Die Erlasse von BMWSB und BMDV ergänzen die jeweiligen Bezugserlasse vom 25.03.2022 und verlängern deren Geltung bis zum 31.12.2022.
Für die in den Bezugserlassen genannten Stoffe sind im Rahmen von Vergabeverfahren stets Preisgleitklauseln zu vereinbaren. Darüber hinaus wird aktuell klargestellt, dass auch für nicht genannte Stoffe, wenn die Voraussetzung ungewöhnlicher Preisveränderungen vorliegen, Stoffpreisgleitklausen zu vereinbaren sind.
Der Zeitraum zwischen Angebotsabgabe und Abrechnungszeitpunkt (Einbau, Verwendung) muss mindestens einen Monat betragen;
abweichend von der Richtlinie FFB 225 VHB muss der betroffene Stoffkostenanteil mindestens 0,5 % der vom Auftraggeber geschätzten Auftragssumme betragen,
mindestens aber 5.000 Euro überschreiten.
Die Richtlinie FFB 225 VHB sieht als Grundlage der Ermittlung der Mehr- oder Minderkosten aufgrund der Preisgleitung die Ermittlung von drei Basiswerten für drei Zeitpunkte (Veröffentlichung – Angebotsöffnung – Abrechnung) vor:
Arithmetisches Mittel aus mindestens drei Stoffpreisabfragen bei einschlägigen Lieferanten oder ggf. die Heranziehung von Stoffpreisen aus vorangegangenen vergleichbaren Ausschreibungen.
Der aktualisierte Erlass vom 22.06.2022 lässt zur Ermittlung des Basiswertes 1 ausdrücklich auch den Rückgriff auf kommerzielle Preisdatenbanken oder auf von Bauwirtschaftsverbänden bereitgestellte Preisübersichten zu!
Die Fortschreibung auf den Basiswert 2 erfolgt durch Division des Index „Eröffnung der Angebote“ durch den Index „Versand der Vergabeunterlagen“.
Der ermittelte Quotient ist mit dem Basiswert 1 zu multiplizieren.
Die Fortschreibung auf den Basiswert 3 erfolgt ebenso:
Division des Index „Abrechnungszeitpunkt“ mit dem Index „Eröffnung der Angebote“ und Multiplikation des so ermittelten Quotienten mit dem Basiswert 2.
Heranzuziehen für die Fortschreibung sind die Preisindizes „Erzeugerpreise gewerbliche Produkte/GP des Statistischen Bundesamtes“ vom Monat der Angebotsöffnung und dem Monat der Bereitstellung der Vergabeunterlagen.
Hierzu
Startseite Statistisches Bundesamt
(https://www.destatis.de/DE/Home/_inhalt.html)
„Genesis online Datenbank“ anklicken:
https://www-genesis.destatis.de/genesis/online
Thema 6 „Preise, Verdienste, …“ anklicken:
https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=themes&code=6#abreadcrumb
Untermenü 61 ausklappen und „61241 Index der Erzeugerpreis gewerblicher Produkte/GP“ auswählen:
https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?operation=statistic&levelindex=0&levelid=1656258965214&code=61241#abreadcrumb
-61241-004 anklicken:
Monate und Güterverzeichnis auswählen,
Downloadmenü aufklappen, letzte Option „GP 2009 (ausgewählte 9-Steller): Gewerbliche Produkte (1350)“ auswählen.
Die Mehr-, Minderkosten ergeben sich schließlich aus der Differenz des Basiswertes 3 und des Basiswertes 2 multipliziert mit der jeweils abzurechnenden Stoffmenge.
Es ist ein Selbstbehalt von 10 % der Mehr- oder Minderaufwendungen zu berücksichtigen.
Ist ein Basiswert 1 tatsächlich nicht ermittelbar, lässt der aktualisierte Erlass vom 22.06.2022 den Verzicht hierauf zu. Als Alternative ist hilfsweise vom Bieter die Angabe eines Stoffpreises im Angebot zu fordern (s. neues Formblatt 225a VHB).
Dabei handelt es sich um den jeweiligen Stoffkostenanteil der genannten Teilleistungen ohne Zuschläge für Allgemeine Geschäftskosten, Baustellengemeinkosten sowie Wagnis und Gewinn.
Dieser Stoffpreis wird mit dem Basiswert 2 gleichgesetzt und wie oben dargestellt auf den Basiswert 3 fortgeschrieben.
Die Wirtschaftlichkeit des angegebenen Stoffpreises ist durch Vergleich mit den übrigen Angeboten zu prüfen. Bei unterlassener Angabe des Stoffpreises erfolgt entgegen der sonstigen Nachforderungsverpflichtung keine Nachforderung.
Der Erlass des BMWK vom 24.06.2022 stellt eine Auslegungshilfe dar. Allgemein erläutert werden Instrumente der Vertragsanpassung sowie Möglichkeiten von Preisvorbehalten.
Die derzeitigen Ereignisse sind grundsätzlich geeignet, die Geschäftsgrundlage von Verträgen zu stören. Ob sich hieraus eine Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag ergibt, muss in jedem Einzelfall geprüft werden.
Sollte eine Unzumutbarkeit gegeben sein, besteht ein Anspruch des Unternehmens auf Preisanpassung. Sollte eine solche nicht ausreichen, die Zumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag wieder herzustellen, besteht ein Rücktritts-, Sonderkündigungsrecht des Unternehmens.
Vertragsanpassungen zum Nachteil des Bundes sind grundsätzlich unzulässig. Allerdings ist dies unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten im Einzelfall zu betrachten. Ergibt eine Gesamtabwägung, dass eine Preisanpassung die Fortführung des Projektes gewährleistet oder anderweitige Kosten/Aufwendungen erspart werden, dürfte kein wirtschaftlicher Nachteil gegeben sein.
Darüber hinaus sind in besonders begründeten Ausnahmefällen auch wirtschaftlich nachteilige Vertragsänderungen möglich.
Ist der Anwendungsbereich des § 132 GWB berührt („Auftragsänderung“ und nicht nur Preisanpassung), dürften die derzeitigen Umstände eine Auftragsänderung ohne neues Vergabeverfahren rechtfertigen.
Preisvorbehalte bei der Vergabe von Liefer-, Dienstleistungsaufträgen sollen grundsätzlich zurückhalten vereinbart werden. Jede Vergabestelle kann jedoch im Einzelfall eigenverantwortlich deren ausnahmsweise Vereinbarung prüfen.
Verfasser: Hans-Peter Müller
Anlagen:
1BMWSB – BWI7-70437/9#4 vom 22.06.2022; BMDV – StB 14/7134.2/005/3690949 vom 22.06.2022; BMWK – IB6-20606-001 vom 24.06.2022.
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