Das Bundesministerium für Wirtschaft kündigt im Überwachungsbericht an, Änderungsbedarfe im EU-Rechtsrahmen vorzulegen. Sie betreffen unter anderem die Schwellenwerte sowie ein kohärentes vergaberechtliches Gesamtregelungssystem.
Nach den Governance-Regeln des Artikels 83 der Richtlinie 2014/24/EU (öffentliche Auftragsvergabe), Artikel 99 der Richtlinie 2014/25/EU (Auftragsvergabe durch Auftraggeber im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste,) Artikel 45 der Richtlinie 2014/23/EU (Konzessionsvergabe) sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union – beginnend ab dem 18.4.2017 – verpflichtet, jeweils im 3-Jahres-Rhythmus der Europäischen Kommission einen Überwachungsbericht zur Vergabe öffentlicher Aufträge vorzulegen.
Für den Anwendungsbereich der der RL 2014/24 EU bestimmt Artikel 83 Abs. 3 den Umfang des Überwachungsberichtes.
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Danach soll der Überwachungsbericht insbesondere enthalten:
- Informationen über die häufigsten Ursachen einer falschen Anwendung oder Rechtsunsicherheit, einschließlich möglicher struktureller oder wiederkehrender Probleme bei der Anwendung der Vorschriften,
- Ausmaß der Beteiligung von KMU an der öffentlichen Auftragsvergabe
- Vorbeugung, Aufdeckung und angemessene Berichterstattung über Fälle von Betrug, Bestechung, Interessenkonflikten sowie
- sonstige schwerwiegende Unregelmäßigkeiten im Bereich des öffentlichen Auftragswesens.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union haben bis auf wenige Ausnahmen der EU-Kommission die Berichte vorgelegt. Diese hat die aktuellen Berichte für das Jahr 2024 auf Ihrer Internetseite „Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum, KMU“ unter dem Abschnitt „Information über die EZ-Länder“ veröffentlicht. Der Abschnitt mit Informationen über die EU-Länder umfasst die Überwachung des Binnenmarktanzeigers und die Umsetzung der EU-Vorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe in den EU-Ländern sowie Links zu nationalen Websites für die öffentliche Auftragsvergabe und nationale Strategien für die öffentliche Auftragsvergabe.
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In seinem Bericht vom 15.5.2024 sieht das BMWK unter anderem hinsichtlich der Fragestellung nach den Ursachen für falsche Anwendung oder Rechtsunsicherheit (einschließlich möglicher struktureller oder wiederkehrender Probleme) kein strukturelles oder durchgehendes Problem.
Hauptursachen für eine falsche Anwendung seien fehlende Rechtskenntnis oder Unsicherheit, wie Rechtsnormen anzuwenden sind. Auch die Nichteinhaltung von Fristen, die Nichtveröffentlichung von Eignungskriterien oder eine nicht hinreichende Dokumentation könnten vorkommen. Ein strukturelles Problem wird nach Darstellung des BMWK hierin aber nicht gesehen.

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Die Schätzung des Auftragswertes gestalte sich insofern schwierig, als dass eine Schätzung des Leistungsumfanges mit Blick auf die zu erbringende Stundenzahl und den Stundensatz teilweise nicht konkret ermittelt werden könne. Ein weiterer Faktor einer fehlerhaften Schätzung des Auftragswerts sieht das BMWK aufgrund von inflationsbedingten Preissteigerungen, einer fehlenden Expertise im Markt bzw. fehlender Marktanalyse sowie in der Beurteilung einheitlicher Beschaffungsvorgänge, bei unvorhergesehenen Kostenmehrungen nach Beginn des Vergabeverfahrens oder bei Verträgen mit Verlängerungsklausel.
Zu den Maßnahmen, mit denen die festgestellten Probleme abgemildert werden sollten, führt das BMWK insbesondere auf:
- Vier-Augen-Prinzip,
- interne Qualitätssicherung,
- Fachaufsicht (inkl. Leitfäden/Fachaufsichtskonzept),
- stichprobenartige Überprüfung von Vergaben, z.B. durch Rechnungsprüfungsstellen, Justiziariat, unabhängige Prüfstellen,
- Entwicklung und Fortschreibung von Maßnahmenkonzepten zur Verbesserung der Vergabepraxis,
- hinreichende Personalausstattung, mehr vergaberechtlich qualifiziertes Personal,
- Einrichtung/Nutzung zentraler Vergabestellen (Spezialisierung, Bündelung von Know-How/Erfahrungswissen, gezielte Beratungskompetenz); Rahmenvertragsplanung für verschiedene Bedarfsträger öffnen,
- Schulungen, Fortbildungen (Vergaberecht und Korruptionsprävention) Richtlinie der Bundesregierung zur Korruptionsprävention in der Bundesverwaltung,
- Verwendung von Formularen/Mustern, einheitliche und standardisierte Arbeitsprozesse,
- Einsatz eines (zentralen) Vergabemanagementsystems, z.B. zur Vermeidung fehlerhafter Fristsetzung, auch hilfreich für Dokumentation,
- Umfangreichere Aktivitäten im Bereich der Markterkundung können zu mehr Wettbewerb, Nachhaltigkeit und Innovation im Einkauf führen,
- bei ähnlichen Ausschreibungen das Auftragsvolumen (der letzten Jahre) überprüfen/vergleichen (Benchmarking),
- bei Dringlichkeitsvergaben ggfs. betroffene Verfahren im Nachgang veröffentlichen,
- zeitnahe Bedarfsplanung, um Fristsetzung ausreichend setzen zu können,
- enge Abstimmung der Vergabestelle mit dem Bedarfsträger,
- Besonderheiten, z.B. Tagespreise in der IT, sind bei der Auftragswertschätzung (unter Beachtung der Schwellenwerte) zu berücksichtigen,
- Schätzung des höchstmöglichen Auftragswerts.
Mit Blick auf die weitere Entwicklung des Vergaberechts weist das BMWK auf die beabsichtigte Reform des nationalen vergaberechtlichen Rechtsrahmens hin.
Eine umfangreiche ex-ante-Konsultation der Stakeholder hat hierzu bereits stattgefunden. Siehe dazu auch Newsletter vom 21.6.2024.
Über einzelne Bedarfe zur Anpassung der bestehenden EU-Vergaberechtsrichtlinien hinaus wird dies nach Darstellung des BMWK auch eine Anpassung der Schwellenwerte betreffen. Das BMWK sieht vor dem Hintergrund der zahlreichen neuen EU-Sektordossiers mit Beschaffungsbezügen die Herstellung eines kohärenten, klaren und damit anwenderfreundlichen vergaberechtlichen Gesamtregelungssystems auf EU-Ebene als ein weiteres wichtiges Thema.
In diesem Zusammenhang wird auf den Newsletter vom 16.11.2023 verwiesen.
Im Rahmen der Festsetzung der Schwellenwerte am 1.1.2024 wurde die Initiative des Freistaates Bayern und des Landes Nordrhein-Westfalen im Bundesrat (Bundesratssitzung am 10.2.2023) dargestellt. Ziel der Initiative war, den Verwaltungs- und Kostenaufwand für die Auftraggeber- und Auftragnehmerseite zu reduzieren, den Mittelstand zu entlasten, die Anzahl der aufwändigen Verfahren im Oberschwellenbereich deutlich zu verringern und öffentliche Investitionen zur Stützung der Konjunktur zu beschleunigen. Vor allem mit Blick auf die föderale Struktur der Bundesrepublik Deutschland mit ihren vielen kleinen Kommunen als öffentliche Auftraggeber mit begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen sollte eine deutliche Anhebung der Schwellenwerte zu erheblichen Erleichterungen führen. Die Anregung des Bundesrates wurde seinerzeit von der Bundesregierung nicht aufgegriffen. Gleichwohl hielt die Bundesregierung eine Anpassung der Schwellenwerte vor dem Hintergrund der Preisentwicklung für grundsätzlich geboten. In diesem Zusammenhang beabsichtigte die Bundesregierung, dieses Thema im gebotenen völkerrechtlichen Rahmen und innerhalb der handelspolitischen Zuständigkeit der Europäischen Union mit entsprechender Mandatierung der Europäischen Kommission zu adressieren.
Nunmehr thematisiert das BMWK im Rahmen des Überprüfungsberichts vom 15.5.2024 die Festsetzung der Schwellenwerte und sieht hier einen entsprechenden Anpassungsbedarf.
Verfasser: Dietmar Altus
Weiterführende Links:
1. Länderberichte und Informationen zu den EU-Ländern
Länderberichte und Informationen über die EU-Länder - Europäische Kommission (europa.eu)
2. Öffentliches Beschaffungswesen in den EU-Ländern
Öffentliches Beschaffungswesen in den EU-Ländern - Europäische Kommission (europa.eu)
3. BMWK Vergabestatistik und Monitoringbericht
BMWK - Vergabestatistik und Monitoringbericht
4. Öffentliche Konsultation zur Transformation des Vergaberechts („Vergabetransformationspaket“)
fragebogen-stakeholder-vergabetransformationspaket.pdf (bmwk.de)
5. BMWK Öffentliches Auftragswesen
BMWK - Öffentliches Beschaffungswesen
6. Bundesratsdrucksache 602/22
Microsoft Word - 0602-22B(zu)Vor (bundesrat.de)