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Vergabe von Restarbeiten nach Kündigung des Auftrages

Die Vergabekammer Nordbayern hat mit Beschluss vom 20.2.2025 festgestellt, dass die direkte Vergabe von Restarbeiten an ein Drittunternehmen nach Kündigung des ursprünglichen Auftrages eine Ersetzung des Auftragnehmers nach § 132 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 GWB darstelle. Auf die Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens könne nur unter den Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GWB verzichtet werden.

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Der Fall

Die VSt schrieb europaweit Abbrucharbeiten aus. Die Vergabe erfolgte an die Firma P. Parallel führte die VSt ein europaweites Vergabeverfahren für Baumeisterarbeiten durch. Den Zuschlag erhielt hier die Firma R. Den Vertrag mit der P bezüglich der Abbrucharbeiten kündigte die VSt.

Die Antragstellerin (ASt) bat die VSt um Bestätigung, dass die Restleistungen der Abbrucharbeiten ausgeschrieben würden. Die ASt habe aus der Lokalpresse erfahren, dass es bei dem Projekt vertragliche Schwierigkeiten mit der für die Abbruchleistungen ursprünglich beauftragen Baufirma gebe und eine Vergabe der ausstehenden Leistungen an eine andere Firma im Zuge einer Ersatzvornahme vorgesehen sei.

Die VSt teilte auf das Auskunftsersuchen der ASt mit, dass keine Ausschreibungspflicht für die Restleistungen bestehe. Daraufhin rügte die ASt die Vergabe der Restleistungen der Abbrucharbeiten. Der Rüge half die VSt nicht ab.

Die VSt machte sodann eine Auftragsänderung europaweit bekannt, aus der hervorging, dass die Firma R im Wege von Nachträgen die Abbrucharbeiten mit Nachunternehmer ausführt.

Die ASt stellte daraufhin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Nordbayern, mit dem Ziel, die Unwirksamkeit des zwischen der VSt und der Firma R geschlossenen Vertrages festzustellen. Außerdem sei der VSt aufzugeben, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ein rechtskonformes Vergabeverfahren einzuleiten, an dem sich die ASt beteiligen könne. Nachdem die Restarbeiten zwischenzeitlich vollständig abgeschlossen waren, somit eine Ausschreibung der Leistungen nicht mehr möglich war, stellte die ASt ihren Antrag um und begehrte nunmehr die Feststellung, dass der zwischen der VSt und der Firma R geschlossene Vertrag über die Abbrucharbeiten vergaberechtswidrig geschlossen und die ASt dadurch in ihren Rechten verletzt worden sei.

Ley / Altus / Müller

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Die Entscheidung

Die Vergabekammer gab der ASt Recht und erklärte den Fortsetzungsfeststellungsantrag für zulässig und begründet. Die streitgegenständlichen Restabbrucharbeiten hätten aus Sicht der Vergabekammer nach der Kündigung des ursprünglichen Auftragnehmers erneut öffentlich ausgeschrieben werden müssen.

Die Vergabekammer weist darauf hin, dass gemäß § 132 Abs. 1 S. 1 GWB wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren erfordern. Nach § 132 Abs. 1 S. 3 Nr. 4 GWB liege eine wesentliche Änderung insbesondere vor, wenn ein neuer Auftragnehmer den Auftragnehmer in anderen als den in § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GWB vorgesehenen Fällen ersetzt. Im vorliegenden Fall handele es sich trotz der erfolgten Kündigung des Altauftrags um einen Fall der Ersetzung des Auftragnehmers während der Vertragslaufzeit (vgl. BayObLG, B. v. 21.02.2024, Verg 5/12). Nach der Systematik des § 132 GWB könne in einem solchen Fall der Auftragnehmer ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens nur unter den Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GWB ersetzt werden. Dessen Voraussetzungen seien hier jedoch nicht erfüllt. Damit sei im vorliegenden Fall § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 GWB nicht anwendbar (vgl. BayObLG, Beschluss vom 21.2.2024, Verg 5/12).

Ebenso sei § 132 Abs. 3 GWB nicht einschlägig. Die Beauftragung des Drittunternehmens im Wege von Nachträgen mit Nachunternehmereinsatz stelle eine Änderung des Gesamtcharakters des Auftrags dar (Vergabekammer Südbayern, Beschluss vom 28.2.2023, 3194.Z3-3_0122).

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Fazit

Schon zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres befassen sich die bayerischen Vergabenachprüfungsinstanzen mit der durchaus praxisrelevanten Fragestellung, wie Restarbeiten nach der Kündigung des ursprünglichen Auftragnehmers zu vergeben sind. Die Vergabekammer Südbayern (Beschluss vom 28.2.2023, 3194.Z3-3_01-22-41) und als Beschwerdeinstanz das BayObLG (Beschluss vom 21.2.2024, Verg 5/23) waren seinerzeit zu dem Ergebnis gekommen, dass in dem zugrunde liegenden Fall eine neue Ausschreibung der Restarbeiten erforderlich gewesen sei (Newsletter vom 5.3.2024). Anders als die Vergabekammer Südbayern vertrat das BayObLG allerdings die Auffassung, dass es sich trotz der erfolgten Kündigung des Vertrags um einen Fall der Ersetzung des Auftragnehmers während der Vertragslaufzeit i.S.d. §132 Abs. 1 S. 3 Nr. 4, § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GWB handele. Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise vergabrechtsfreie Auftragsänderung nach § 132 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 GWB hätten jedoch nicht vorgelegen, sodass sich das Gericht im Ergebnis der Vergabekammer Südbayern anschloss. Die Vergabekammer Nordbayern setzt nun diese Linie fort.

Im Rahmen der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages weist die Vergabekammer Nordbayern in ihrem aktuellen Beschluss darauf hin, dass Gegenstand der Auftragswertschätzung nicht lediglich die ausstehenden Restleistungen seien. Bei Kündigung des Altauftrags und neuer Vergabe der noch nicht fertiggestellten oder nur mangelhaft erbrachten Leistungen sei für den nach § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert auf den gekündigten Altauftrag abzustellen. Die Vergabekammer nimmt dabei Bezug auf den Beschluss des OLG Frankfurt vom 7.6.2022 (11 Verg 12/21), in dem sich das Gericht ausführlich mit dieser Frage auseinandersetzt.

Verfasser: Rudolf Ley

Vergabekammer Nordbayern: Beschluss vom 20.2.2025

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