Zum Umgang mit dem Bayerischen Infektionsschutzgesetz (BayIfSG)
Rechtsgrundlage zur Verhütung und Bekämpfung übertragbarer Krankheiten ist das Infektionsschutzgesetz des Bundes (früher: Bundes-Seuchengesetz). Es ermächtigt die zuständigen Behörden, die zum Schutz des Einzelnen und der Bevölkerung zwingend notwendigen Maßnahmen zu treffen, das heißt entsprechende bußgeldbewehrte Anordnungen zu erlassen. Diese greifen zwangsläufig in die grundgesetzlich gewährleisteten Grundrechte ein (etwa Freiheit, Freizügigkeit, Eigentum, Berufsfreiheit, körperliche Unversehrtheit). Der Bürger ist diesen Maßnahmen im Rechtsstaat der Bundesrepublik Deutschland zwar nicht schutzlos ausgesetzt: Er kann dagegen vor dem Verwaltungsgericht klagen und die Rechtmäßigkeit der Anordnung überprüfen lassen, den Vollzug der Maßnahmen kann er dadurch allerdings nicht verhindern.
Neben den sogenannten Generalklauseln (§§ 16, 24) enthält das Infektionsschutzgesetz (IfSG) detaillierte Vorgaben für die Übermittlung und Überwachung von Kontaktpersonen (§§ 25, 29 IfSG), Tätigkeitsverbote (§ 31, 34 IfSG), Quarantäne (§ 30 IfSG) sowie hinsichtlich sexuell übertragbarer Krankheiten (§ 19 IfSG).
Abgesehen davon, dass die besonderen Vorschriften des IfSG zur Krankenhaushygiene (§ 23 IfSG), zur Hygiene in Schulen, Kindertagesstätten etc. (§§ 33 ff.), in Heimen und sonstigen Unterkünften (§ 36 IfSG) auch für die einschlägigen kommunalen Einrichtungen maßgeblich sind, werden die Kommunen im IfSG nur in § 30 Absatz 7 im Rahmen der Quarantäne genannt: „Die zuständigen Gebietskörperschaften haben dafür zu sorgen, dass die [für seuchenrechtliche Absonderungsmaßnahmen] notwendigen Räume, Einrichtungen und Transportmittel sowie das erforderliche Personal zur Durchführung von Absonderungsmaßnahmen außerhalb der Wohnung zur Verfügung stehen.“ Es wird zweifellos zweckmäßig sein, zwischen den betroffenen Kommunen zu klären, auf welcher Ebene und in welche Weise diesem Erforderlich im Bedarfsfall Rechnung getragen werden kann.
Zuständige Behörden zum Vollzug des Infektionsschutzgesetzes sind in der Regel die Kreisverwaltungsbehörden; dies sind
a) die Landratsämter samt den eingegliederten Gesundheitsämtern
b) die kreisfreien Städte ohne eigene Gesundheitsämter
c) die kreisfreien Städte mit eigenem Gesundheitsamt (Augsburg, München, Nürnberg, Ingolstadt und Memmingen).
Bei landesweit übergreifenden Fällen kann das Gesundheitsministerium diese Aufgabe übernehmen, ebenso im Einzelfall.
Die Zuständigkeitsregelung hindert die kreisangehörigen Gemeinden nicht, sich im Hinblick auf die in Artikel 57 der Gemeindeordnung genannte „Gesundheit“ („Im eigenen Wirkungskreis sollen die Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit die öffentlichen Einrichtungen schaffen und erhalten [...], insbesondere Einrichtungen zur Aufrechterhaltung der [...] der Gesundheit“) im Rahmen ihrer Möglichkeiten aktiv an Maßnahmen zum Infektionsschutz zu beteiligen (z. B. momentan die vielfach praktizierte Beschaffung und Ausgabe von Schutzmasken oder die Unterstützung der zuständigen Behörden bei der Ermittlung von Kontaktpersonen, auch als Amtshilfe).
In der Erkenntnis, dass die Möglichkeiten des Infektionsschutzgesetz des Bundes unter Umständen nicht ausreichen könnten, den notwendig Schutz der Bevölkerung vor dem Coronavirus zu erreichen, hat der bayerische Landtag binnen kürzester Frist am 25. März ein „Bayerisches Infektionsschutzgesetz“ beschlossen (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 174). Die Befugnisse dieses Gesetzes, das regulär mit Ablauf des 31. Dezember 2020 wieder außer Kraft treten soll, sind allerdings abhängig von der Feststellung eines „Gesundheitsnotstands“ durch die Bayerische Staatsregierung. Voraussetzung dafür ist, dass eine übertragbare Krankheit im Sinne des IfSG in der bayerischen Bevölkerung so zahlreich oder in so schwerer Ausprägung auftritt oder aufzutreten droht, dass dadurch die Versorgungssicherheit durch das öffentliche Gesundheitswesen und die Gesundheit oder das Leben einer Vielzahl von Menschen ernsthaft gefährdet erscheint (§ 1 BayIfSG). Je nach unterschiedlicher Gefährdungslage ist eine zeitlich oder örtlich beschränkte Feststellung des Gesundheitsnotstands möglich. Bis dato ist diese Ausrufung des Gesundheitsnotstands, die an keine besondere Form gebunden ist, für Bayern aber nicht erfolgt.
Das Gesetz schränkt die Handlungsmöglichkeiten nach dem Katastrophenschutzgesetz nicht ein, vielmehr sollen diese erforderlichenfalls daneben angewandt werden können. Um sowohl die Materialversorgung wie auch die notwendigen Personalkapazitäten zu sichern, sieht das BayIfSG u. a. die behördliche Beschlagnahme von medizinischem, pflegerischem oder sanitärem Material“ (z. B. Arzneimittel, Schutzkleidung) und die Dienstverpflichtung von Ärzten oder Pflegepersonal vor.
Im (Bundes-)Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (Bundesgesetzblatt I S. 587) hat auch der Bund nun ziemlich exakt die im bayerischen Gesetz enthaltenen Bereiche geregelt. Diese bundesrechtlichen Vorschriften wirken im Rahmen der grundgesetzlich geregelten Gesetzgebungskompetenzen jedoch als Sperre gegenüber einschlägigem Landesrecht. Man wird deshalb davon ausgehen müssen, dass das bayerische Gesetz zumindest insofern nichtig ist.

