Schwestern von gestern (2) – Mary Wollstonecraft
Liebe Leserin, lieber Leser,
das Leben beider Frauen weist durchaus Parallelen auf: Sie sind Zeitgenossinnen, beide forderten gleiche Rechte für Frauen – Olympe de Gouges 1791 mit ihrer Frauenrechtserklärung, Mary Wollstonecraft mit ihrem „Plädoyer für die Rechte der Frau“1, das 1792, also vor 220 Jahren erschien. Beide Frauen wurden wegen ihrer Ansichten scharf verurteilt und öffentlich geschmäht, beide starben jung.
Mary Wollstonecraft wird 1759 in London geboren. Als Mädchen erhält sie nur ein Mindestmaß an Bildung und bringt sich später als Autodidaktin das ersehnte Wissen selbst bei, so z.B. mehrere Sprachen, u. a. auch Deutsch, das sie fließend spricht.
Geprägt vom Schicksal ihrer Mutter, die mit einem Alkoholiker verheiratet ist und Mary und ihre vielen Geschwister praktisch allein großziehen muss, lehnt sie konträr zum herrschenden Zeitgeist die Ehe als Versorgungsinstitution ab. Heiraten kommt für sie nur aus Liebe in Frage „In der Gesellschaft muss Gleichheit herrschen, sonst findet die Moral keinen Boden; Gleichheit kann aber nicht Wurzel fassen, solange die eine Hälfte der Menschheit in Abhängigkeit gehalten wird“2. Sie will unabhängig sein und fordert daher gute Bildung auch für Mädchen und Frauen. „Verheiratet oder unverheiratet, die Frau muss fähig sein, sich selbst zu ernähren, muss fähig sein, ihre Interessen im Parlament zu vertreten“3.
1784 gründet sie zusammen mit ihrer Freundin und einer ihrer Schwestern eine private Schule in London. 1786 erscheint ihr erstes Werk über die Bildung und Ausbildung von Mädchen4; zudem beginnt sie Romane zu schreiben und kann davon sogar leben.
Die Französische Revolution begeistert Mary und sie reist nach Paris. Sie schreibt zunächst eine „Verteidigung der Menschenrechte“5, in der sie die Errungenschaften der Revolution bejubelt. Doch auch sie muss wie Olympe de Gouges erkennen, dass Menschenrechte in den Augen der Revolutionäre Männerrechte sind: „Die Männer erheben sich für die Menschenrechte, in dem sie die Frauen unterdrücken“6 schreibt sie und verfasst 1792 in nur sechs Wochen das o.g. „Plädoyer für die Rechte der Frau“ – ihr wichtigstes Werk, mit dem sie über Nacht berühmt und wohlhabend wird. Sie widmet es dem Politiker und späteren Außenminister unter Napoleon I. Talleyrand, von dem sie sich einen Einsatz für die Rechte der Frauen erhofft.
Sie zieht aber auch massiven Zorn auf sich und wird, auch weil sie sich dem Modediktat ihrer Zeit nicht beugen will und weder Perücke noch Reifröcke mit geschnürter Taille trägt, als „Hyäne in Unterröcken“ geschmäht.
Ihr privates Leben verläuft unglücklich. Sie sucht eine Partnerschaft auf Augenhöhe, eine „geistige und körperliche Verbindung zweier freier Menschen, die allein auf Freiwilligkeit beruht“7. Sie beginnt eine Affäre mit einem verheirateten Mann, der sich nicht von seiner Frauen trennen will; ein späterer Geliebter lässt sie sitzen, als sie schwanger wird. Sie unternimmt zwei Selbstmordversuche, rafft sich aber wieder auf und veröffentlicht weitere Schriften und Reiseberichte. Ihre Erfahrungen verarbeitet sie in dem Buch „Die Leiden der Frauen“.
Um sich und ihre Tochter Fanny zu ernähren, arbeitet Mary Wollstonecraft in einem Londoner Verlag, wo sie schließlich William Goodwin kennenlernt. Er wird die Liebe ihres Lebens und sie heiraten im März 1797. Ende August kommt ihre gemeinsame Tochter Mary zur Welt, doch Mary Wollstonecraft stirbt - vor 215 Jahren - am 10. September 1797 an den Folgen der schweren Geburt.
In ihrer Tochter leben ihre Gedanken weiter. Sie heiratet den englischen Dichter Percy Shelley, schreibt unter ihrem Ehenamen Mary Shelley den Roman „Frankenstein oder der moderne Prometheus“ und lebt das unabhängige Leben frei von Konventionen, von dem Mary Wollstonecraft für sich und andere Frauen immer geträumt hat.
Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
1“Vindication of the Rights of Women”
2 Zitiert nach Ursula Scheu, Hrsg’in: Lexikon der Frauenzitate, München 2002
3 Zitiert nach Michaela Karl „Wir fordern die Hälfte der Welt – der Kampf der Suffragetten um das Frauenstimmrecht“, Fischer Verlag, 2009
4 “Thoughts on the Education of Daughters“
5 “Vindication of the Rights of Man“
6 Zitiert nach Ursula Scheu a.a.O.
7 Zitiert nach Michaela Karl, a.a.O., Seite 123
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