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Umweltplakette für Fahrzeuge kein Eignungsnachweis, sondern zusätzliche Anforderung für die Auftragsausführung

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(OLG Düsseldorf, Beschluss 7.5.2014, Az. VII - Verg 46/13)

Der Fall

Eine rheinische Karnevalsmetropole schrieb einen Rahmenvertrag für Abschleppleistungen aus. Die Leistung war in Lose aufgeteilt, nach Stadtgebieten und Sonderdiensten bei Großveranstaltungen z.B. – wie soll es im Rheinland anders sein – an Karneval. In der Vergabebekanntmachung forderte die Auftraggeberin unter dem Punkt „technische Leistungsfähigkeit“, dass die eingesetzten Abschleppwagen mit einer grünen Umweltplakette versehen sein oder über eine entsprechende Befreiung verfügen müssten. Der Nachweis hierfür sei durch eine Kopie des Fahrzeugscheins oder der Ausnahmegenehmigung zu führen. Die Leistungsbeschreibung wiederholte diese Anforderungen. Die Antragstellerin gab Angebote zu einzelnen Losen ab, reichte jedoch die geforderten Nachweise – auch auf Nachforderung – nicht ein. Der Auftraggeber schloss die Angebote wegen nicht nachgewiesener technischer Leistungsfähigkeit alsdann von der Wertung aus.

Die Entscheidung

Zu Unrecht, wie das OLG Düsseldorf in seinem Beschluss befand. Zur Begründung führte das OLG aus, dass die in der Bekanntmachung genannten Umweltkriterien an keine der in § 7 Abs. 3 EG VOL/A, Art. 48 Abs. 2 Richtlinie 2004/18/EG und Art. 16 Abs. 4 Richtlinie 2014/24/EU abschließend aufgeführten Einzelnachweise anknüpften, auch nicht an die Beschreibung der technischen Ausrüstung (vgl. § 7 Abs. 3 Buchst. b EG VOL/A). Von den Abschleppfahrzeugen sollten konkrete umweltbezogene Anforderungen erfüllt werden, was über eine lediglich allgemeine Beschreibung der technischen Ausrüstung weit hinaus gehe. Infolgedessen habe die Auftraggeberin eine unzulässige Anforderung an die technische Leistungsfähigkeit gestellt.

Auch die parallele Verankerung der in Rede stehenden Umweltanforderungen in der Leistungsbeschreibung ändere nach Meinung des OLG Düsseldorf im Ergebnis daran nichts. Die Auftraggeberin habe mit den Umweltanforderungen zusätzliche umweltbezogene Anforderungen (Bedingungen) für die Ausführung gestellt im Sinne von § 97 Abs. 4 S. 2 GWB, Art. 26 Richtlinie 2004/18/EG und Art. 70 Richtlinie 2014/24/EU. Die Forderung nach einer Umweltplakette stehe in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand und sei auch in die Leistungsbeschreibung eingeflossen. Solche Vorgaben dürfe der Auftraggeber grundsätzlich ohne Weiteres treffen, was sich allein schon aus der ihm beim Auftragsgegenstand einzuräumenden Bestimmungsfreiheit ergebe. Allerdings sei es dem Auftraggeber verwehrt, bei zusätzlichen Anforderungen für die Auftragsausführung bereits im Vergabeverfahren in der Art von Eignungsbelegen von Bietern Nachweise für die Einhaltung der Ausführungsbedingungen zu verlangen, so wie es die Auftraggeberin im vorliegenden Fall mit der Forderung, die Berechtigung zum Befahren der Umweltzone durch eine Kopie des Fahrzeugscheines oder einer Ausnahmegenehmigung nachzuweisen, getan habe. Ein solcher Nachweis wäre unangemessen, weil die für die Ausführung des Vertrags erforderliche technische Ausrüstung den Bietern nicht schon im Vergabeverfahren, sondern erst bei Beginn der Auftragsausführung zur Verfügung stehen müsse. Der Auftraggeber sei vielmehr darauf beschränkt, von den Bietern entsprechende Verpflichtungserklärungen des Inhalts zu verlangen, dass sie die an die Ausführung gerichteten zusätzlichen Anforderungen im Falle eines Zuschlags einhalten werden. Der Auftraggeber könne die Einhaltung der zusätzlichen Anforderungen lediglich bei der Auftragsausführung überprüfen - wobei er gut beraten sei, vertraglich ein praktikables Instrumentarium vorzusehen, mit dem Verstöße effektiv geahndet werden könnten.

Praxistipp

Das OLG Düsseldorf knüpft mit diesem Beschluss an seine Entscheidung zu den ILO-Kernarbeitsnormen an (OLG Düsseldorf vom 29.1.2014, Az. VII – Verg 28/13; zwischenzeitlich bestätigt durch Beschluss vom 25.6.2014, Az. VII – Verg 39/13), die nach den meisten Landesvergabegesetzen verbindlich vorgegeben werden. Auch diesbezüglich hat das Gericht entschieden, dass die Forderung nach der Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen nicht die Eignungsprüfung betreffe, sondern eine zusätzliche Anforderung an die Auftragsausführung im Sinne von § 97 Abs. 4 S. 2 GWB darstelle.

Für die Vergabepraxis ist es daher von zentraler Bedeutung, zusätzliche soziale, umweltbezogene oder innovative Anforderungen an Auftragnehmer richtig zu verorten. Werden solche zusätzlichen Anforderungen als Eignungskriterien mit dazugehörigen Nachweisen ausgestaltet, wird das Vergabeverfahren angreifbar. Vielmehr handelt es sich bei entsprechenden Anforderungen um zusätzliche Bedingungen für die Auftragsausführung im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 2 GWB. Diese sind in der Leistungsbeschreibung zu verankern. Wichtig ist außerdem, dass der Auftraggeber die Einhaltung solcher zusätzlichen Anforderungen sich nicht schon im Vergabeverfahren nachweisen lassen darf, sondern darauf beschränkt ist, sich entsprechende Verpflichtungserklärungen der Bieter vorlegen zu lassen, die er erst bei der Auftragsausführung überprüfen kann. Damit dies kein stumpfes Schwert ist, sollte der Auftraggeber im Vertrag entsprechende Sanktionsmechanismen vorsehen, damit ein Bieter später bei der Auftragsausführung die auf Papier abgegebene Verpflichtungserklärung auch tatsächlich einhält.

Wichtig ist auch noch einmal die klare Aussage des Oberlandesgerichts Düsseldorf, dass Nachweisforderungen bezüglich der technischen Leistungsfähigkeit auf die in § 7 Abs. 3 EG VOL/A (Art. 48 Abs. 2 Richtlinie 2004/18/EG) aufgeführten Nachweise begrenzt sind. Über diesen abschließenden Katalog hinausgehende Nachweisforderungen sind deshalb unbedingt zu vermeiden.

Interessant am Beschluss des Gerichts ist außerdem, dass es zur Begründung seiner Rechtsauffassung auch auf die Regelungen der neuen Vergaberichtlinie 2014/24/EG zurückgreift, obwohl die Umsetzungsfrist für die Richtlinie (18.4.2016) noch nicht abgelaufen ist. Dies zeigt, wie wichtig es ist, dass sich die Vergabepraxis frühzeitig mit den neuen Regelungen vertraut macht.

Rudolf Ley

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