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Gleichstellungsplan nach dem neuen BGleiG (II)

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Der Gleichstellungsplan ist eine Aufgabe und ein Instrument der Verwaltung – das haben wir in der vergangenen Woche an dieser Stelle diskutiert (siehe Blog vom 14.9.2015). Die Dienststelle ist für die Inhalte verantwortlich und hat die Gleichstellungsbeauftragte bei der Erstellung zu beteiligen. Diese sollte sich im Erstellungsprozess die Neufassung des Bundesgleichstellungsgesetzes und die Gesetzesbegründung genau ansehen. Sie sollte sich aber auch und vor allem ihre eigenen Gedanken machen. Denn das Gesetz ist mit seinen Vorgaben zur Förderung von Frauen als dem meist zahlenmäßig unterrepräsentierten d.h. strukturell benachteiligten Geschlecht nicht mehr stringent. Das ist wohl dem Eifer des Gefechts, d.h. Hektik des Gesetzgebungsverfahrens geschuldet und wird nun zu einigen Missverständnissen, ggf. falschen Entscheidungen und auch fehlerhaften Gleichstellungsplänen führen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

das mit dem Bundesjustizministerium co-federführende Bundesfrauenministerium wollte das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“, dessen Artikel 2 das BGleiG ist, unbedingt zum Internationalen Frauentag im Bundestag verabschieden. Da der 8. März in diesem Jahr auf einen Sonntag fiel, blieb als letztmöglicher Termin Freitag, der 6.3.2015.
Nach der so bemerkenswerten Sachverständigen-Anhörung1 der beiden zuständigen Bundestagsausschüsse2 am 23.2.2015 musste der Gesetzestext also in nur acht Arbeitstagen mit fliegenden Stiften und sehr heißen Nadeln noch verfassungsgemäß „umgestrickt“ werden – inklusive aller Abstimmungen innerhalb der Bundesregierung etc. Und das ist entsprechend nicht an allen Stellen gelungen.

Für den Gleichstellungsplan gilt das u.a. in § 13 Abs. 2 Nr. 1, in dem es heißt:  „Der Gleichstellungsplan legt fest, wie bis zum Ende seiner Geltungsdauer 1. die Unterrepräsentanz von Frauen oder Männern in den einzelnen Bereichen nach § 3 Nummer 2 abgebaut werden soll, ...“ und fährt in Absatz 4 fort: „Sofern personalwirtschaftliche Maßnahmen vorgesehen sind, durch die Stellen oder Planstellen gesperrt werden oder wegfallen, ist im Gleichstellungsplan vorzusehen, dass der Anteil des unterrepräsentierten Geschlechts in den betreffenden Bereichen nach § 3 Nummer 2 zumindest nicht sinkt“.

Diese Regelungen können nichts anderes sein als in der Eile der Änderungen versäumte Anpassungen an den Grundsatz, dass nur strukturelle Benachteiligung einen Förderauftrag auslöst. Wenn es nämlich verfassungswidrig ist, dass Männer bei alleiniger Unterrepräsentanz ohne nachweisbare strukturelle Benachteiligung gefördert werden, dann kann auch im Gleichstellungsplan nichts anderes stehen.
Und da es laut Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke3 vom Sommer 2014 eine strukturelle Benachteiligung von Männern nicht gibt, d.h. ihr keine bekannt ist, läuft der entsprechende Passus hier ins Leere. Keine Gleichstellungsbeauftragte, die ihren Job ernst nimmt, darf sich auf eine Förderung von rein zahlenmäßig unterrepräsentierten Männern einlassen. Das wäre m.E. verfassungswidrig.

Das Gleiche gilt für § 6, der sich mit Arbeitsplatzausschreibung beschäftigt. In Absatz 1 heißt es: „ ... Der Ausschreibungstext muss so formuliert sein, dass er ... Angehörige des in dem jeweiligen Bereich unterrepräsentierten Geschlechts verstärkt zur Bewerbung auffordert.“ In Absatz 2 geht es im gleichen Stil weiter: „Wenn in einem Bereich Frauen oder Männer unterrepräsentiert sind, soll ein freier Arbeitsplatz ausgeschrieben werden, um die Zahl der Bewerberinnen oder der Bewerber zu erhöhen“. Bei Unterrepräsentanz und gleichzeitiger struktureller Benachteiligung gilt die Fördervorschrift – für Frauen. Eine rein zahlenmäßige Unterrepräsentanz ohne nachweisbare Benachteiligung – von Männern – heißt: kein Förderauftrag. Wie schon der frauenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion Marcus Weinberg bei der ersten Lesung des Teilhabegesetzes am 30.1.2015 in der Bundestagsdebatte sagte: „Nachteile müssen abgebaut werden. Aber es kann nicht das Ziel sein, vom Grundsatz der Parität auf allen Ebenen auszugehen. Mit Verlaub, der Sinn von Artikel 3 Absatz 2 des Grundgesetzes ist unseres Erachtens die Beseitigung bestehender Nachteile.4

Das sehe ich auch so und an dieser Stelle müssen wir uns auch im Hinblick auf den Gleichstellungsplan einsetzen. Es geht nicht um „Gleichstellung by Rechenschieber“. Gut ist die Welt nicht, wenn es überall 50 : 50 steht. Gut, d.h. gerecht ist die Welt des öffentlichen Dienstes, wenn die Benachteiligungen von Frauen beseitigt werden. Alles andere widerspräche dem (auf Druck der Gleichstellungsbeauftragten und der Sachverständigen hin geänderten) Geist des Gesetzes. Genau in diese Falle könnten aber unsere Dienststellen tappen, wenn wir nicht aufpassen. Das wäre ein einzelner lohnender Aspekt für einen zumindest weniger fehlerhaften Gleichstellungsplan.

Mit aufmerksamen Grüßen

Ihre Kristin Rose-Möhring


1 Siehe Blog vom 23.2.2015, "Heute im Bundestag - Neufassung des Bundesgleichstellungsgesetzes";
u.a. – S. 22f – Marion Eckertz-Höfer (Präsidentin des Bundesverwaltungsgerichts a. D.): „Das geltende Bundesgleichstellungsgesetz gehört ... bundesweit noch zu den besten Gleichstellungsgesetzen. ...  Dies berücksichtigend, sehe ich in dem vorliegenden Entwurf leider keine nennenswerten Verbesserungen. Als Hauptkritikpunkte möchte ich nennen: Die leistungsbezogene Männerquote ist zumindest in Verbindung mit formaler Unterrepräsentanz eindeutig verfassungswidrig.“ und – S. 30f – Dr. Torsten von Roetteken (Vorsitzender Richter am Verwaltungsgericht Frankfurt am Main): „Der Übergang zur Männerförderung und zur Bevorzugung in Auswahlentscheidungen und deren Vorbereitung ist aus meiner Sicht offensichtlich verfassungswidrig und verstößt auch gegen das Recht der Europäischen Union in seiner verbindlichen Auslegung durch den Europäischen Gerichtshof.“
2 Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Bundestagsausschuss für Justiz und Verbraucherschutz
3
BT-Drs. 18/2402 vom 26.08.2014, veröffentlicht am 02.09.2014
4 http://suche.bundestag.de/plenarprotokolle/search.form

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