Erwägungen können sowohl bei den Zuschlagskriterien aus auch bei den Ausführungsbestimmungen Berücksichtigung finden; Pfohl in Müller-Wrede, GWB-Kommentar 2016, zu § 128 GWB, RdNr. 32 S. 606

33 Soziale und beschäftigungspolitische Maßnahmen, die auch arbeitsmarktpolitische Wirkung haben, können neben der Einhaltung sozialer Mindeststandards (z.B. ILO-Kernarbeitsnormen) insbesondere auch Inklusionsmaßnahmen für Menschen mit Behinderung oder Integrationsmaßnahmen zum Ziel haben; vergl. Pfohl in Müller-Wrede, GWB-Kommentar 2016, zu § 128 GWB, RdNr. 34-35 S. 606

34 Denkbar ist, dass geregelt werden muss, dass bei der Auftragsausführung nur bestimmte sicherheitsüberprüfte Mitarbeiter eingesetzt werden oder nur bestimmte Systeme verwendet werden dürfen, z.B. wenn der Auftrag unter die Regelungen der VSVgV fällt; Pfohl in Müller-Wrede, GWB-Kommentar 2016, zu § 128 GWB, RdNr. 41-42 S. 607

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